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Aber er hievte sich vom Sitz hoch, schlängelte sich an Craig vorbei und begann, die Vorratsschränke zu durchsuchen, dankbar für die Chance, etwas tun zu können, statt einfach nur dazusitzen und zuzusehen, wie der Sturm auf sie zukam und sie erstickte.

ABEND: SOL 58

Wiley Craig ließ den Lichtstrahl der Lampe von der Nase bis zum Heck des Rovers wandern.

»Tja … schön isses nich grade«, sagte er, »aber es sollte seinen Zweck erfüllen.«

Für Dex, der neben ihm stand, sah das Dach des Rovers wie ein von ungeschickten Kindern eingepacktes Weihnachtsgeschenk aus. Bettlaken, Plastikfolien, eine Persenning, sogar mehrere Sätze Reserve-Overalls –

zerschnitten, damit sie eine größere Fläche abdeckten –

waren über die Solarpaneele gebreitet und gründlich verklebt worden.

»Glaubst du, das bleibt alles dran, wenn der Sturm richtig loslegt?«, fragte er.

Craig schwieg einen Moment lang, dann sagte er: »Sollte's eigentlich. Der Wind muss jetzt schon an die siebzig Knoten haben, und sie flattern nich mal.«

Dex hörte das klagende Heulen des Windes außerhalb seines Helms, leise, aber stetig und mit wachsendem Nachdruck. Er glaubte auch ein leises Knispeln an der Außenhaut seines Anzugs zu hören; es klang, als ob feine Sandkörner auf ihn einprasseln würden. Er spürte beinahe, wie der Staub an ihm kratzte.

Es war jetzt vollständig dunkel. Dex war müde und erschöpft, aber zugleich auch nervös und schreckhaft. Im Lichtschein von Wileys Lampe sah er, dass die Luft klar war; es wirbelte kein Staub herum. Jedenfalls keiner, den er sehen konnte. Dennoch war da dieses sandige Scharren an der harten Hülle des Anzugs.

»Wir hätten leicht noch eine Stunde weiterfahren können«, sagte er zu Craig..

»Schon möglich.«

»Zum Teufel, Wiley, ich bin in New England durch Schneestürme gefahren.« Trotz seiner Worte klang Dex'

Stimme zittrig, sogar in seinen eigenen Ohren.

»Wir sind hier aber nich auf der Autobahn in Massachusetts, Kumpel.«

»Und was machen wir jetzt? Rumsitzen und auf den Fingernägeln kauen?«

»Nee. Wir sammeln so viele Daten, wie wir können. Dann essen wir zu Abend. Und dann nehmen wir 'ne ordentliche Mütze Schlaf.«

Dex starrte Craig in seinem Raumanzug an. Er klingt überhaupt nicht beunruhigt. Die verdammten Brennstoffzellen lecken, die Solarpaneele sind abgeschaltet und wir müssen für Gott weiß wie lange von den Batterien leben, aber er ist so ruhig und gelassen wie jemand, der bei einem Blizzard warm und gemütlich in einer erstklassigen Skihütte sitzt.

»Okay, Boss« – Dex bemühte sich um einen lässigen Ton –

, »was soll ich machen?«

»Du gehst rein und überprüfst die Brennstoffzellen, vergewisserst dich, dass die Kommunikationssysteme alle funktionieren, und meldest dich bei der Basis, sagst ihnen Bescheid, dass wir für die Nacht alle Luken dichtgemacht haben.«

Dex nickte. Die Funksatelliten im Orbit werden unsere Position ermitteln. Wenn uns irgendwas zustößt, dachte er, wissen sie zumindest, wo sie die Leichen finden.

Craig pfiff tonlos vor sich hin, während er zur Luftschleuse zurückstapfte, um eine Geo/Met-Bake zu holen und sie draußen neben dem Rover aufzustellen. Dex ging wieder hinein und schälte sich aus seinem Anzug. Er wusste, dass er ihn anbehalten sollte, damit er sofort hinausgehen konnte, falls Craig in Schwierigkeiten geriet. Aber er war zu müde, zu ausgelaugt und schlichtweg zu ängstlich, um auch nur darüber nachzudenken.

Seine Augen brannten kurz, als er den Staub penibel von seinem Anzug saugte. Ozon, von den Peroxiden im Erdreich. Wir könnten uns mit Sauerstoff versorgen, indem wir einfach ein bisschen was von dem roten Zeug reinholen, sagte er sich.

Sobald er den Anzug abgelegt hatte, ging er ins Cockpit und starrte in die Dunkelheit hinaus. Er hatte ein flaues Gefühl im Magen. Ich habe Angst, dachte er. Wie ein kleines Kind, das sich im Dunkeln fürchtet. Angst! Wiley ist so ruhig wie nur was, und ich geh seelisch aus dem Leim. Mist!

