Выбрать главу

Wie ein Kronleuchter aus Sandstein hing er von der Höhlendecke. Jacob schwindelte, als er sich zwischen zwei Läden über die Brückenbrüstung beugte und hinuntersah. Tief unter ihm endete der Stalaktit in einer Krone aus Kristallen, die schimmernde Spitze ins Nichts gestreckt.

»Welches sind die Fenster der Dunklen Fee?«

»Die aus Malachit.« Valiant sah sich nervös um.

Es waren viele Soldaten auf der Brücke, nicht nur als Wachen vor den Palasttoren, sondern auch in der Menge, die an den Läden vorbeischlenderte. Viele der Goylfrauen trugen Kleider, die mit dem Stein bestickt waren, dem ihre Haut glich. Er war zu so hauchdünnen Schuppen geschliffen, dass der Stoff wie Schlangenhaut schimmerte, und Jacob ertappte sich dabei, dass er sich fragte, wie Clara in einem solchen Kleid aussehen würde. Wie lange wirkt es?

Die Fenster der Fee klafften wie grüne Augen in dem hellen Sandstein. Die Eisenträger der Brücke waren kaum zwanzig Meter darüber in der Mauer verankert, aber die Palastfassade war spiegelglatt und bot im Gegensatz zu den anderen Stalaktiten keinen Halt zum Klettern.

Trotzdem. Er musste es versuchen.

Valiant murmelte hinter ihm etwas über die Beschränktheit des menschlichen Verstandes, aber Jacob zog die Schnupftabakdose aus der Tasche. Darin war einer der praktischsten magischen Gegenstände, die er je gefunden hatte: ein sehr langes goldenes Haar. Der Zwerg verstummte, als Jacob begann, es zwischen den Fingern zu zwirbeln. Das Haar trieb Faser um Faser, fein wie die Fäden einer Spinne. Schon bald war es so dick wie Jacobs Mittelfinger und fester als jedes Seil in dieser oder der anderen Welt.

Aber nicht nur seine Festigkeit machte es so nützlich. Es hatte noch andere, weit wunderbarere Eigenschaften. Das Seil wuchs zu jeder Länge, die man brauchte, und machte sich genau dort fest, wohin man blickte, wenn man es warf.

»Ein Rapunzelhaar. Nicht dumm!«, raunte Valiant, als Jacob das Seil in die Hand nahm und hinunter zu den grünen Fenstern blickte. »Aber das wird dir nicht gegen die Wachen helfen! Sie werden dich so deutlich sehen wie einen Käfer, der ihnen übers Gesicht kriecht!«

Zur Antwort zog Jacob das Fläschchen aus grünem Glas aus der Tasche. Er hatte es einem Stilz gestohlen, und es war gefüllt mit dem Schleim einer Schnecke, der für ein paar Stunden unsichtbar machte. Die Raubschnecken, die ihn produzierten, schlichen sich dank dieses Hilfsmittels sehr erfolgreich an alles heran, was ihnen schmeckte, und Stilze und Däumlinge züchteten sie, um ebenso unsichtbar auf die Jagd zu gehen. Man strich sich den Schleim unter die Nase - eine sehr unappetitliche Prozedur, auch wenn er geruchlos war -, aber er wirkte auf der Stelle. Das einzige Problem war, dass er stundenlange Übelkeit zur Folge hatte und Lähmungen hervorrief, wenn man ihn allzu oft benutzte.

»Schwindschleim und Rapunzelhaar.« Jacob hörte eine Spur von Bewunderung in der Stimme des Zwergs. »Ich gebe zu, du bist bestens ausgerüstet. Trotzdem. Ich will wissen, wo dein Goldbaum wächst, bevor du dort hinuntersteigst.«

Aber Jacob rieb sich schon den Schleim unter die Nase.

»O nein«, sagte er. »Was, wenn du mir wieder irgendetwas verschwiegen hast und da unten schon die Wachen auf mich warten?

Das Seil trägt nur einen, also kannst du hierbleiben, aber falls die Wachen Alarm schlagen, sorg besser für Ablenkung, oder du kannst deinen Goldbaum vergessen.«

Er schwang sich über die Brückenbrüstung, bevor der Zwerg protestieren konnte. Der Schleim ließ seinen Körper bereits verschwinden, und als Jacob sich zu den Eisenträgern hinunterhangelte, sah er die eigenen Hände nicht mehr. Er klammerte sich an eine der Streben und warf das Seil. Es wand sich durch die Luft, als schwämme es durch Wasser, bis es sich an einem Sims zwischen den Malachitfenstern festmachte.

