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Mit abgeschalteten Triebwerken und reduzierter Geschwindigkeit glitten sie gerade aus dem orangefarbenen Licht des Sonnenaufgangs steil in eine dunkle, noch nicht in der Dämmerung liegende Wolkendecke hinab, damit sie den Planetenbewohnern nicht durch einen Überschallknall unnötige Sorgen bereiteten, und bis auf die Strahlen aus den Infrarotsensoren, die die Einheimischen vielleicht sehen konnten, vielleicht aber auch nicht, war die Fähre völlig verdunkelt.

Lioren starrte auf das vergrößerte Bild von der Waldlichtung, in der sich ein einzelnes Haus mit einem Flachdach und den Nebengebäuden befand, die nun auf die Fähre zuzustürzen schienen. Ohne Antrieb erfolgte der Anflug der Fähre offenbar zu steil und viel zu schnell und allem Anschein nach mit der Flugcharakteristik eines Körpers, der aerodynamisch gesehen voll und ganz einem Felsbrocken entsprach. Dann wurden auf einmal an drei Stellen die Pflanzen, die auf dem Boden der Lichtung wuchsen, nach unten gebogen und in flache Krater von geringem Durchmesser hineingedrückt, als die Pressorstrahlen zu Boden schossen, um die Fähre auf immateriellen Stelzen zu tragen, die zugleich als Stoßdämpfer dienten. Die Landung ging zwar urplötzlich vonstatten, aber dennoch geräuschlos und sehr sanft.

Mißbilligend wandte Lioren ein Auge dem Piloten zu und fragte sich nicht zum erstenmal, warum es einige Fachleute offenbar für nötig hielten, ihr fachliches Können auf so dramatische Weise unter Beweis stellen zu müssen; bevor ihm jedoch dazu eine Äußerung einfiel, die sowohl schmeichelhaft als auch kritisch gewesen wäre, glitt schon die Bordrampe zu Boden.

Die Besatzung trug schwere Raumanzüge, von denen man die Luftbehälter und die Helmvisiere entfernt hatte, weil man der Überzeugung war, daß dieser behelfsmäßige Körperpanzer genügend Schutz vor jedem mit bloßen Händen unternommenen Angriff einer intelligenten Lebensform bieten müßte, die sich nur natürlicher Waffen bediente. Die fünf Terrestrier und drei Orligianer in der Gruppe liefen gleich los, um die Nebengebäude zu durchsuchen, während sich Dracht-Yur und Lioren eiligst zum Haus begaben, in dem trotz der frühen Stunde bereits das Licht brannte. Indem sie sich geduckt an den geschlossenen Fenstern vorbeischlichen, hinter denen sich keine Vorhänge befanden, umkreisten sie einmal das Haus und blieben schließlich vor dem einzigen Eingang stehen.

Dracht-Yur stellte seinen Scanner auf den Türmechanismus und den Biosensor auf die Räume dahinter ein; dann bediente er sich des Anzugfunks, um leise zu sagen: „Hinter der Tür befindet sich ein großer Raum, in dem sich zur Zeit niemand aufhält. Der Raum ist mit drei kleineren Kammern verbunden. In der ersten Kammer ist kein Lebenszeichen festzustellen, aber in der zweiten entdecke ich Spuren von Lebewesen, die sich nicht bewegen und so nah beieinander sind, daß ich mir nicht sicher bin, ob die leisen, unübersetzbaren Laute, die typisch für Schlafende sind, von zwei oder drei Wesen stammen. Vielleicht sind sie krank oder verletzt. In der dritten Kammer befindet sich ein Lebewesen, dessen Bewegungen langsam und bedächtig erscheinen, und die Geräusche aus dieser Kammer sind gedämpft, aber ausgeprägt und klingen wie das periodisch auftretende Aneinanderschlagen von Kochgeräten. Insgesamt deutet alles darauf hin, daß sich die Hausbewohner unserer Anwesenheit nicht bewußt sind.

Der Türmechanismus ist ganz schlicht, und der große Metallriegel auf der Innenseite ist nicht vorgelegt“, beendete der nidianische Arzt seine Ausführungen. „Sie können einfach den Schnappriegel anheben und hineingehen, Sir.“

Lioren war erleichtert. Die Tür aufzubrechen hätte ihm die Aufgabe, die Hausbewohner von seinen guten Absichten zu überzeugen, sehr viel schwerer gemacht. Aber bei bis zu vier Einheimischen im Haus und mit nur einem einzigen übereifrigen und winzigen Nidianer an seiner Seite wollte sich Lioren vorerst lieber nicht hineintrauen. Er verhielt sich still, bis die anderen eintrafen, um zu berichten, daß sich in den Nebengebäuden lediglich landwirtschaftliche Geräte und einige nicht vernunftbegabte Nutztiere befänden.