Da er nichts Besseres zu tun hatte, schaute er im Posteingang nach neuen Nachrichten. Der übliche Müll von der Basis, jede Menge Satellitendaten über den heraufziehenden Sturm. Und eine Botschaft für ihn, die als ›persönlich‹ gekennzeichnet war.

Nur ein Mensch im Sonnensystem würde mir eine persönliche Botschaft schicken, dachte Dex. Mit einer Mischung aus Wut und Erleichterung drückte er auf die entsprechenden Tasten und sah, wie das finstere Gesicht seines Vaters auf dem Bildschirm an der Kontrolltafel des Rovers erschien.

Genau das, was ich brauche, dachte er. Mein lieber alter Dad mit seiner befreienden Komik.

»Okay«, sagte Jamie zu den fünfen, »wir haben uns so gut auf den Sturm vorbereitet, wie wir können.«

»Possum und Dex auch«, sagte Stacy Deschurowa.

»Er möchte Wiley genannt werden«, mahnte Jamie.

Deschurowa seufzte dramatisch. »Das männliche Ego.

Vielleicht sollte ich mir auch einen anderen Namen zulegen.«

Sie saßen um den Tisch in der Messe und stocherten in ihren Schalen herum. Obwohl sie hart gearbeitet hatten, um alle Vorbereitungen für den Sturm zu treffen, schien niemand großen Appetit zu haben.

Vijay fragte leichthin: »Welchen Namen würdest du dir denn aussuchen, Stacy?«

»Nicht Anastasia«, antwortete Deschurowa rasch. »Und Nastasia auch nicht. Er ist zu … kompliziert.«

»Ich finde, Anastasia ist ein hübscher Name«, sagte Rodriguez. »Mir gefällt er.«

»Dann kannst du ihn haben«, sagte Deschurowa.

Sie lachten alle. Nervös.

Jamie überlegte, ob er ihnen von Trumballs Versuch erzählen sollte, ihm die Missionsleitung entziehen zu lassen.

Es betrifft sie ebenso sehr wie mich. Sogar noch mehr.

Trotzdem schwieg er, weil er sie nicht mit den politischen Manövern belasten wollte, die auf der Erde abliefen. Das ist eine andere Welt, sagte sich Jamie. Wir haben hier unsere eigenen Probleme, denen wir uns stellen müssen, unsere eigenen Realitäten.

Es erschien ihm alles so unwirklich, so fern und ungreifbar. Wie die Gespenstergeschichten aus seiner Kindheit, die sein Großvater sich für ihn ausgedacht hatte. Wie die Legenden vom Ersten Mann und der Ersten Frau, als die Welt noch neu gewesen war.

Das hier ist die neue Welt, erkannte er. Der Mars. Neu, sauber und voller Geheimnisse. Ich kann nicht zulassen, dass Dex und sein Vater sie in ein Touristenzentrum verwandeln. Ich kann nicht zulassen, dass sie darangehen, diese Welt zu ruinieren, wie sie die Welt des Volkes zerstört haben. Deshalb muss ich gegen sie kämpfen.

Eine neue Einsicht durchflutete ihn. Es war, als hätte er sich in einer unwegsamen Wildnis verirrt und als täte sich vor seinen Augen nun plötzlich ein Weg auf, der Weg zu Harmonie, Schönheit und Sicherheit.

Ich kann nicht zulassen, dass sie Touristen hierherbringen. Ich kann nicht zulassen, dass sie in dieser natürlichen Umwelt alles aufreißen, um Städte und Kolonien zu bauen. Bergsteiger zum Olympus Mons zu bringen.

Skipisten anzulegen. Ich muss sie bekämpfen. Aber wie?

»Hört mal!«

Jamie wandte seine Aufmerksamkeit abrupt wieder der Messe, der Kuppel und seinen fünf Forscherkollegen zu.

Das Heulen des Windes hatte eine höhere Tonlage angenommen. Er beobachtete ihre fünf Gesichter, als sie ins Halbdunkel der Kuppel hinaufstarrten. Etwas knarrte Unheil verkündend.

»Die Kuppel ist vollkommen sicher«, sagte Fuchida zu niemand Bestimmtem. »Sie ist so konstruiert, dass sie dem stärksten Wind widersteht, der je auf dem Mars gemessen wurde, mit einem großen zusätzlichen Sicherheitsfaktor.«

»Was war das dann für ein Geräusch?«, fragte Trudy. Ihre Stimme klang klein und hohl.