Выбрать главу

Clara streckte die Hand nach ihm aus, aber Will wich vor ihr zurück. Er stolperte über eins der Skelette. Die Knochen brachen unter seinen Stiefeln wie morsches Holz.

»Will, hör zu!« Jacob griff nach seinem Arm. »Du musst schlafen. Ich brauche Zeit! Wenn du aufwachst, ist alles vorbei. Ich verspreche es.«

Aber Will stieß ihn so heftig zurück, dass Jacob unter den schützenden Bäumen hervor und hinaus in das offene Tal stolperte. In der Ferne hoben die Einhörner die Köpfe.

»Jacob!«, bellte Fuchs. »Komm zurück unter die Bäume!«

Jacob sah sich um. Das Bild prägte sich Clara für alle Zeit ein. Sein Blick zurück. Und dann der Schuss.

So scharf. Wie zersplitterndes Holz.

Die Kugel traf Jacob in die Brust.

Fuchs schrie auf, als er in das gelbe Gras fiel. Will rannte zu ihm, bevor Clara ihn aufhalten konnte. Er warf sich neben seinem Bruder auf die Knie und rief seinen Namen, aber Jacob rührte sich nicht. Blut sickerte durch sein Hemd, direkt über dem Herzen.

Der Goyl tauchte aus dem Nebel auf wie ein böser Traum, die Flinte noch in der Hand. Er hinkte, und neben ihm ging einer seiner Soldaten, das Mädchen, auf das Jacob geschossen hatte, als es Clara mit dem Säbel angegriffen hatte. Die Uniform, die sie trug, war feucht von ihrem farblosen Blut.

Fuchs sprang ihnen mit gebleckten Zähnen entgegen, aber der Goyl stieß sie nur mit dem Stiefel zur Seite, und Fuchs wechselte die Gestalt, als hätte der Schmerz ihr das Fell gestohlen. Sie duckte sich schluchzend ins Gras und Clara schlang schützend die Arme um sie.

Will kam auf die Füße, das Gesicht verzerrt vor Zorn. Er wollte nach der Flinte greifen, die Jacob hatte fallen lassen, aber er schwankte wie betäubt, und der Goyl packte ihn und setzte ihm sein Gewehr an den Kopf.

»Ganz ruhig«, sagte er, während das Mädchen die Pistole auf Clara richtete. »Ich hatte eine Rechnung mit deinem Bruder offen, aber dir werden wir kein Haar krümmen.«

Fuchs machte sich von Clara los und zerrte Jacob die Pistole aus dem Gürtel, aber die Goyl trat sie ihr aus der Hand. Und Will stand da und starrte auf seinen Bruder herab.

»Sieh ihn dir an, Nesser«, sagte der Goyl und zwang Wills Gesicht grob in seine Richtung. »Es ist tatsächlich Jade, die ihm wächst.«

Will versuchte, ihm den Kopf ins Gesicht zu stoßen, aber er war immer noch wie betäubt, und der Goyl lachte.

»Ja, du bist einer von uns«, sagte er. »Auch wenn du es noch nicht wahrhaben willst. Fessle ihm die Hände!«, befahl er dem Goylmädchen. Dann trat er auf Jacob zu und musterte ihn wie ein Jäger die erlegte Beute.

»Das Gesicht kommt mir bekannt vor«, sagte er. »Wie ist sein Name?«

Will antwortete ihm nicht.

»Was soll's«, sagte der Goyl und wandte sich um. »Ihr Weichhäute seht alle gleich aus. Fang ihre Pferde ein«, befahl er dem Mädchen und stieß Will auf Jacobs Stute zu.

»Wo bringt ihr ihn hin?« Clara erkannte ihre eigene Stimme kaum.

Der Goyl drehte sich nicht um.

»Vergiss ihn!«, sagte er über die Schulter. »So, wie er dich vergessen wird.«

30

EIN LEICHENTUCH AUS ROTEN LEIBERN

Die Schusswunde sah so viel harmloser aus als die Wunden, die die Einhörner gerissen hatten. Aber damals hatte Jacob noch geatmet und Fuchs hatte seinen flachen Puls gespürt.

Nun war er einfach nur still.

So viel Schmerz. Sie wollte sich die Zähne ins eigene Fleisch schlagen, nur um ihn nicht mehr zu spüren. Das Fell wollte nicht zurückkommen und sie fühlte sich so schutzlos und verloren wie ein ausgesetztes Kind.

Clara kauerte neben ihr im Gras, die Arme um die Knie geschlungen. Sie vergoss keine Träne. Sie saß einfach nur da, als hätte ihr jemand das Herz herausgeschnitten.

Clara sah den Zwerg zuerst. Er stiefelte mit so unschuldigem Gesicht auf sie zu, als hätten sie ihn beim Pilzesammeln überrascht, aber nur ein Zwerg konnte den Goyl verraten haben, dass der Friedhof der Einhörner der einzige Ausgang des Feenreichs war.

