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Er liegt immer noch im Gebüsch und ist zornig auf sich, schämt sich seiner. Er hat Speer und Schwert, und plötzlich springt er in blinder Wut hinaus.

Ein Römer schneidet den Jungen die Kehlen durch; er fährt erschrocken herum und reißt die Augen auf, als ein Speer durch seinen Brustpanzer in seinen Bauch gestoßen wird.

Die beiden Männer haben die Frau zu Boden geworfen; sie drehen sich erstaunt um, aber ihre Kameraden haben bereits ihre Waffen herausgerissen und gehen auf den fremden Mann los.

Er war gut, vor allem dann, wenn von solcher Wut erfaßt. Er riß dem erstbesten Römer mit einem gewaltigen Hieb nach innen beinahe den Schwertarm ab, aber der andere war nicht so leicht zu besiegen. Selbst ein guter Schwertkämpfer, trieb der Römer den Mann in die Arme der beiden anderen Römer, die das Mädchen hatten liegen lassen und hinter ihm herankamen.

»Ich bringe den Hund auf der Stelle um!«fauchte der Schwertkämpfer, als er herankam.

»Nein, halt!«rief einer der anderen. »Das Weibsstück bedeutet ihm etwas, warum würde er sonst so kämpfen? Bindet ihn an den Baum. Er soll zuschauen und bereits vor seinem Tod sterben!«

»Ai! Trennen wir ihm die Gliedmaßen ab und lassen wir ihn liegen, damit er verblutet oder als Krüppel ohne Glieder lebt!«zischte der Mann, dem er den Arm bis zum Knochen durchgehauen hatte. Er lag immer noch im Sand und bäumte sich unter Qualen auf. Sie lachten und verbanden den anderen, so gut sie konnten.

Und es geschah. Er wurde mit Stricken, die er nicht zerreißen konnte, an einen Baum gebunden und gezwungen, der Notzüchtigung zuzusehen. Danach töteten sie das Mädchen, nicht barmherzig schnell, sondern langsam.

Er weinte, ebenso sehr um die Welt wie um diese Menschen, die gemartert und getötet worden waren. Er hatte gute, tapfere, anständige Männer der Legionen gekannt, Männer, die angesichts solcher Barbarei gehandelt haben würden wie er. Jetzt nicht mehr. Rom dehnte sich aus, erstreckte seinen Einfluß bis an den Rand der Welt, und dazu brauchte man viele Männer, deren einzige Qualifikation darin bestand, daß sie töteten und Spaß am Töten hatten.

Nun umringten sie ihn am Baum.

»Das ist also die Größe des mächtigen Rom«, zischte er verächtlich.

Sie lachten, obwohl er in ihren Gesichtern erkennen konnte, daß eine derartige Kaltblütigkeit angesichts von Marter und Tod sie verblüffte.

Sie zogen ihre Schwerter und feixten ihn an. Einer wies auf das Blutbad. »Waren das deine?«

Er sah dem Mann in die Augen.

»Ich habe sie in meinem ganzen Leben nie zuvor gesehen«, antwortete er in fehlerlosem Latein.

»Warum hast du dann für sie gekämpft?«fragte ein anderer verwirrt.

»Die Kinder des Herrn über Israel sollten nicht von Höllenbrut geschändet werden.«

»Genug davon! Du bist ein tapferer Mann, aber ein Narr«, sagte der Zenturio. »Wir werden dich töten, damit die Sache ein Ende hat.«

»Ich würde mir wahrlich wünschen, daß Ihr das könnt.«

Der Römer zog sein Schwert und zögerte eine Sekunde. Bevor er den tödlichen Streich führte, sah er ihm in die Augen.

Vier knallende Geräusche hallten wieder, gefolgt von einem wapp! wapp! wapp! wapp! Die Römer standen einen Augenblick da und blickten verwirrt, dann stürzten sie zu Boden. Aus ihren Rücken ragten Pfeile.

Vier Männer traten aus dem nahen Gesträuch. Alles Hebräer, das sah er sofort, alle mit Bogen. Einer war ein älterer Mann; nach ihrem Aussehen mußten die anderen seine Söhne sein. Zwei von den Söhnen untersuchten die Leichen der toten Hebräer, während der dritte Sohn mit einem Schwert dafür sorgte, daß die Römer für immer am Boden liegen würden. Der alte Mann kam heran, zog ein kleines, gebogenes Messer aus dem Gürtel und durchschnitt die Fesseln. Er brach beinahe zusammen, als das Blut in seine Glieder zurückkehrte. Der alte Mann war stark und fing ihn auf, bevor er ihn vorsichtig zu Boden gleiten ließ.

»Du hast Schreckliches durchlitten«, sagte der ältere Mann freundlich auf hebräisch.

Er nickte.

»Es waren einfach zu viele«, erwiderte er in derselben Sprache.

