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«Die Pferde auch?«

«Hm? O ja. Die Pferde lieben sie. Und sie kann reiten wie ein Jockey, wenn sie Lust dazu hat. Nicht daß sie das heute noch sonderlich oft täte. Kommt wohl in die Jahre. Aber trotzdem. Die Frau weiß, was sie tut, soviel steht fest. Sie weiß, was ein Pferd bringen kann und was nicht, und das ist in diesem Spiel die halbe Miete.«

In seiner Stimme schwangen Groll und Bewunderung zu etwa gleichen Teilen mit.

Ich fragte:»Wie heißt der andere Mann? Der große.«

Diesmal war es Groll pur, ohne Bewunderung. Langsam, Silbe für Silbe, spie er den Namen aus und verzog dabei angewidert das Gesicht.

«Mr. Eric Goldenberg.«

Nachdem er den Namen losgeworden war, machte er seinen Mund fest zu und nahm sich ganz offensichtlich die Bemerkung seiner Arbeitgeberin zu Herzen. Wir erreichten das Flugzeug und verstauten die Mäntel und seinen Sattel in dem Gepäckabteil hinter den Rücksitzen.

«Wir fliegen zuerst nach Newbury, nicht wahr?«erkundigte er sich.»Um Colin Ross abzuholen?«

«Ja.«

Er warf mir einen sardonischen Blick zu.»Also, von Colin Ross müssen Sie gehört haben.«

«Ich denke«, sagte ich,»das habe ich.«

Alles andere wäre auch schwierig gewesen, denn der Championjockey war doppelt so beliebt wie der Premierminister und verdiente sechsmal soviel Geld. Sein Gesicht war auf der Hälfte aller Plakatwände in Großbritannien zu sehen, um die Bevölkerung zu größerem Milchkonsum zu ermuntern, und seine scharfzüngigen Bonmots sorgten mindestens einmal im Monat für Schlagzeilen. Es gab sogar ein Kindercomic über ihn. Jeder, aber auch jeder, hatte von Colin Ross gehört.

Kenny Bayst stieg durch die Kabinentür ins Flugzeug und setzte sich auf einen der beiden Rücksitze. Ich kontrollierte das Flugzeug noch einmal kurz von außen, obwohl die gründliche Vorflugkontrolle vor dem Start von der Basis noch nicht einmal eine Stunde zurücklag. Es war meine erste Woche, mein vierter Tag, mein dritter Flug für» Lufttaxis Derrydown«, und nach den Streichen, die das Schicksal mir in der Vergangenheit gespielt hatte, ging ich keine Risiken mehr ein.

Dem kleinen Sechssitzer mit der scharfen Nase fehlte keine einzige Niete, und auch eine lose Mutter konnte ich nirgends entdecken. Wo acht Liter Öl hineingehörten, waren tatsächlich acht Liter Öl drin, keine toten Vögel verstopften die Lufteinlässe für den Motor, die Reifen hatten keine Löcher, die grünen und roten Glasabdeckungen der Positionslichter keine Risse, die Propellerblätter keine Kerben, und die Funkantenne saß bombenfest. Die hellblaue Motorhaube war sicher verschlossen, die im gleichen hellen Blauton gehaltenen Abdeckungen über den Streben und Rädern des festen Fahrwerks bewegten sich nicht den Bruchteil eines Millimeters.

Als ich fertig war, kamen auch schon die anderen drei Passagiere über den Rasen. Goldenberg führte immer noch wutschnaubend das große Wort, während der Major mit kleinen, unglücklichen, ruckartigen Kopfbewegungen nickte und Annie Villars den Eindruck machte, als höre sie überhaupt nicht zu. Als die drei in Hörweite kamen, sagte Goldenberg gerade:»… können nicht auf das Pferd legen, ohne uns sicher zu sein, daß er es zurückhält…«Aber als der Major mit einer scharfen Kopfbewegung in meine Richtung wies, hielt Goldenberg mitten im Satz inne. Das hätte er sich schenken können. Mich interessierten die Angelegenheiten meiner Passagiere nicht.

Nach dem Grundsatz, daß in einem Leichtflugzeug der Schwerpunkt so weit vorn wie möglich liegen sollte, bat ich Goldenberg, auf dem Vordersitz rechts neben mir Platz zu nehmen; dem Major und Annie Villars wies ich die beiden mittleren Plätze zu und ließ Kenny in der hinteren Reihe sitzen, wo ein Platz für Colin Ross frei blieb. Die vier hinteren Sitze erreichte man durch die Kabinentür hinten an Backbord, aber Goldenberg mußte vorne an Steuerbord einsteigen, also auf die niedrige Tragfläche steigen und sich in geduckter Haltung durch die Tür ins Cockpit zwängen. Er ließ mich zuerst einsteigen und manövrierte dann seine Leibesfülle durch die Tür, bevor er sich schwer atmend auf seinen Sitz fallen ließ.

