Als sie mit dem Essen fertig war, legte Midge sich auf der Decke zurück und beschirmte ihre Augen gegen die letzten Strahlen der tiefstehenden Sonne.
«Ich wünschte, das würde nie enden«, sagte sie beiläufig.»Der Sommer, meine ich. Die warmen Abende. Sie sind so selten bei uns.«
«Wir könnten nach Südfrankreich ziehen, wenn du möchtest«, sagte Nancy.
«Du spinnst. Wer würde sich dann um Colin kümmern?«
Sie lächelten, alle drei. Die unausgesprochenen Dinge stets präsent. Tragisch. Unwichtig.
Die träge Dämmerung überzog alle Farben mit Grautönen. Wir lagen faul am Ufer, entspannten uns, kauten an Grashalmen, sahen zu, wie die Insekten über die Wasseroberfläche flitzten, unterhielten uns ein wenig mit leisen, murmelnden Sommerabendstimmen.
«In Japan haben wir beide drei Kilo abgenommen, damals, als wir mit Colin dort waren.«
«Das lag mehr am Essen als an der Hitze.«
«Ich konnte mich für das Essen dort nie so recht erwärmen.«
«Warst du schon mal in Japan, Matt?«
«Ich bin früher öfter für die B.O.A.C. rübergeflogen.«
«Für die B.O.A.C.?«Colin war überrascht.»Warum um Himmels willen sind Sie da weggegangen?«
«Meiner Frau zuliebe. Ist jetzt aber lange her.«
«Das erklärt, wie Sie fliegen.«
«Ja, sicher.«
«Ich mag Amerika lieber«, sagte Midge.»Erinnerst du dich an Mr. Kroop aus Laurel? Der Mann, der dir deine Reitstiefel in nur einem einzigen Tag gemacht hat?«»Hmm.«
«Und wie wir immer wieder um dieses Einkaufszentrum herumgefahren sind und uns dauernd in den Einbahnstraßen verirrt haben.«
«War eine tolle Woche…«
«Ich wünschte, wir könnten noch mal hin…«
Es folgte ein langes Schweigen voller Bedauern. Nancy setzte sich ruckartig auf und schlug sich aufs Bein.
«Verdammte Mücken.«
Colin kratzte sich träge und nickte.»Zeit, nach Hause zu fahren.«
Wir quetschten uns wieder in den Aston Martin. Colin fuhr. Die Zwillinge saßen auf meinen Beinen, lehnten sich an meine Brust und schlangen aus Gründen des Gleichgewichts hinter meinem Hals ihre Arme ineinander. Nicht schlecht, wirklich nicht schlecht. Sie lachten über meinen Gesichtsausdruck.
«Scheint wohl zuviel des Guten zu sein«, bemerkte Nancy.
Als wir zu Bett gingen, gaben sie mir beide mit den gleichen weichen Lippen einen Gute-Nacht-Kuß auf die Wange.
Das Frühstück war kurz, geschäftsmäßig und von pausenlosen Telefonanrufen begleitet. Annie Villars rief an, um sich zu erkundigen, ob in der Cherokee noch ein Platz frei sei.
«Für wen?«fragte Colin vorsichtig. Er schnitt uns eine Grimasse.»Die verflixte Fenella«, flüsterte er an der Sprechmuschel vorbei.»Nein, Annie, es tut mir schrecklich leid. Ich habe Nancy schon versprochen.«
«Ach, hast du?«sagte Nancy.»Nett, daß ich das auf diese Weise auch erfahre.«
Er legte auf.»Ich rette dich vor Chanter, und jetzt bist du dran.«
«Du bist mir ein schöner Retter, mein Ritter. Den ganzen Tag im Sattel oder im Waageraum. Sehr hilfreich.«
«Willst du mitkommen?«
«Nimm Midge mit«, sagte sie.»Sie ist dran.«
«Nein, geh du ruhig«, sagte Midge.»Ehrlich, ich würde mich nur langweilen. Vor allem, weil das heute wieder mal die reinste Hetze von Platz zu Platz ist. Ich gehe nächste Woche hier zum Rennen. Das reicht mir.«
«Kommst du auch wirklich zurecht?«
«Natürlich. Ich werde im Garten in der Sonne liegen und daran denken, wie ihr immer im Kreis herumjagt und euch abhetzt.«
Als sich herausstellte, daß trotz Nancys Anwesenheit immer noch zwei Plätze frei waren, warf Annie Villars Colin einen vorwurfsvollen Blick sorgsam unterdrückten Ärgers zu und sagte, daß es nützlich gewesen wäre, wenn sie Fenella hätten mitnehmen können, um die Kosten zu teilen. Was glaubte Colin denn, warum sonst hätte sie diesen Vorschlag wohl gemacht?
