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»Sie haben sich aber schnell entschieden«, staunte der Spieler. »Sind Sie sich denn auch sicher, Sir?«

»Das bin ich, und ob!«

»Dann wollen wir mal sehen«, meinte der Spitzgesichtige und drehte die bezeichnete Karte um. »Herz-Dame ist Trumpf!«

Und Martin war um zwei Dollar reicher. Er ließ den Gewinn liegen, rundete um einen weiteren Dollar auf und wartete während des erneuten Mischens sehnsüchtig darauf, aus seinen fünf Dollar zehn zu machen.

Diesmal lag die Herz-Dame rechts, und wieder tippte der Auswanderer ohne Zögern auf die richtige Karte. Der Spieler drehte sie um und schob Martin dann zerknirscht fünf Dollar zu, die er aus seiner Jacke holte.

»Wollen Sie Ihr Glück nicht lieber ruhen lassen, Sir?« fragte der Spieler kleinlaut und ließ bittend seine Augen rollen. »Man sollte es niemals zu sehr herausfordern. Außerdem machen Sie aus mir noch einen armen Mann.«

Aber Martin kannte kein Erbarmen. Die Spielleidenschaft brannte in ihm wie die Holzscheite in einem Dampfkessel, dessen Feuerbüchse offenstand. Die Art und Weise, wie sich hier sein Geld vermehrte, nahm ihn so sehr gefangen, daß er zu den zehn Dollar, die jetzt vor ihm lagen, zehn weitere aus seiner Börse legte.

»Was ist?« fuhr er den wie toll mit den Augen rollenden Spieler an. »Ist das etwa zuviel für Sie?«

»Ich weiß nicht, Sir«, meinte der kleine Mann zögernd. »Das ist sehr viel Geld.«

»Ich verspreche Ihnen auch, daß es mein letzter Einsatz ist. Danach räume ich das Feld.«

Jacob trat hinter seinen Freund und legte eine Hand auf seine Schulter. »Laß es gut sein, Martin. Du hast schon genug Geld in kurzer Zeit verdient. Der Mann hat recht. Man soll das Glück nicht herausfordern.«

Martin riß sich mit einer heftigen Bewegung los.»Laß mich doch, Jacob. Es ist schließlich mein Geld!«

»Aber wenn du es verlierst, bleibt dir nicht viel übrig.«

»So gut wie nichts. Aber das ist nicht weiter schlimm. Denn ich werde es nicht verlieren!«

»Ich bin einverstanden«, sagte der Spieler. »Wenn Sie mir versprechen, daß es Ihr letztes Spiel ist, Sir.«

»Das habe ich doch schon!«

»Also gut, in Gottes Namen«, seufzte der Spieler und begann erneut mit dem Mischen.

Er war nicht schneller als zuvor. Martin bedauerte den armen Mann fast, der mit seinem Beruf nie zu Geld kommen würde. Stets wußte der Auswanderer genau, wo sich der Trumpf befand. Als der Spieler das Mischen beendet hatte, lag er in der Mitte.

Wieder zeigte der Deutsche ohne Zögern auf die bewußte Karte, und der Spieler drehte sie langsam um. Dabei zitterten seine Hände, als fürchtete er sich vor dem Ergebnis. Plötzlich aber, als er die Unterseite der Karte sah, leuchteten seine beweglichen Augen auf, und er deckte sie rasch vollends auf.

Es war die Kreuz-Sieben.

Martin verstand die Welt nicht mehr. Er war sich völlig sicher, genausogut aufgepaßt zu haben wie bei den vorherigen Spielen. Er hätte seine Seele darauf verwettet, die Herz-Dame für keinen noch so kleinen Sekundenbruchteil aus den Augen verloren zu haben. Und doch, die Karte in der Mitte bewies das Gegenteil. Fortuna hatte ihn im Stich gelassen, und der Spieler griff nach den zwanzig Dollar.

»Einen Augenblick!« sagte eine scharfe Stimme in Martins Rücken, und ein elegant gekleideter Mann im elfenbeinfarbenen Anzug und mit passendem Hut trat an die zum Spieltisch umgewidmete Holzkiste.

»Was wollen Sie?« fragte der Spieler, dessen Rechte über dem Geld schwebte und doch nicht zuzugreifen wagte.

»Die beiden anderen Karten sehen.«

»Mit welchem Recht?«

»Mit dem Recht eines Mannes, der in Ihnen einen Betrüger vermutet, der unwissenden Reisenden ihr letztes Geld aus der Tasche zieht.«

Martin und seine Freunde musterten den Fremden mit wachsendem Erstaunen. Und Irene zusätzlich mit wachsendem Wohlgefallen. Denn er war ein Mann, der Frauen sofort ins Auge fiel und ihnen immer mehr gefiel, je länger sie ihn betrachteten. Er war etwas mehr als mittelgroß, schlank und feingliedrig. Sein schmales, ebenmäßiges Gesicht besaß fast die Schönheit einer Frau. Doch ein schmaler schwarzer Oberlippenbart unterstrich das männliche Geschlecht des Fremden.

