»Du trägst das Medaillon nicht mehr. Hast du mit ihrer roten Schwester Frieden geschlossen?«
»Ja. Und sie hat mir verraten, was die Dunkle verletzlich macht.«
Donnersmarck rückte sich den Säbel zurecht. Er war ein sehr guter Fechter, aber das steife Bein hatte das vermutlich geändert.
»Du schließt Frieden mit der einen Schwester, um der anderen den Krieg zu erklären. So ist es immer mit dem Frieden, oder? Immer gegen jemanden, immer schon die Saat legend für den nächsten Krieg.«
Er hinkte zum Bett.
»Dann bleibt nur noch das Warum. Ich weiß, dass dir dieser Krieg egal ist. Also, wofür willst du es riskieren, von der Dunklen Fee getötet zu werden?«
»Der Jadegoyl, der ihren König bewacht, ist mein Bruder.«
Die Worte schienen es endgültig zur Wahrheit zu machen.
Donnersmarck rieb sich das verletzte Bein. »Ich wusste gar nicht, dass du einen Bruder hast. Aber wenn ich es mir genau überlege - es gibt vermutlich viel, was ich über dich nicht weiß.«
Er sah zum Fenster. »Ohne die Fee hätten wir diesen Krieg gewonnen.«
Nein, das hättet ihr nicht, dachte Jacob. Weil ihr König mehr vom Krieg versteht als ihr alle. Weil mein Vater ihm gezeigt hat, wie man bessere Flinten baut. Weil sie die Zwerge zu ihren Verbündeten gemacht haben. Und weil ihr ihren Zorn seit Jahrhunderten schürt.
Donnersmarck wusste all das auch. Aber es war so viel bequemer, der Fee die Schuld zu geben. Er stand auf und trat wieder ans Fenster.
»Sie geht jeden Abend nach Sonnenuntergang in die kaiserlichen Gärten. Kami'en lässt sie vorher durchsuchen, aber seine Männer sind nicht allzu gründlich. Sie wissen, dass ihr niemand etwas anhaben kann.«
Er wandte sich um.
»Was, wenn deinem Bruder nichts helfen kann? Was, wenn er einer von ihnen bleibt?«
»Einer von ihnen ist bald mit der Tochter deiner Kaiserin verheiratet.«
Darauf erwiderte Donnersmarck nichts. Draußen auf dem Flur waren Stimmen zu hören. Donnersmarck wartete, bis sie verklangen.
»Sobald es dunkel wird, schick ich dir zwei meiner Männer. Sie werden dich in die Gärten bringen.«
Er hinkte an Jacob vorbei, aber an der Tür blieb er noch einmal stehen. »Habe ich dir den je gezeigt?« Er strich über einen der Orden an seiner Jacke, einen Stern mit dem Siegel der Kaiserin in der Mitte. »Sie haben ihn mir verliehen, nachdem wir den Gläsernen Schuh gefunden hatten. Nachdem DU ihn gefunden hattest.«
Er blickte Jacob an.
»Ich bin in meiner Uniform hier. Ich hoffe, du weißt, was das heißt. Aber ich betrachte mich auch als deinen Freund, obwohl ich weiß, dass du das Wort nicht gern benutzt. Was immer du über die Dunkle Fee weißt ... Es ist Selbstmord, was du vorhast. Ich weiß, du bist ihrer Schwester davongelaufen und hast es überlebt. Aber diese Fee ist anders. Sie ist gefährlicher als alles, was dir je begegnet ist. Geh lieber den Wünschsack suchen oder den Baum des Lebens. Das Feuerpferd, einen Menschenschwanas auch immer. Schick mich zurück zum Palast mit der Antwort, dass du es dir überlegt hast. Schließ Frieden. So, wie wir alle es tun sollten.«
Jacob sah eine Warnung in seinem Blick. Und eine Bitte.
Aber er schüttelte den Kopf.
»Ich werde hier sein, wenn es dunkel wird.«
»Natürlich wirst du das«, sagte Donnersmarck.
Und schob sich aus der Tür.
46
DIE DUNKLE SCHWESTER
Es war seit einer Stunde dunkel, aber auf dem Flur vor Jacobs Zimmer blieb es still, und er befürchtete schon, dass Donnersmarck ihn vor sich selbst beschützen wollte, als es endlich an seiner Tür klopfte. Aber es standen keine kaiserlichen Soldaten davor, sondern eine Frau.
Jacob erkannte Fuchs erst kaum. Sie trug einen schwarzen Mantel über ihrem Kleid und hatte sich das Haar hochgesteckt.
»Clara wollte deinen Bruder noch ein letztes Mal sehen.« Ihre Stimme klang nicht nach erleuchteten Straßen, sondern nach Wald und dem Fell der Füchsin. »Sie hat den Zwerg überredet, dass er morgen mit ihr auf die Hochzeit geht.«
Sie strich sich über den Mantel. »Es sieht so lächerlich aus, oder?«
Jacob zog sie ins Zimmer und schloss die Tür. »Warum hast du es Clara nicht ausgeredet?«
»Warum sollte ich?«
Er zuckte zusammen, als sie seinen verletzten Arm berührte.