Die vier waren allesamt alte Hasen, was die Benutzung von Lufttaxis betraf: Sie hatten ihre Sicherheitsgurte noch vor mir angelegt, und als ich einen Blick in die Runde warf, um festzustellen, ob meine Passagiere startklar waren, hatte der Major sich bereits in seine Sporting Life vertieft. Kenny Bayst säuberte sich mit wilden, kleinen Stößen die Fingernägel; er machte seiner Frustration offenbar Luft, indem er sich selbst Schmerzen zufügte.

Ich bekam die Starterlaubnis vom Tower und zog das kleine Flugzeug für den Zwanzig-Meilen-Hüpfer quer über Berkshire hoch. Der Lufttaxibetrieb unterscheidet sich beträchtlich von der Arbeit im Linienverkehr, und es erschien mir weit schwieriger, irgendwelche Rennbahnen aufzuspüren, als mich mittels Radar nach Heathrow führen zu lassen. Ich hatte noch nie zuvor eine Rennbahn angeflogen und mich deshalb am Morgen bei meinem Vorgänger Larry, der ins Büro gekommen war, um seine Papiere abzuholen, danach erkundigt.

«Newbury ist ein Kinderspiel«, sagte er obenhin.»Du brauchst bloß die Nase auf die große Rollbahn zu halten, die die Yankees in Greenham Common gebaut haben. Die kannst du praktisch schon von Schottland aus sehen. Die Rennbahn liegt direkt nördlich davon, und die Landebahn verläuft parallel zu den weißen Rails der Zielgeraden. Du kannst sie nicht verpassen. Schöner langer Streifen. Kein Problem. Und Haydock liegt genau da, wo die M6 die East-Lancaster-Straße kreuzt. Kinderleicht.«

Dann setzte er sich in Richtung Türkei in Bewegung, blieb aber in der Tür noch einmal auf einem Fuß stehen, um mir einen letzten Rat mit auf den Weg zu geben.»Bevor du nach Bath fliegst, solltest du noch mal kurze Landungen üben. Und meide Yarmouth während einer Hitzewelle. So, jetzt bist du am Zug, Kumpel, Hals- und Beinbruch.«

Man konnte Greenham Common tatsächlich schon von weitem sehen, aber an einem klaren Tag wäre es ohnehin schwierig gewesen, sich zwischen White Waltham und Newbury zu verfliegen. Die Haupteisenbahnlinie nach Exeter verlief mehr oder weniger geradlinig vom einen Ort zum anderen. Meine Passagiere waren schon öfter nach Newbury geflogen, und der Major riet mir hilfreicherweise, nach Hochspannungsleitungen Ausschau zu halten, die die Anflugschneise kreuzten. Ich brachte eine respektable Landung auf dem frisch gemähten Rasen zustande, ließ das Flugzeug in Richtung Haupttribüne ausrollen und bremste erst kurz vor der Einzäunung.

Colin Ross war nicht da.

Ich stellte den Motor ab, und in die plötzliche Stille hinein bemerkte Annie Villars:»War ja klar, daß er sich verspäten würde. Er sagte, er würde für Bob Smith ein paar Trainingsritte machen, und Bob kriegt seine Pferde nie pünktlich aus dem Stall.«

Die anderen drei nickten vage, aber der Unmut zwischen ihnen war noch nicht verflogen, und nach etwa fünf Minuten lastenden Schweigens bat ich Goldenberg, mich aussteigen zu lassen, damit ich mir die Beine vertreten konnte. Er knurrte und brummte undeutlich vor sich hin, daß er auf den Flügel steigen müsse, um mich durchzulassen, und ich nahm an, daß ich gerade Derrydowns Regel Nummer eins gebrochen hatte: Verärgere niemals einen Kunden; du wirst ihn noch brauchen.

Sobald ich meine Passagiere allein gelassen hatte, nahmen sie ihre Unterhaltung wieder auf. Ich ging um das Flugzeug herum und lehnte mich vorn gegen die Tragfläche, schaute hinauf zu den vereinzelten Wolken am blaugrauen Himmel und dachte ohne nennenswertes Ergebnis über dies und das nach. Hinter mir schwollen die Stimmen meiner Fluggäste zornig an, und als sie die Tür öffneten, um ein wenig frische Luft ins Flugzeug zu lassen, trieb der Wind Bruchstücke ihrer Unterhaltung zu mir herüber.