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„Dann fahren Sie jetzt bitte fort“, forderte ihn der Flottenkommandant auf.

Cha Thrat nahm wieder ihren Platz ein, und der Chefpsychologe, dessen Gesicht immer noch einen dunkleren Rosaton aufwies, setzte seine Ausführungen fort. „Was ich sagen will, ist, daß der Angeklagte unabhängig von dem, was er glaubt, für den Vorfall auf Cromsag nicht voll verantwortlich ist. Um das zu beweisen, werde ich Tatsachen enthüllen müssen, die normalerweise nur meiner Abteilung bekannt sind. Diese Informationen.“

Flottenkommandant Dermod hatte eins seiner beiden vorderen Gliedmaßen mit nach außen gedrehter Handfläche erhoben und O'Mara auf diese Weise zum Schweigen gebracht. „Wenn es sich dabei um Informationen handelt, die die Privatsphäre betreffen, Major, dürfen Sie von ihnen nicht ohne die Erlaubnis des Betroffenen Gebrauch machen. Falls der Angeklagte ihre Verwendung verbietet.“

„Ich verbiete ihre Verwendung!“ warf Lioren mit fester Stimme ein.

„.hat das Gericht keine andere Wahl, als sich dem Wunsch des Angeklagten zu fügen“, fuhr Dermod fort, als ob der Oberstabsarzt nichts gesagt hätte. „Das ist Ihnen doch sicherlich klar.“

„Ebenfalls ist mir klar — und, wie ich glaube, auch Ihnen, Sir — , daß mir der Angeklagte verbieten würde, überhaupt irgendwas zu seiner Verteidigung zu sagen oder zu tun, falls er die Gelegenheit dazu erhalten sollte“, stellte O'Mara lapidar fest.

Der Flottenkommandant senkte die Hand. „Trotzdem, was die Privatsphäre betreffende Informationen anbelangt, hat der Angeklagte dieses Recht.“

„Ich bestreite sein Recht, gerichtlich gebilligten Selbstmord zu begehen“, widersprach O'Mara. „Sonst hätte ich mich bestimmt nicht angeboten, jemanden zu verteidigen, der eine dermaßen hohe Intelligenz besitzt, über derart große Fachkompetenz verfügt und gleichzeitig so abgrundtief dumm ist. Die fraglichen Informationen sind zwar vertraulich und nur für den Dienstgebrauch bestimmt, aber in keiner Weise verletzen sie die Privatsphäre des Angeklagten, da sie damals wie heute für jeden Berechtigten zugänglich sind, der vollständige psychologische Daten über einen Bewerber haben möchte, bevor er ihm anbietet, ihn in einer wichtigen Position zu beschäftigen oder in eine Stellung mit größerer Verantwortung zu befördern. Ohne falsche Bescheidenheit möchte ich behaupten, daß es das psychologische Persönlichkeitsdiagramm meiner Abteilung war, das Oberstabsarzt Lioren die ursprüngliche Ernennung zum Offizier des Monitorkorps und wahrscheinlich die letzten drei Beförderungen eingebracht hat. Selbst wenn wir in der Lage gewesen wären, das psychologische Persönlichkeitsdiagramm des Angeklagten nach seiner Abreise aus dem Hospital genau zu überwachen, gäbe es keine Gewißheit, daß die Tragödie auf Cromsag hätte vermieden werden können. Die Persönlichkeit und die Beweggründe desjenigen, der sie verursacht hat, waren zu dem Zeitpunkt bereits voll entwickelt, gefestigt und in sich wohlausgewogen. Zu meinem späteren Bedauern habe ich damals keinen Anlaß gesehen, sie in irgendeiner Weise zu ändern.“

Der Chefpsychologe machte eine kurze Pause, um einen Blick auf die Zuhörer zu werfen, die sich im Raum drängten, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder den Offizieren auf der Richterbank zuwandte. Der Bildschirm auf seinem Tisch flackerte auf, aber O'Mara blickte kaum auf die von unten nach oben laufenden Symbole, als er seine Ausführungen fortsetzte.

„Das ist die Aufzeichnung des psychologischen Persönlichkeitsdiagramms eines Lebewesens mit einer vollkommenen und ganz außergewöhnlichen Hingabe an seinen Beruf“, erläuterte der Major. „Trotz der gleichzeitigen Anwesenheit von Tarlanerinnen ist kein gesellschaftlicher oder sexueller Umgang des Betreffenden mit ihnen verzeichnet, noch gibt es irgendwelche Hinweise, daß er das eine oder andere Abenteuer überhaupt gewollt hätte. Ehelosigkeit erlegen sich die Angehörigen einiger intelligenter Spezies aus unterschiedlichen persönlichen, philosophischen oder religiösen Gründen auf. Zwar ist ein solches Verhalten selten und sogar ungewöhnlich, aber keineswegs anormal.

