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»Ja, verdammt, das glaube ich!«

»Aber sie bewundern den Mann alle so sehr. Wer würde ihm die Chance verweigern, nachzusehen, ob sein Dorf wirklich existiert?«

»Der neue Leiter.«

Laurence ging ein Licht auf, aber er stellte die Frage trotzdem, obwohl er wusste, wie Trumballs Antwort lauten würde.

»Und wer könnte das sein?«

»Mein Sohn Dex, natürlich!«

»Natürlich«, murmelte Laurence, »natürlich.«

IN DER HÖLLENGRUBE

Rodriguez sah zu, wie Fuchida nach oben und von ihm weg schlitterte, eine matte Lichtpfütze, die sich langsam, aber stetig entfernte. Das schabende Geräusch, mit dem der Biologe über das vereiste Gestein gezerrt wurde, drang nicht durch die Isolierung seines Helms; er hörte nur seinen eigenen Atem, der viel zu schnell ging. Beruhige dich, befahl er sich. Bleib ruhig, dann wird schon alles gut gehen.

Sicher, antwortete eine ironische Stimme in seinem Kopf.

Gar nichts dabei. Kinderspiel.

Dann kam ihm zu Bewusstsein, dass er mutterseelenallein im Dunkeln war.

Ist schon okay, sagte er sich. Mitsuo wird das Geschirr runterschicken, dann kann ich mich von der Winde hochziehen lassen.

Seine Helmlampe warf nur einen schwachen Lichtschein auf die dunkle, raue Felswand. Als Rodriguez sich umdrehte, wurde das Licht vom leeren Abgrund der Caldera verschluckt, der sich endlos weit und tief vor ihm ausdehnte.

Finsternis umgab ihm. Es war, als wäre er das einzige Lebewesen im ganzen Universum, als gäbe es überhaupt kein Universum, sondern nur die alles verschlingende Dunkelheit dieser kalten, schwarzen Höllengrube.

Wie von ungefähr kam ihm eine Zeile aus einem Stück in den Sinn, das er vor Jahren in der Schule gelesen hatte: Wieso, ist dies hier denn nicht die Hölle?

Sei kein Idiot!, fuhr er sich an. Dir wird schon nichts passieren. Dein Anzug funktioniert prima, und Mitsuo ist mittlerweile da oben, nimmt das Geschirr ab und bereitet sich darauf vor, es zu dir runterzuschicken.

Von wegen. Er könnte bewusstlos sein, er könnte an einem Felsbrocken festhängen, oder vielleicht ist das verdammte Geschirr auch zerrissen, als die Winde ihn den Hang raufgeschleift hat. Oder die Winde hat sich aus ihrer Verankerung gelöst, und jetzt kommt er mitsamt Winde und allem wieder runter und auf mich drauf.

Die Vorstellung, wie sie beide von dem Sims gestoßen wurden und in die schwarze, bodenlose Höllengrube stürzten, ließ ihm das Blut gefrieren.

Keine Furcht, sagte sich Rodriguez. Keine Furcht. Er stützte sich mit einer beschuhten Hand an dem massiven Felsen ab. Bald bist du hier draußen, wiederholte er stumm. Dann fragte er sich, ob das Licht seiner Lampe schwächer wurde.

Gehen die Batterien allmählich zur Neige?

Fuchidas Kopf knallte so heftig gegen die Innenseite seines Helms, dass er Blut im Mund schmeckte. Er kniff die Augen zusammen und sah den strengen, kompromisslosen Blick seines Vaters. Was für eine Enttäuschung für ihn, wenn er erfährt, dass ich auf dem Mars gestorben bin, wie mein Neffe Konoye.

Und Elizabeth. Vielleicht ist es besser so. Sie kann nach Irland zurückkehren und sich einen Ehemann aus ihrer eigenen Kultur suchen. Mein Tod wird ihr ein Leben voller Probleme ersparen.

Die Winde stoppte abrupt, und Fuchida bekam einen ungeheuren Schreck. Sie klemmt! In diesem Moment wurde ihm klar, dass er nicht bereit war zu sterben. Er wollte nicht sterben. Nicht hier auf dem Mars. Überhaupt nicht.

Ein böses rotes Auge starrte ihn an. Fuchida dachte einen Moment, er hätte das Bewusstsein verloren, dann ging ihm langsam auf, das es das Licht einer der Geo/Met-Baken war, die sie am Rand der Caldera aufgestellt hatten.

Er strengte seine Augen in der von Sternen erhellten Dunkelheit an und glaubte, die Umrisse der Winde über seinem ausgestreckten Körper aufragen zu sehen. Er langte hin und berührte sie.

Ja! Er war oben. Aber er war am Rande der Ohnmacht, und ihm war schwindlig. Sein Körper war schweißgebadet.

