«Das ist als Indiz lächerlich«, protestierte er.
«Stimmt«, pflichtete ich ihm bei.»Außerdem war es der Major, der sich die Schlüssel von mir geborgt hat, um die Sporting Life, die er im Flugzeug liegengelassen hatte, zu holen. Er wollte mich nicht gehen lassen, obwohl ich es ihm angeboten habe. Er kam zurück und gab mir die Schlüssel. Natürlich hatte er nicht abgeschlossen. Er wollte ein wenig Verwirrung stiften. Als er bei der Maschine war, schraubte er die hintere Abdeckung des Gepäckraums ab und versteckte die Bombe dahinter, direkt an der Außenhülle. Mit einer Saugvorrichtung, nehme ich an, die sich, wie ich bereits vermutete, während des unruhigen Fluges löste.«
«Er konnte nicht vorhersehen, daß Sie in East Midlands landen würden.«
«Es spielte keine Rolle, wo wir landeten. Sobald alle aus dem Flugzeug waren, wollte er es in die Luft sprengen.«
«Das sind bloß Vermutungen.«
«Er hat es vor meinen Augen getan, in East Midlands. Ich habe bemerkt, daß er sich umsah — um sicherzugehen, daß niemand in der Nähe des Flugzeugs war. Dann spielte er mit seinem Fernglasfutteral herum — und hat die Signale gesendet. Es könnten sehr niedrige oder superhohe Frequenzen gewesen sein. Sie brauchten nicht weit zu reichen. Aber was wichtiger war, der Sender brauchte nur ganz schwach zu sein. und ganz klein.«
«Aber — nach allem, was wir wissen — unter anderem auch von Ihnen — war er nach der Explosion zutiefst schockiert.«
«Schockiert vom Anblick der Zerstörung, auf der er immerhin den ganzen Tag über gesessen hat. Dazu ein bißchen Schauspielerei.«
Er dachte eine gute Weile darüber nach. Dann sagte er:»Hätte denn nicht irgend jemand bemerkt, daß der Major sein Fernglas nicht benutzte, obwohl er es dabeihatte?«
«Er hätte behaupten können, daß er es gerade fallengelassen hat und es dabei zu Bruch gegangen ist… Und außerdem hat er für gewöhnlich neben seinem Fernglas noch eine Flasche in diesem Futteral… Viele Leute müssen, genau wie ich, gesehen haben, daß er einen Schluck daraus trank. Niemand würde das merkwürdig finden. Die Leute würden denken, daß er die Flasche mitgenommen, aber das Fernglas vergessen hat.«
Ich konnte direkt vor mir sehen, wie er den Kopf schüttelte.»Das ist eine durch und durch phantastische Theorie. Und nicht der allerkleinste Beweis. Reine Spekulation. «Er hielt inne.»Es tut mir leid, Mr. Shore, ich bin sicher, Sie haben ihr Bestes getan, aber…«
Ich registrierte, daß er mir meinen Captain aberkannt hatte. Ich lächelte schwach.
«Da wäre noch eine Kleinigkeit«, sagte ich vorsichtig.
«Ja?«Er war ein wenig, ein ganz klein wenig reserviert, als erwarte er noch weitere Phantastereien meinerseits.
«Ich habe einen Vetter bei der Armee, der ein paar alte Unterlagen für mich durchgesehen hat. Im Krieg war Major Tyderman bei den Pionieren, Chef einer Einheit, die fast den ganzen Krieg über in England geblieben ist.«»Ich sehe nicht.«
«Sie war zuständig«, sagte ich,»für die Blindgänger.«
Kapitel 9
Am nächsten Tag ließ sich Colin von Nancy nach Haydock fliegen, in der viersitzigen, abgespeckten 140-PS-Cherokee, die Nancy sich sonst für Unterrichtsund Übungsflüge von ihrem Flugklub lieh. Sie starteten in Cambridge, kurz bevor ich selbst mit der vollbeladenen Ersatz-Six losflog. Wir hatten vorher zusammen ihren Flugplan durchgesehen, und ich hatte sie, so gut ich konnte, auf die vielen technischen Einzelheiten und Vorschriften vorbereitet, mit denen sie es im Komplex der Kontrollzone Manchester zu tun haben würde. Die Wettervorhersage versprach klaren Himmel bis zum Abend; es gab die Radarüberwachung, die ihr helfen würde, falls sie sich verflog, und ich würde sie fast den ganzen Flug lang über Funk hören können, sobald ich ebenfalls in der Luft war.
