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„Offensichtlich handelt es sich um eine Seuche“, unterbrach ihn Lioren plötzlich, „um eine Epidemie, gegen die diese Wesen nur geringe natürliche Abwehrkräfte besitzen und durch die die Planetenbevölkerung so weit dezimiert wurde, daß man nicht mehr das reibungslose Funktionieren sämtlicher Städte in vollem Umfang leisten konnte, und die Überlebenden sind dann in die wärmeren Städte mit geringerem Energiebedarf am Äquator gezogen, um.“

„Einen blutigen Krieg zu führen!“ fiel ihm der Arzt des Aufklärungsschiffs, Dracht-Yur, ins Wort, wobei seine knurrende nidianische Sprache die emotionslose Übersetzung des Translators in ärgerlichem Ton untermalte. „Aber es handelt sich um eine eigenartige, altertümliche Form der Kriegsführung. Entweder lieben die Planetenbewohner den Krieg geradezu, oder sie hassen sich wie die Pest. Trotzdem scheinen sie eine ungeheure Achtung vor fremdem Eigentum zu haben. Massenvernichtungswaffen setzen sie jedenfalls nicht gegeneinander ein; für Bombardierungen aus der Luft oder Artilleriefeuer gibt es keinerlei Anzeichen, obwohl sie immer noch über sehr viele Bodenfahrzeuge und Flugzeuge verfügen. Aber die benutzen sie nur, um die Kriegsteilnehmer zum Schlachtfeld zu transportieren, wo sie Mann gegen Mann und anscheinend ohne Waffen Nahkämpfe austragen. Das ist grausam. Sehen Sie!“

Der taktische Bildschirm der Vespasian zeigte eine Reihe Luftaufnahmen von Lichtungen in Tropenwäldern und städtischen Straßen, die trotz starker Vergrößerung und der Tatsache, daß man sie aus einer Entfernung von achtzig Kilometern senkrecht von oben fotografiert hatte, gestochen scharf und kontrastreich waren. Normalerweise war es schwierig, aus dem Orbit verläßliche Informationen über Körpermasse und physiologische Einzelheiten einer einheimischen Lebensform zu erhalten — obwohl eine Untersuchung des Schattens, den ein Wesen warf, hilfreich sein konnte — , doch in diesem Fall waren, wie Lioren grimmig dazu einfiel, viel zu viele Planetenbewohner so zuvorkommend gewesen, sich tot auf den Boden zu legen.

Den Oberstabsarzt erschütterten die Bilder achtlos liegengelassener Toter zwar, aber sie widerten ihn nicht an, wie es bei Dracht-Yur der Fall war, da der nidianische Arzt zu einer dieser eigenartigen Zivilisationen gehörte, die die sterblichen Überreste ihrer Toten ehren. Dennoch stellte die Menge der vor kurzem und schon vor längerer Zeit Gefallenen, die auf den Straßen und Waldlichtungen herumlagen, auf jeden Fall ein Gesundheitsrisiko dar.

Lioren fragte sich unwillkürlich, ob die überlebenden Kämpfer die Gefallenen nicht begraben wollten oder einfach nicht begraben konnten. Eine weniger scharfe Filmaufnahme zeigte zwei der Planetenbewohner, die miteinander auf dem Boden kämpften, und die Schläge und Bisse, mit denen sie sich gegenseitig eindeckten, waren so sanft, daß der Kampf genausogut ein öffentlich vollzogener Geschlechtsakt hätte sein können.

Anscheinend konnte der Nidianer Liorens Gedanken lesen, denn er fuhr fort: „Die beiden sehen aus, als könnten sie sich gegenseitig gar nicht ernsthaft verletzen, und ganz zu Anfang hatte ich angenommen, dies sei eine Spezies, die über keine körperliche Ausdauer verfügt. Doch dann sind andere Planetenbewohner beobachtet worden, die mit aller Kraft und ohne Unterbrechung einen ganzen Tag lang gekämpft haben. Aber Sie werden auch bemerken, daß die Haut dieser beiden verfärbte Stellen aufweist, die sich schon weit ausgebreitet haben, während die Haut von einigen der anderen makellos ist. Zwischen dem Grad körperlicher Schwäche und der Größe des verfärbten Hautbereichs besteht ein eindeutiger Zusammenhang. Meiner Ansicht nach kann man mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, daß diese beiden Kämpfer nicht müde, sondern schwer krank sind.

Aber das hält sie nicht von dem Versuch ab, sich gegenseitig umzubringen“, schloß Dracht-Yur mit einem verärgerten Knurren.