Fuchs wischte sich die Tränen aus den Augen und tastete in dem feuchten Gras nach Jacobs Pistole.

»Halt, halt! Was soll das?«, schrie Valiant, als sie auf ihn anlegte, und duckte sich hastig hinter den nächsten Busch. »Konnte ich wissen, dass sie ihn gleich erschießen? Ich dachte, sie hätten es nur auf seinen Bruder abgesehen!«

Clara kam auf die Füße.

»Erschieß ihn, Fuchs«, sagte sie. »Wenn du es nicht machst, tue ich es.«

»Wartet!«, zeterte der Zwerg. »Sie haben mich auf dem Rückweg zur Schlucht gefangen! Was hätte ich tun sollen? Mich auch umbringen lassen?«

»Und? Warum bist du noch hier?«, fuhr Fuchs ihn an. »Vorm Heimweg ein bisschen Leichen fleddern?«

»Was für eine Unterstellung! Ich bin hier, um euch zu retten!«, gab der Zwerg mit ehrlicher Entrüstung zurück. »Zwei Mädchen, ganz allein und verlassen ...«

»... so verlassen, dass wir für die Hilfe sicher bezahlen werden?«

Das Schweigen, das ihr antwortete, war verräterisch, und Fuchs hob erneut die Pistole. Wenn nur all die Tränen nicht gewesen wären. Sie ließen alles verschwimmen, das neblige Tal, den Busch, hinter dem der verräterische Zwerg kauerte - und Jacobs stilles Gesicht. »Fuchs!«

Clara griff nach ihrem Arm. Eine rote Motte hatte sich auf Jacobs zerschossener Brust niedergelassen. Eine zweite setzte sich auf seine Stirn.

Fuchs ließ die Pistole fallen.

»Verschwindet!«, rief sie mit tränenerstickter Stimme. »Und richtet Eurer Herrin aus, dass er nie mehr zu ihr zurückkommt!« Sie beugte sich über Jacob. »Hab ich es dir nicht gesagt?«, flüsterte sie ihm zu. »Geh nicht zurück zu den Feen! Diesmal wird es dich töten!«

Eine weitere Motte ließ sich auf dem reglosem Körper nieder. Mehr und mehr flatterten zwischen den Bäumen hervor. Sie ließen sich nieder wie Blüten, die aus Jacobs zerschossenem Fleisch sprossen.

Fuchs versuchte, die Motten fortzuscheuchen, aber es waren einfach zu viele, und schließlich gab sie auf und sah zu, wie sie Jacob mit ihren Flügeln zudeckten, als wollte die Rote Fee ihn noch im Tod für sich beanspruchen.

Clara kniete sich an ihre Seite und schlang die Arme um sie.

»Wir müssen ihn begraben.«

Fuchs befreite sich aus ihrer Umarmung und presste das Gesicht gegen Jacobs Brust. Begraben.

»Ich mach das.« Der Zwerg hatte sich tatsächlich näher getraut. Er hob die Flinte auf, die Jacob hatte fallen lassen, und schlug den Lauf mit der bloßen Hand so mühelos flach, als wäre das Metall Kuchenteig.

»Was für eine Verschwendung!«, brummte er, während er die Flinte zum Blatt einer Schaufel umformte. »Ein Kilo roter Mondstein, und keiner wird es sich verdienen!«

Der Zwerg hob das Grab so mühelos aus, als hätte er schon viele gegraben. Fuchs aber saß da, die Arme um Clara geschlungen, und blickte auf Jacobs stilles Gesicht. Die Motten bedeckten ihn immer noch wie ein Leichentuch, als der Zwerg seine Schaufel ins Gras warf und sich die Erde von den Fingern wischte.

»Gut, hinein mit ihm«, sagte er und beugte sich über Jacob, »aber vorher sehen wir nach, was er in den Taschen hat. Warum sollten wir seine schönen Goldtaler in der Erde verrotten lassen.«

Fuchs' Fell kam auf der Stelle zurück.

»Rühr ihn nicht an!«, fauchte sie und schnappte nach Valiants gierigen Fingern.

Beiß ihn, Fuchs. Beiß, so fest du kannst. Vielleicht lindert das den Schmerz.

Der Zwerg versuchte, sie mit der Flinte abzuwehren, doch Fuchs zerriss ihm die Jacke und sprang nach seiner Kehle, bis Clara ihr ins Fell griff und sie zurückzerrte.

»Fuchs, lass ihn!«, flüsterte sie und drückte ihren zitternden Körper an sich. »Er hat recht. Wir werden Geld brauchen. Und Jacobs Waffen, den Kompass ... Alles, was er bei sich hatte.«