»Wir waren ein Stück zu weit weg«, gab der alte Mann zurück. Er seufzte. »Wir hörten die Schreie, kamen aber zu spät und waren vielleicht zu vorsichtig.«Er warf einen Blick auf die toten Römer. »Es ist nur Rache«, murmelte er, wie zu sich selbst, »aber dafür erscheint es einfach nicht ausreichend.«Er sah den Befreiten an. »Hast du Verwandte, zu denen man dich bringen kann?«

Er schüttelte den Kopf.

»Alles, was ich hatte, liegt dort«, murmelte er. »Ich bin wieder allein auf der Welt.«

»Du bist jung und tapfer und geschickt«, sagte der alte Mann. »Du verdienst eine neue Chance. Komm! Ich bin ein Mann von Vermögen. Ich bin Mattathias, der Sohn von Johannes, ein Priester der Söhne Joaribs, jetzt von Modin. Das sind meine Söhne — Joannan Caddis, Simon Thassi, Eleasar Avaran und Jonathan Apphus auf den römischen Listen.«

»Mein Name und meine Familie sind mit ihnen gestorben«, sagte er traurig. »Ich bin mit ihnen gestorben.«

»Dann sollst du mein Sohn sein«, erklärte Mattathias. »Du sollst der Sohn werden, der ihr ältester Bruder war, aber vor so langer Zeit in der Wildnis starb.«Er wandte sich an seine Söhne. »Was sagt Ihr?«

»Er ist ein tapferer Mann, der viel verloren hat«, sagte einer. »Und sein Geist und sein Glaube werden in diesen schwierigen Zeiten sehr gebraucht.«Die anderen nickten.

»Jeder Krieger, von so kleinem Wuchs wie du, der römische Panzer durchdringen kann, trägt große Leidenschaft und die Salbung durch den Herrn in sich«, sagte ein anderer.

»Dann ist es abgemacht«, erklärte Mattathias zufrieden. »Du bist für mich wie ein Sohn. Willkommen in meinem Stamm und meinem Haus. Hinfort sollst du Judas Makkabäus heißen, mein verlorener Sohn, der in diesen Zeiten der Prüfung zu mir zurückgekehrt ist.«

Und sie knieten nieder und beteten gemeinsam darum, daß der Herr, Gott von Israel, dies annehme und es in der Tat SEIN Wille sei. Und als sie fertig waren, sah er zu ihnen allen auf und sagte:»Vielleicht könnten wir mit eurem Glauben und eurer Vaterlandsliebe den mächtigen Antiochus selbst überwinden!«

* * *

Nathan Brazil wurde wach.

Sein Kopf fühlte sich an, als wolle er platzen; er konnte nur stöhnen, und die Mediziner kamen mit Schmerzmitteln, um ihm zu helfen. Er konnte endlich die Augen zusammenführen und versuchte, sich aufzusetzen. Mit leisem Ächzen sank er wieder zurück.

»Na, ich sehe, die ganze Bande ist da«, murmelte er.

»Wie fühlen Sie sich?«fragte Mavra besorgt.

Er lachte mühsam.

»Na ja, wie jeder, der mitten in einer Explosion gestanden hat, sich einen Tag später fühlt.«

»Was ist dort… drinnen mit Ihnen geschehen?«fragte Marquoz. »Erinnern Sie sich an etwas?«

Brazil schnitt eine Grimasse, nicht vor Schmerzen, sondern weil er sich erinnerte.

»Wollte Gott, es wäre nicht so! Obie hat wirklich keine Witze gemacht — der menschliche Geist ist ein Land der Phantasie, dazu bestimmt, sich zu täuschen, indem er jeweils den Standpunkt einnimmt, mit dem am leichtesten zu leben ist. Könnt ihr euch vorstellen, daß ihr plötzlich euch selbst gegenübersteht — eurem wahren Ich — ohne euch irgendwo verstecken zu können? Selbst Obie begreift nicht, was er mir Entsetzliches angetan hat, die grauenhafte Qual, die er mir zugefügt hat. Ich glaube nicht, daß er es hätte tun können, wenn er es gewußt hätte. Ist euch klar, daß wir — alle wir Nicht-Maschinen — verrückt sind? Völlig wahnsinnig? Kein Wunder, daß die Markovier das Gefühl hatten, Utopia nicht erreicht zu haben — sie schafften es wirklich nicht. Geistig mit ihren Ungeheuern von Computern verbunden, meine ich, müssen sie viel von dem mitgemacht haben, was mir zugestoßen ist. Sie waren gezwungen, sich selbst zu betrachten, ohne jeden Ausweg. Was für eine schreckliche Enttäuschung muß das gewesen sein! Mein Gott! Kein Wunder! Das erklärt alles: den Schacht, warum sie ihr großes Experiment anstellten, weshalb sie so bereitwillig Selbstmord begingen — und warum sie auch diesmal scheiterten. Wir — wir alle — nach ihrem Bild erschaffen, ja, aber auch Spiegelungen ihrer dunklen Seite. Mein Gott!«