»Ein Betrüger?« kreischte der Spieler. »Was erdreisten Sie sich, Mister, mich einen Betrüger zu nennen?«

»Wenn ich mich geirrt habe, werde ich mich in aller Form bei Ihnen entschuldigen«, sagte der gutaussehende Mann ruhig. »Um das herauszufinden, sollten wir ganz einfach die beiden anderen Karten aufdecken. Wenn sich darunter die Herz-Dame befindet, werde ich umgehend meine Entschuldigung aussprechen.«

Der Spieler, dem die Zornesröte ins Gesicht gestiegen war, entspannte sich ein wenig und wollte nach den beiden äußeren Karten greifen. »Wie es Ihnen beliebt, Mister.«

»Nein«, stieß da der gutgekleidete Fremde in bekannter Schärfe hervor. »Nicht Sie! Der Mann, gegen den Sie gespielt haben, soll die Karten umdrehen!«

»Warum?«

»Weil ich Ihnen nicht traue und Sie für einen Kartenhai halte, dessen Finger ebenso flink sind wie seine Augen, mit deren Herumgerolle er seine Opfer von dem ablenkt, was er mit seinen Händen veranstaltet.«

»Wenn Sie es so wollen.«

Der Spieler zog die Schultern hoch und ließ sie in einer Geste der Ergebenheit wieder fallen. Aber plötzlich und von den meisten der umstehenden Menschen unerwartet stieß er den rechten Arm vor, und in seiner Hand lag ein Derringer, dessen Mündung auf den Mann mit dem schwarzen Oberlippenbart gerichtet war.

Ebenso schnell, wie der Spieler die kleine Schußwaffe hervorgezaubert hatte, reagierte der von ihm Bedrohte, riß das linke Bein hoch und trat unter die Hand des Spielers. Der Getroffene schrie auf, während die Waffe über seine Schulter hinwegflog und hinter ihm ins Wasser des Hafenbeckens klatschte.

In diesem Moment entstand im Rücken des gutgekleideten Fremden ein Tumult, ausgelöst durch den bärtigen Farmer, der zuvor sein Geld beim Spiel verloren hatte. Jetzt hielt er einen Revolver mit verkürztem Lauf in der Hand, mit dem er auf den Rücken des Fremden zielte. Die Menschen schrien erschrocken auf und stoben auseinander, um nicht von einer Kugel erwischt zu werden.

Aber ein baumlanger Schwarzer in einem hellbraunen Anzug blieb hinter dem Bärtigen stehen und schlang seine Arme mit solcher Gewalt um ihn, daß der Farmer aufstöhnte und die Waffe fallen ließ. Dabei löste sich ein Schuß; die Kugel sirrte dicht über den Boden des Kais und fuhr splitternd in die Holzkiste vor dem Spieler.

»Jetzt haben Sie sich durch Ihr schlechtes Gewissen verraten«, sagte der Mann in dem elfenbeinfarbenen Anzug, noch immer völlig ruhig, zu dem Spieler. »Und Ihr Komplize ebenso.«

»Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen«, sagte der Spitzgesichtige mit zitternder Stimme und wirkte dabei wie eine von der Katze in die Enge getriebene Maus. »Ich habe meinen Derringer nur gezogen, weil ich mich von Ihnen bedroht fühlte.«

»Sagte der Mörder zu seinem Opfer und drückte ab«, erwiderte sein Gegenüber und wandte sich an Martin. »Bitte, Sir, drehen Sie die beiden anderen Karten um.«

Zögernd kam Martin dem nach. Links neben der KreuzSieben lag die Kreuz-Acht und rechts neben ihr - noch eine Kreuz-Acht!

Martin konnte erst gar nicht glauben, was er da sah. Die Kreuz-Acht war tatsächlich zweimal im Spiel.

»Aber... wo ist die... Herz-Dame?« brachte er stotternd hervor.

»Hier«, sagte der Fremde und zog mit einer flinken Bewegung die Trumpfkarte aus dem linken Ärmel des Spielers. Er legte sie offen neben die anderen Karten auf den Tisch.

»Wie ist sie dahin gekommen?« wollte Martin wissen.

»Dieser Kartenhai hat sie dort versteckt, nachdem er sie mit der zweiten Kreuz-Acht vertauscht hatte.«

»Davon habe ich nichts bemerkt«, gab der sommersprossige Auswanderer zu.