Lioren beschrieb ihnen rasch die Anlage des Hauses und fuhr dann fort: „Die größte Gefahr droht uns von der Gruppe aus zwei oder drei Lebewesen, die sich in dem Raum direkt gegenüber dieser Eingangstür aufhalten und ihn auf keinen Fall verlassen dürfen, bevor wir diesen Aliens nicht die Situation erklärt haben. Vier von Ihnen bewachen die Innentür und noch mal vier das Fenster, falls diese Wesen versuchen sollten, auf diesem Weg zu entkommen. Dracht-Yur und ich werden uns mit dem anderen Hausbewohner unterhalten. Und vergessen Sie nicht, seien Sie die ganze Zeit über leise, vorsichtig und keinesfalls aggressiv. Beschädigen Sie keine Möbel oder Gebrauchsgegenstände, und fügen Sie vor allem den Aliens selbst keinen Schaden zu, und tun Sie nichts, was die Bewohner auf die Idee bringen könnte, daß wir keine Freunde sind.“

Mit äußerster Vorsicht hob er leise den Schnappriegel an, öffnete die Tür und ging ins Haus voran.

In der Mitte des Raums hing eine brennende Öllampe von der Decke und beleuchtete die Wände, die mit bildhaften Reliefs und Gebinden geschmückt waren, die offenbar aus getrockneten, duftenden Pflanzen bestanden, obwohl das Aroma, das sie verbreiteten, für Liorens tarlanischen Geruchssinn alles andere als angenehm war. Vor der gegenüberliegenden Wand stand ein langer Eßtisch, unter den vier Stühle mit hohen Rückenlehnen geschoben waren. Zudem waren noch an den anderen Wänden einige kleinere Tische und größere Stühle mit dickerem Sitzpolster zu sehen sowie ein gewaltiger Bücherschrank und andere Gegenstände, die Lioren nicht auf Anhieb erkennen konnte. Der Großteil der Möbel bestand aus Holz und war zwar recht solide, aber nicht sonderlich fachmännisch gebaut, und einige der Gegenstände wiesen Anzeichen von Massenfertigung auf. Ganz offensichtlich handelte es sich bei ihnen um das uralte, zerkratzte und verbeulte Vermächtnis besserer Zeiten. In der Mitte des Raums lag lediglich ein dicker Teppich aus irgendeinem Gewebe oder pflanzlichen Stoff auf dem Boden und dämpfte die Schritte der Eindringlinge, als sie über ihn gingen.

Die drei Innentüren waren nur angelehnt, und die leisen Geräusche von gegen Geschirr stoßenden Kochutensilien, die aus dem Raum drangen, in dem sich der einzelne Einheimische aufhielt, wurden von einem gedämpften, klagenden Laut begleitet, der unübersetzbar war. Lioren fragte sich, ob das Wesen aufgrund von Krankheit oder Verletzungen Schmerzen hatte oder vielleicht nur auf seine Art sang. Er wollte gerade in den Raum gehen, um dem Einheimischen gegenüberzutreten, als Dracht-Yur eine von Liorens mittleren Händen ergriff und auf die Tür der anderen Kammer deutete, in der sich die übrigen Bewohner befanden.

Einer der Terrestrier hatte den Griff fest gepackt, um zu verhindern, daß die Tür von innen geöffnet wurde. Jetzt streckte er die freie Hand mit drei abgespreizten Fingern in Höhe der Taille aus, dann senkte er sie mit nach unten gekehrter Fläche auf Hüfthöhe, streckte nur noch zwei Finger aus und führte sie schließlich fast bis zum Kniegelenk hinab, bevor er nur noch einen Finger sehen ließ. Schließlich ließ er kurz den Türgriff los, drückte beide Handteller zusammen, legte die Hände in dieser Haltung an eine Seite des Gesichts, neigte dann den Kopf und schloß für einen Sekundenbruchteil die Augen.

Einen Augenblick lang war Lioren über diese Gesten vollkommen verblüfft, bis ihm einfiel, daß die Terrestrier der Klassifikation DBDG und noch ziemlich viele andere Lebensformen diese seltsame Stellung beim Schlafen einnahmen. Die übrigen Handzeichen konnten nur bedeuten, daß sich in der Kammer drei Kinder befanden, von denen eins kaum älter als ein Säugling war, und alle drei schliefen.

Darüber erleichtert, daß die Kinder ohne Schwierigkeiten in ihrer Kammer zurückgehalten werden konnten und somit keine Möglichkeit bestand, daß uninformierte und zu Tode erschrockene Ausreißer in der Gegend Panik verbreiten konnten, senkte Lioren nach terrestrischer Manier anerkennend den Kopf. Zufrieden und zuversichtlicher geworden schritt er voran, um die Verständigung mit dem Wesen aufzunehmen, das, nach den Geräuschen zu urteilen, die aus dem Raum drangen, in dem die Mahlzeiten zubereitet wurden, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der einzige Erwachsene im Haus war.