«Ich muß mich verzählt haben«, sagte Colin fröhlich.»Jetzt ist es zu spät, um sie noch herzuholen.«
Wir flogen ohne Zwischenfall nach Bath, und Nancy saß auf dem rechten Platz neben mir, um als Copilotin zu fungieren. Es war offensichtlich, daß sie den Flug ungeheuer genoß, und mich störte ihre Anwesenheit nicht im geringsten. Ich verstand, was Larry gemeint hatte, als er mir den Rat gab, kurze Landungen zu üben, denn die Landebahn in Bath war unglaublich kurz, aber wir kamen gut runter und parkten neben der gegnerischen Cessna.
Colin sagte:»Schließen Sie das Flugzeug ab und kommen Sie mit zum Rennen. Sie können schließlich nicht ewig Wache stehen.«
Der Polyplane-Pilot war nirgends zu sehen. Ich hoffte das Beste, schloß ab und ging mit den anderen nach nebenan auf die Rennbahn.
Der erste Mensch, den wir sahen, war Acey Jones, der auf seinen Krücken daherschwankte, während die Sonne seinen bleichen Kopf noch heller aussehen ließ als je zuvor.
«Ach ja, Colin«, sagte Nancy.»Soll ich der Unfallversicherung einen Fünfer schicken? Du weißt doch — das Flugblatt, das gestern gekommen ist? Dieser Mann erinnert mich… Er hat von der Versicherung tausend Pfund für einen gebrochenen Knöchel bekommen. Ich hörte, wie er in Haydock davon erzählte.«
«Wenn du willst«, stimmte er zu.»Ein Fünfer wird die Bank schon nicht sprengen. Und schaden kann es ja nichts.«
«Bobby Wessex steht dahinter«, bemerkte Annie dazu.
«Ja. «Nancy nickte.»Das stand auch auf dem Flugblatt.«
«Haben Sie die Sache mit den Bomben gelesen?«fragte ich.
Annie und Nancy lachten beide.»Endlich mal ein Versicherungsmann mit Humor.«
Annie eilte zum Waageraum hinüber, um sich ihren Starter im ersten Rennen anzusehen, und Colin folgte ihr, um sich umzuziehen.
«Limonade?«schlug ich Nancy vor.
«Literweise. Puuh, ist das heiß.«
Wir tranken unsere Limonade an einem schattigen Plätzchen draußen auf dem Rasen. Zehn Meter von uns entfernt stritt sich laut und deutlich hörbar Eric Goldenberg mit Kenny Bayst.
«… Sie glauben doch wohl nicht, Sportsfreund, daß Sie Ihre Gorillas auf mich ansetzen und hinterher erwarten können, daß ich Ihnen einen Gefallen tue, denn wenn Sie das glauben, haben Sie sich gewaltig geschnitten.«
«Was für Gorillas?«fragte Goldenberg nicht sehr überzeugend.
«Ach, hören Sie doch auf damit. Die sollten mich zum Krüppel schlagen. In Redcar.«
«Müssen die Buchmacher gewesen sein, die Sie aufs Kreuz gelegt haben, während Sie so eifrig Ihr falsches Spiel mit uns getrieben haben.«
«Ich habe nie ein falsches Spiel mit Ihnen getrieben.«
«Erzählen Sie mir doch nichts«, sagte Goldenberg drohend.»Sie wissen verdammt gut, was Sie getan haben. Sie verlogener kleiner Bastard.«
«Wenn Sie das glauben, warum soll ich dann in drei Teufels Namen noch mal ein Ding mit Ihnen drehen?«
«Vorbei ist vorbei.«
«Vorbei ist verdammt noch mal gar nichts. «Kenny spuckte Goldenberg vor die Füße und verschwand in Richtung Waageraum. Goldenberg blickte ihm mit schmal gewordenen Augen und einem bösartigen Zug um den Mund nach. Als ich ihn das nächste Mal sah, hielt er ein gut gefülltes Glas in der Hand und bemühte sich nach Kräften, seinen Leibesumfang weiter zu vergrößern, während er sich leise und erhitzt mit einem unangenehmen, bleichgesichtigen Kerl unterhielt, der offenbar sein ganzes Hirn im Bizeps hatte. Es war keiner von den beiden, die Kenny in Redcar verprügelt hatten. Ich fragte mich, ob Goldenberg die Absicht hatte, sich Verstärkung zu holen.
«Was halten Sie von Kenny Bayst?«fragte ich Nancy.
«Der große, kleine Herr >Ich-komme-aus-Australien<«, sagte sie.»Aber er hat sich schon etwas gebessert. Als er hierherkam, erwartete er, daß man ihm überall den roten Teppich ausrollte, da er zu Hause als Lehrling riesengroßen Erfolg gehabt hatte.«