Und was, wenn du Will tatsächlich dahinter findest, Jacob? Selbst wenn du den Fluch der Dunklen Fee brichst - er schläft! Wie willst du ihn aus der Festung schaffen?'Er wusste die Antwort nicht. Er wusste nur, dass er es versuchen musste. Und dass er Claras Lippen immer noch auf den eigenen spürte.

Es kletterte sich leicht an Rapunzelhaar. Das Seil schmiegte sich in seine Hände und Jacob versuchte, die Tiefe unter sich zu vergessen. Alles wird gut. Der Stalaktit wuchs ihm entgegen, sehnig wie ein Muskel aus Stein. Er spürte die Übelkeit, die der Schwindschleim brachte. Nur ein paar Meter noch, Jacob. Sieh nicht nach unten. Vergiss die Tiefe.

Er klammerte sich an das straff gespannte Seil und kletterte weiter, bis seine unsichtbaren Hände endlich die glatte Mauer berührten. Seine Füße fanden Halt auf dem Sims, und er schöpfte für einen Moment Atem, während er sich gegen den kühlen Stein presste. Links und rechts von ihm schimmerten die Fenster der Fee wie erstarrtes Wasser. Was nun, Jacob? Willst du sie einschlagen? Das würde sämtliche Wachen herbeirufen.

Er zog Chanutes Messer aus dem Gürtel und setzte die Klinge an das Glas. Die mit Mondstein eingefassten Löcher bemerkte er erst, als die Schlange herausschoss. Mondstein, so blass wie ihre Schuppen oder die Haut ihrer Herrin. Sie wand sich Jacob um den Hals, bevor er begriff, wie ihm geschah. Er versuchte, ihr das Messer in den Leib zu stoßen, aber sie umschlang ihn so unerbittlich, dass seine Finger den Messerknauf losließen und sich nur noch verzweifelt in den schuppigen Körper krallten. Seine Füße rutschten ab, und er hing so hilflos über dem Abgrund wie ein gefangener Vogel, um den Hals die würgende Schlange. Zwei weitere krochen aus einem Loch neben ihm und schlangen sich um seine Brust und seine Beine. Jacob rang nach Luft, aber er konnte nicht mehr atmen, und das Letzte, was er sah, war das Goldene Seil, das sich von dem Sims löste und über ihm in der Dunkelheit verschwand.

38

GEFUNDEN UND VERLOREN

Sandsteinmauern und eine vergitterte Tür. Ein Stiefel aus Echsenleder, der ihm in die Seite trat. Graue Uniformen, umgeben von dem roten Nebel, der ihm den Kopf füllte. Aber wenigstens waren die Schlangen fort und er konnte atmen. Der Zwerg hatte ihn wieder verkauft. Das war der einzige Gedanke, der in dem Nebel existierte. Wo hatte er es getan? In einem der Läden, vor denen du wie ein Schaf gewartet hast, Jacob?

Er wollte sich aufsetzen, doch sie hatten ihm die Hände gefesselt, und sein Hals schmerzte so sehr, dass er Schwierigkeiten hatte zu schlucken.

»Wer hat dich von den Toten zurückgeholt? Ihre Schwester?«

Der Jaspisgoyl löste sich aus der Dunkelheit.

»Ich habe der Fee nicht geglaubt, dass du noch lebst. Schließlich war es ein guter Schuss.« Er sprach den Dialekt des Kaiserreichs mit schwerem Akzent. »Es war ihre Idee, verbreiten zu lassen, dass dein Bruder bei ihr ist, und du bist ihr wie eine Fliege ins Netz gegangen. Dein Pech, dass die Schlangen selbst Schwindschleim nicht täuscht. Aber du hast dich wesentlich geschickter angestellt als die beiden Onyxgoyl, die zu den Räumen des Königs hinunterklettern wollten. Wir mussten ihre Reste von den Dächern der Stadt kratzen.«

Jacob stemmte den Rücken gegen die Mauer und schaffte es, sich aufzusetzen. Die Zelle, in die sie ihn geworfen hatten, unterschied sich in nichts von den Zellen in Menschengefängnissen: dieselben Gitter, dieselben verzweifelten Kritzeleien an den Wänden.

»Wo ist mein Bruder?« Seine Stimme war so heiser, dass er sich kaum selbst verstand, und ihm war übel von dem Schleim. Der Goyl antwortete ihm nicht.