Die mittleren Finger zum tarlanischen Zeichen für Respekt und Zustimmung ausgestreckt, erhob Lioren eine Hand ein Stück über die Tischplatte. Doch bei den beiden Offizieren deutete nichts daraufhin, daß sie die Bedeutung dieser Geste verstanden hatten, und das bedeutete, die Komplimente mußten ihnen verbal gemacht werden.

„Major Nelson, Stabsarzt Dracht-Yur, Sie haben beide ausgezeichnete Arbeit geleistet“, sagte Lioren. „Aber es gibt für Sie noch mehr zu tun. Kann ich davon ausgehen, daß die übrigen Mitglieder Ihrer Besatzung ebenfalls die Möglichkeit gehabt haben, die Situation auf dem Planeten zu verfolgen, und sie untereinander erörtert haben?“

„Davon konnten wir sie gar nicht abhalten…“, begann Nelson.

„Ja“, bestätigte Dracht-Yur bellend.

„Sehr gut“, stellte Lioren zufrieden fest. „Die Tenelphi ist vom momentanen Vermessungsdienst freigestellt. Lassen Sie Ihre Offiziere auf die Vespasian kommen. Da diese Offiziere über die Lage vor Ort besser, womöglich auch nur ein bißchen besser, im Bilde sind als wir, werden sie sich den Besatzungen der ersten vier Erkundungsfahrzeuge, die wir nach unten auf den Planeten schicken, als Berater anschließen. Die Vespasian wird in der Umlaufbahn bleiben, bis die wirkungsvollste Stelle für den Rettungseinsatz ausgewählt worden ist.“

In Momenten wie diesem vergeudete Lioren nur ungern Zeit mit Höflichkeiten, aber er hatte gelernt, daß jetzt verloren geglaubte Zeit, insbesondere was ranghöhere terrestrische Offiziere anging, durchaus dazu beitragen konnte, die Sache später zu beschleunigen. Und schließlich war Colonel Wiliamson der Kommandant der Vespasian und nominell der vorgesetzte Offizier.

„Falls Sie bis hierher irgendwelche kritischen Anmerkungen oder Einwände haben, Sir, würde ich mich freuen, sie zu hören“, schlug Lioren deshalb vor.

Colonel Wiliamson warf Nelson und Dracht-Yur einen kurzen Blick zu, bevor er sich wieder Lioren zuwandte. Die Zähne der Offiziere vom Aufklärungsschiff waren entblößt, und auch beim Colonel waren einige sichtbar, als er sagte: „Die Tenelphi wird die Vermessung erst dann wiederaufnehmen können, wenn wir ihre Vorräte aufgestockt haben, und es würde mich überraschen, wenn die Offiziere des Aufklärungsschiffs etwas gegen irgendeine Unterbrechung dieser todlangweiligen Routinearbeit einzuwenden hätten. Damit machen Sie sich nur Freunde, Lioren. Fahren Sie bitte fort.“

„Absolut vorrangig ist es, die Kämpfe zu beenden“, sagte der Oberstabsarzt. „Nur dann wird es möglich sein, die Kranken und Verwundeten zu behandeln. Die Aufgabe, die Einstellung aller Feindseligkeiten zu erzwingen, muß bewältigt werden, ohne weitere Opfer zu verursachen oder die Bevölkerung in allzu große psychische Bedrängnis zu bringen. Für eine Zivilisation, deren Technologie sich noch auf dem Stand vor dem Raumflug befindet, wäre das plötzliche Auftauchen eines Raumschiffs von der Größe und Stärke der Vespasian und der furchterregend aussehenden Insassen nicht gerade beruhigend.

Die erste Annäherung muß in einem kleinen Schiff von Besatzungsmitgliedern durchgeführt werden, die aus psychologischen Gründen über die gleiche oder eine geringere Körpermasse verfügen als die Planetenbewohner. Außerdem hat das Ganze unauffällig vor sich zu gehen, in einer abgeschiedenen Gegend, wo sich nur wenige Einheimische oder, im Idealfall, sogar nur ein einzelner Planetenbewohner aufhält, dessen vorübergehendes Verschwinden aus dem Kreis seiner Freunde nur minimale Besorgnis hervorruft.“

Bei dem schließlich für diesen Einsatz ausgewählten Fahrzeug handelte es sich um die Kurzstrecken-Transportfähre der Vespasian, die sowohl im Raum fliegen als auch ausgedehnte Flugmanöver in der Atmosphäre durchführen konnte. Zwar war sie nach Liorens Auffassung relativ klein, aber dafür ausgesprochen komfortabel ausgestattet — wenn man zufällig Terrestrier war; im Moment war sie allerdings völlig überladen und überfüllt.