Hitzschlag, dachte er. Wie komisch, an einem Hitzschlag zu sterben, wenn die Temperatur außerhalb meines Anzugs fast hundertdreißig Grad unter Null beträgt.

Er lachte, obwohl er wusste, dass er drauf und dran war, hysterisch zu werden, aber es gelang ihm nicht, sich zu beherrschen. Bis er unkontrolliert zu husten begann.

Unten auf dem Sims versuchte Rodriguez, seine eigenen Ängste in Schach zu halten.

»Mitsuo«, rief er über die Anzugfrequenz. »Alles in Ordnung?«

Keine Antwort. Natürlich nicht, du Dummkopf! Sein Funkgerät funktioniert ja nicht. Die Kälte schien in seinen Anzug zu sickern. Es war so kalt, dass Kohlendioxid gefror.

So kalt, dass die Anzugheizung nicht mehr dagegen ankam.

So kalt, dass man sterben konnte.

Es war pure Phantasie, das wusste er. Wahrscheinlich wirst du in deinem Anzug eher gebraten wie Mitsuo, statt zu erfrieren.

»Rauf mit dir, Mitsy«, flüsterte er. »Sieh zu, dass du heil raufkommst, und schick mir das verdammte Seil runter!«

Er würde mich nicht hier zurücklassen. Nicht, wenn er nach oben gekommen ist. Er würde nicht zum Flugzeug laufen und mich hier lassen. Er kann sowieso nicht laufen.

Nicht mal gehen. Aber wenn er erst mal oben ist, könnte er's bis zum Flugzeug schaffen. Humpeln, auf einem Bein hüpfen. Oder sogar kriechen. Nein, das würde er nicht tun.

Er würde mich nicht allein hier unten sterben lassen. Irgendwas muss ihm zugestoßen sein. Er ist bestimmt verletzt oder ohnmächtig.

Mit einemmal kam ihm die Erinnerung an den Tod seines großen Bruders wieder hoch. Ganz plötzlich sah er Luis'

blutüberströmten, zerschmetterten Körper, als die Retter ihn aus dem Wrack des Sattelschleppers holten. Eine Verfolgungsjagd mit der Polizei auf dem Freeway. All diese Jahre hatte sein Bruder mit seinem Neunachser Drogen aus Tijuana ins Land geschmuggelt, und Tomas hatte es nicht gewusst, es nicht mal geahnt. Er konnte nichts tun. Als er Luis'

umgekipptes Gefährt am Mittelstreifen des Highways liegen sah, war es schon zu spät.

Er sah sich machtlos und wie versteinert dastehen, als sein Bruder für tot erklärt, in den wartenden Krankenwagen geschoben und abtransportiert wurde. Einfach so. Der Tod kann wie ein Blitzstrahl zuschlagen.

Was hätte ich tun können, um ihn zu retten, fragte sich Rodriguez zum tausendsten Mal. Irgendwas hätte ich tun müssen. Aber ich war zu beschäftigt mit der Fliegerei und dem AstronautentrAlning. Ich hatte keine Zeit für die Familie, für meinen eigenen Bruder.

Mit einem Seufzen sog er die Flaschenluft tief in seine Lungen. Tja, nun gleicht es sich aus. Ich bin bis zum Mars gekommen, und jetzt werde ich hier sterben.

Dann hörte er die weiche, melodische Stimme seines Bruders. »Keine Furcht, muchacho. Zeig niemals Furcht. Nicht mal dir selbst gegenüber.«

Rodriguez empfand keine Furcht. Nur eine tiefe Traurigkeit, dass er Luis nicht hatte helfen können, als dieser seine Hilfe gebraucht hatte. Und jetzt würde es alles enden. Die Reue, die Hoffnungen, alles …

Einen Moment lang glaubte er, ein rotes Licht an der Felswand aufleuchten zu sehen. Er kniff die Augen zusammen.

Nichts. Er schaute nach oben, aber das Oberteil seines Helms nahm ihm die Sicht. Du klammerst dich an einen Strohhalm, sagte er sich. Wenn man unbedingt etwas sehen will, dann sieht man's auch, selbst wenn es gar nicht da ist.

Doch dann blitzte das rote Licht erneut auf, und als er diesmal die Augen zusammenkniff, verschwand es nicht wieder. Diese verdammten Helme, dachte er wütend. Man kann erst was sehen, wenn man's direkt vor der Nase hat.

Er versuchte, den ganzen Oberkörper ein bisschen nach hinten zu neigen, und war sich dabei nur allzu deutlich bewusst, dass er ohne Weiteres von dem Sims rutschen und in die bodenlose Caldera hinabstürzen konnte.