»Was ist passiert?«
»Nichts.«
»Clara sagt, du willst die Dunkle Fee finden. Jacob?« Sie nahm sein Gesicht zwischen ihre Hände. So schmale Hände, immer noch wie die eines Mädchens. »Ist das wahr?«
Ihre braunen Augen blickten ihm ins Herz. Fuchs spürte immer, wenn er log, aber diesmal musste er es schaffen, sie zu täuschen, oder sie würde ihm folgen, und Jacob wusste, er konnte sich viel verzeihen, aber nicht, dass sie seinetwegen verloren ging -
»Stimmt. Das hatte ich vor«, sagte er. »Aber ich habe Will gesehen. Du hattest recht. Es ist vorbei.« Glaub mir, Fuchs. Bitte.
Diesmal waren es Donnersmarcks Männer. Es klopfte erneut.
»Jacob Reckless?« Die zwei Soldaten, die vor der Tür standen, waren kaum älter als Will.
Jacob zog Fuchs mit sich hinaus auf den Korridor. »Ich geh mich mit Donnersmarck betrinken. Wenn du morgen mit Clara zu der Hochzeit gehen willst, bitte. Aber ich werde den ersten Zug nach Schwanstein nehmen.«
Ihre Augen wanderten von ihm zu den Soldaten. Und die Dunkle Fee war sicher schon in den kaiserlichen Gärten.
Sie glaubte ihm nicht. Jacob sah es in ihrem Gesicht. Wie auch? Niemand kannte ihn besser. Nicht einmal er selbst. Sie sah so verletzlich aus in den Menschenkleidern, aber sie würde ihm nachkommen. Was immer er sagte.
Fuchs sprach kein Wort, als sie den Soldaten zum Aufzug folgten. Sie war immer noch aufgebracht wegen des Lerchenwassers. Und gleich würde sie noch zorniger sein.
»Du siehst kein bisschen lächerlich aus in dem Mantel«, sagte er, als sie vor dem Aufzug stehen blieben. »Du siehst sehr schön aus. Aber ich wünschte, du wärst nicht gekommen.«
»Sie darf mir nicht folgen«, sagte er zu den Soldaten. »Einer von euch muss bei ihr bleiben.«
Fuchs versuchte, sich zu verwandeln, doch Jacob griff nach ihrem Arm. Haut auf Haut, das hielt das Fell zurück. Sie versuchte sich verzweifelt zu befreien, aber Jacob ließ sie nicht los und drückte einem der Soldaten seinen Zimmerschlüssel in die Hand. Er war breit wie ein Schrank, trotz seines Kindergesichts, und würde sie hoffentlich gut bewachen.
»Sorg dafür, dass sie mein Zimmer nicht vor morgen früh verlässt«, wies er ihn an. »Und pass auf. Sie ist eine Gestaltwandlerin.«
Der Soldat sah nicht sonderlich glücklich aus über den Auftrag, aber er nickte und griff nach Fuchs' Arm. Die Verzweiflung in ihrem Blick tat weh, doch schon der bloße Gedanke, sie zu verlieren, schmerzte mehr.
»Sie wird dich töten!«
Ihre Augen ertranken in Wut und Tränen.
»Vielleicht«, sagte Jacob. »Aber es macht es nicht besser, wenn sie dasselbe auch mit dir tut.«
Der Soldat zog sie zum Zimmer zurück. Sie sträubte sich, wie die Füchsin es getan hätte, und vor der Tür riss sie sich fast los.
»Jacob! Geh nicht!«
Er hörte ihre Stimme noch, als der Aufzug unten in der Eingangshalle hielt, und für einen Moment wollte er tatsächlich wieder hinauffahren, nur um ihr die Wut und die Angst vom Gesicht zu wischen.
Der andere Soldat war sichtlich erleichtert, dass Jacob nicht ihn auserwählt hatte, auf Fuchs aufzupassen, und Jacob erfuhr auf dem Weg zum Palast, dass er aus einem Dorf im Süden kam, das Soldatenleben immer noch aufregend fand und ganz offensichtlich keine Ahnung hatte, wen Jacob in den kaiserlichen Gärten zu treffen hoffte.
Das große Tor auf der Rückseite des Palastes wurde nur einmal im Jahr für das Volk geöffnet. Sein Führer brauchte eine Ewigkeit, bis er das Schloss endlich aufbekam, und Jacob vermisste einmal mehr den magischen Schlüssel und all die anderen Dinge, die er in der Goylfestung verloren hatte. Der Soldat legte die Kette wieder vor, sobald Jacob sich durch das Tor geschoben hatte, aber er blieb mit dem Rücken dazu auf dem Gehsteig stehen. Schließlich würde Donnersmarck wissen wollen, ob Jacob auch wieder herausgekommen war.