Colin grinste mich an.»Harley wäre entsetzt, wenn er wüßte, wie sehr Sie sich ins Zeug legen, um ihr zu helfen. >Sollen die sich doch ruhig zu Tode ängstigenc, würde er sagen. >Dann fliegt er das nächste Mal wieder mit uns und vergißt diesen ganzen Do-it-yourself-Quatsch.<«
«Ja«, sagte ich.»Aber Harley liegt auch Ihre Sicherheit am Herzen, vergessen Sie das nicht.«
«Hat er Ihnen aufgetragen, uns zu helfen?«
«Nein, nicht direkt.«
«Hätte mich auch gewundert.«
Harley hatte ungehalten festgestellt:»Ich möchte nicht, daß das zur Gewohnheit wird. Versuchen Sie, Colin Ross einzureden, daß seine Schwester nicht genug Erfahrung hat.«
Colin brauchte da nichts eingeredet zu werden: Er wußte es. Und wollte Nancy einen Gefallen tun. Sie trat den Flug mit leuchtenden Augen an, wie ein Kind, mit dem man einen schönen Ausflug macht.
Den Derrydown-Flieger hatte diesmal ein Trainer — Jarvis Kitch — gemietet, der nicht ganz auf dem laufenden war und separat verabredet hatte, sowohl Annie Villars als auch Kenny Bayst mitzunehmen, ohne daß die beiden voneinander wußten. Die Atmosphäre war giftgeschwängert, als die Passagiere an Bord kamen — daran änderte auch nichts, daß die Streithähne in der Minderheit waren, denn neben Kitch war noch der große, lautstarke Besitzer des von ihm betreuten Pferdes sowie der Jockey, der das Pferd reiten sollte, mit von der Partie.
Jarvis Kitch, der die Cherokee gemietet hatte und möglicherweise hätte vermitteln können, zog sich in den Schmollwinkel zurück.
«Woher sollte ich denn wissen«, beklagte er sich gekränkt und verärgert bei mir,»daß die beiden sich bis aufs Blut hassen?«
«Das konnten Sie nicht wissen«, tröstete ich ihn.
«Sie haben mich angerufen und gefragt, ob noch ein Platz frei wäre. Annie gestern, Bayst vorgestern. Ich habe natürlich ja gesagt. Woher sollte ich es auch wissen?«
«Das konnten Sie nicht.«
Der lautstarke Besitzer, der offensichtlich die Zeche zahlte, fragte gereizt, welche Rolle das schon spiele, zum Teufel, sie würden halt ihren Anteil der Kosten tragen und damit basta. Sein Akzent verriet seine nordenglische Her-kunft; er neigte dazu, andere Leute herumzukommandieren — der Typ, der glaubt, mit den Diensten eines Menschen auch dessen Seele zu kaufen. Kitch gab sehr schnell Ruhe, und der kleine Jockey in seinem Schlepptau wirkte von Anfang an eingeschüchtert und blieb schweigsam. Dann forderte der Besitzer, dessen Name, wie ich später dem Rennprogramm entnahm, Ambrose lautete, mich schließlich auf, voranzumachen, da er mich nicht engagiert habe, damit ich den ganzen Tag in Cambridge herumstand.
Annie Villars bemerkte verlegen, daß der Kapitän eines Flugzeugs eine ähnliche Stellung einnehme wie der Kapitän eines Schiffes.
«Unsinn«, sagte Ambrose.»In einem so armseligen, kleinen Ding ist der Mann lediglich ein Chauffeur. Bringt mich von einem Ort zum anderen, oder nicht? Wird gemietet, nicht?«Er nickte.»Chauffeur. «Seine Stimme ließ bei niemandem Zweifel offen, welchen Platz Chauffeure in seinem Weltbild einnahmen.
Ich seufzte, kletterte ins Flugzeug, schnallte mich an. Es fiel mir nicht schwer, ihn zu ignorieren, da ich durchaus nicht zum ersten Mal in meinem Leben auf diese Einstellung traf. Trotzdem nicht gerade einer meiner heitersten Flüge.
Die Cherokee Six flog fünfzig Knoten schneller als die 140, so daß ich Nancy irgendwo auf dem Weg überholte. Ich hörte, wie sie Funkkontakt mit dem Fluginformationsdienst der einzelnen Fluginformationsgebiete aufnahm, und sie konnte mich ebenfalls hören. Das gab mir auf seltsame Weise ein Gefühl der Verbundenheit. Und sie machte ihre Sache gut.
Ich landete einige Minuten vor ihr in Haydock und war meine Passagiere gerade rechtzeitig los, um ihr bei der
Landung zuzusehen. Es war eine kleine Schau, um das Publikum zu beeindrucken, als sie sanft wie eine Feder auf dem Gras aufsetzte. Ich mußte grinsen. Nicht schlecht für eine Neunzig-Stunden-Amateurin. Und es war nicht der einfachste Flug gewesen. Jetzt würde es kein Halten mehr für sie geben.