In Liorens Persönlichkeitsdiagramm finden sich keine Vorkommnisse, Verhaltensweisen oder Gedanken, an denen ich ein fehlerhaftes Vergehen festmachen könnte“, fuhr O'Mara fort. „Er hat gegessen, geschlafen und gearbeitet. Während seine Kollegen dienstfrei hatten und sich entspannt oder amüsiert haben, hat Lioren seine Freizeit damit verbracht, zu studieren oder auf Gebieten, die er für besonders interessant gehalten hat, zusätzliche Erfahrungen zu sammeln. Nach seiner Beförderung haben zwar die ihm unterstellten Mitarbeiter des medizinischen und des Wartungspersonals für Umweltbedingungssysteme eine tiefe Abneigung gegen ihn entwickelt, weil er von ihnen genauso gute Arbeit verlangt hat wie von sich selbst, aber dafür haben die Patienten, die unter seine Obhut kamen, wirkliches Glück gehabt. Dennoch haben schon damals seine starke Hingabe und geringe Flexibilität darauf hingedeutet, daß er für die letzte Beförderung zum Diagnostiker nicht geeignet sein könnte.

Doch das war nicht der Grund, weshalb er das Orbit Hospital verlassen hat“, fügte O'Mara schnell hinzu. „Nach Liorens Auffassung verhielt sich der Großteil des Hospitalpersonals bezüglich des persönlichen Auftretens viel zu lässig, in der Freizeit furchtbar verantwortungslos und — nach seinen Maßstäben — unerträglich albern, und er wollte seine Arbeit in einer Umgebung mit strengerer Selbstdisziplin fortsetzen. Seine Beförderungen innerhalb des Monitorkorps, zu denen auch das Kommando über das Rettungsunternehmen auf Cromsag gehörte und das mit einem Desaster endete, hat er voll und ganz verdient.“

Der Chefpsychologe schaute nach unten auf seinen Schreibtisch, blickte aber nicht in den Teleprompter, sondern schloß aus irgendeinem Grund die Augen. Plötzlich sah er wieder auf.

„Dies ist das psychologische Persönlichkeitsdiagramm von jemandem, der keine andere Wahl hatte, als so zu handeln, wie er es getan hat“, fuhr O'Mara fort, „darum sind seine Maßnahmen unter den gegebenen Umständen angemessen gewesen. Lioren hat sich weder nachlässig noch fahrlässig verhalten und ist deshalb, wie ich behaupte, nicht schuldig. Denn erst nachdem die wenigen Überlebenden hier im Hospital zwei Monate lang unter Beobachtung gestanden hatten, konnten wir die sekundären Auswirkungen der Krankheit, die Lioren behandelt hatte, auf die innere Sekretion herausfinden. Wenn sich Lioren überhaupt eines Verbrechens schuldig gemacht hat, dann höchstens des leichten Vergehens zu großer Ungeduld, die wiederum auf seiner festen Überzeugung beruhte, daß die medizinische Ausstattung des Schiffs für die geforderte Aufgabe ausreichen müßte.

Eigentlich habe ich nicht mehr viel vorzubringen, außer den Hinweis an das Gericht, daß die Strafe im Verhältnis zum Verbrechen und nicht, wie der Angeklagte meint und die Anklage argumentieren wird, im Verhältnis zu den Folgen dieses Verbrechens stehen sollte“, setzte der Major seine Ausführungen fort. „So katastrophal und entsetzlich die Auswirkungen der Maßnahmen des Oberstabsarztes gewesen sein mögen, das Verbrechen selbst war nur geringfügig und sollte als solches behandelt werden.“

Während O'Maras Rede war Liorens Wut bis zu einem Grad gestiegen, an dem er sie möglicherweise nicht mehr kontrollieren konnte. Überall auf seiner blassen, gelbgrünen Haut tauchten braune Flecken auf, und seine beiden äußeren Lungenpaare hatte er prall aufgebläht, um einen Einspruch herauszuschreien, der für eine korrekte Artikulation zu laut gewesen wäre und wahrscheinlich die Schallsensoren von vielen der Anwesenden zerstört hätte.

„Offenbar gerät der Angeklagte emotional in Bedrängnis“, sagte O'Mara schnell, „deshalb werde ich mich lieber kurz fassen. Ich bitte dringend, die Klage gegen Oberstabsarzt Lioren abzuweisen oder, falls dies nicht der Fall

ist, wenigstens keine Haftstrafe auszusprechen. Im Idealfall sollte die Bewegungsfreiheit des Angeklagten auf das Hospital beschränkt werden, wo ihm im Bedarfsfall psychiatrische Hilfe geleistet werden kann und gleichzeitig unseren Patienten seine beachtlichen fachlichen Talente zugute kommen, während er.“