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Es kostete ihn eine weitere Stunde, eine der Schnecken zu finden, die den Schleim produzierten. Die kaiserlichen Gärtner töteten alle, die sie fanden, aber schließlich entdeckte Jacob zwei unter dem moosbedeckten Rand eines Brunnens. Ihre Häuser wurden schon wieder sichtbar, und ihr Schleim wirkte, sobald er ihn unter die Nase strich. Es war nicht viel, aber für ein, zwei Stunden würde es reichen.

Vor dem Eingang, den die Lieferanten und Dienstboten benutzten, lehnte nur ein Wächter an der Mauer, und Jacob gelang es, sich an ihm vorbeizuschleichen, ohne ihn aus dem Halbschlaf zu wecken.

In den Küchen und Wäschekammern wurde selbst nachts gearbeitet, und eine der müden Mägde blieb erschrocken stehen, als seine unsichtbare Schulter sie streifte. Aber schon bald kam er zu den Treppen, die fort von den Dienern und hinauf zu den Herren führten. Er spürte, wie seine Haut taub wurde, weil er den Schleim erst vor ein paar Tagen benutzt hatte, doch zum Glück setzte noch keine Lähmung ein.

Die Wunderkammern lagen im Südflügel, dem jüngsten Teil des Palastes. Die sechs Säle, die sie inzwischen einnahmen, waren mit Lapislazuli verkleidet, weil es von diesem Stein hieß, dass er die magische Potenz der ausgestellten Artefakte schwächte. Die kaiserliche Familie hatte schon immer Geschmack an den Zaubergegenständen dieser Welt gefunden und versucht, so viele wie möglich in ihren Besitz zu bringen. Aber erst der Vater der jetzigen Kaiserin hatte es zum Gesetz gemacht, dass Gegenstände, Tiere und Menschen mit magischen Eigenschaften den Behörden zu melden waren. Schließlich war es nicht leicht, in einer Welt zu regieren, in der Bettler von einem Goldbaum zu Fürsten gemacht wurden und sprechende Tiere Waldarbeitern rebellische Weisheiten zuflüsterten.

Vor den vergoldeten Türen standen keine Wachen. Der Großvater der Kaiserin hatte einen Schmied mit der Herstellung beauftragt, der sein Handwerk von einer Hexe gelernt hatte. In die Bäume, die auf den Türblättern ihre goldenen Zweige spreizten, waren die Zweige von Hexenbäumen eingelassen, und wer die Türen öffnete, ohne ihr Geheimnis zu kennen, wurde von den Zweigen aufgespießt. Sie schnellten heraus wie Lanzen, sobald man die Klinken berührte, und zielten, wie die Bäume im Schwarzen Wald, zuerst nach den Augen. Aber Jacob kannte das Geheimnis, wie man sie unbeschadet öffnete.

Er trat dicht an die Türen heran, ohne die Klinken zu berühren. Zwischen den geschmiedeten Blättern hatte der Schmied einen Specht verborgen. Sein Gefieder färbte sich bunt wie die Federn eines lebenden Vogels, sobald Jacob auf das Gold hauchte, und die Türen schwangen so lautlos auf, als hätte ein Windstoß sie geöffnet.

Die Wunderkammern von Austrien.

Der erste Saal war zum Großteil mit Zaubertieren gefüllt, die zur Jagdbeute der kaiserlichen Familie verkommen waren. Als Jacob an den Vitrinen vorbeischritt, die die ausgestopften Körper vor Staub und Motten schützten, schienen ihm ihre glasgefüllten Blicke zu folgen. Ein Einhorn. Geflügelte Hasen. Ein Brauner Wolf. Menschenschwäne. Zauberkrähen. Sprechende Pferde. Natürlich gab es auch eine Füchsin. Sie war nicht so zartgliedrig wie Fuchs, aber Jacob ertrug es trotzdem nicht, sie anzusehen.

Die zweite Kammer enthielt Artefakte, die von Hexen stammten. Die Wunderkammern machten keinen Unterschied zwischen Heilerinnen und Kinderfresserinnen. Messer, die Fleisch von Menschenknochen gelöst hatten, lagen neben einer Nadel, die mit einem Stich Wunden heilte, und Eulenfedern, die Blinde wieder sehen ließen. Es gab zwei der Besen, auf denen die Hexen so schnell und hoch wie Vögel flogen, und Lebkuchen von den tödlichen Häusern ihrer kinderfressenden Schwestern.

In den Vitrinen der dritten Kammer waren Nymphen- und Wassermannschuppen ausgestellt, die einem, wenn man sie unter die Zunge legte, erlaubten, sehr tief und lange zu tauchen. Aber es waren auch Drachenschuppen in jeder Größe und Farbe zu finden. In fast jedem Winkel dieser Welt gab es Gerüchte über angeblich noch lebende Exemplare. Jacob selbst hatte hoch im Norden schon Schatten am Himmel gesehen, die verdächtig dem mumifizierten Körper glichen, der in der vierten Kammer ausgestellt war. Allein der Schwanz nahm fast eine halbe Wand ein, und die gewaltigen Zähne und Klauen machten Jacob fast dankbar dafür, dass die kaiserliche Familie seine Art ausgerottet hatte.

Der Goldene Ball, nach dem er suchte, lag in der fünften Kammer auf einem Kissen aus schwarzem Samt. Jacob hatte ihn in einer Wassermannhöhle neben der entführten Tochter eines Bäckers gefunden. Er war kaum größer als ein Hühnerei, und die Beschreibung, die auf den Samt geheftet war, klang fast wie das Märchen, das in der anderen Welt von einem Goldenen Ball erzählte:

Ursprünglich Lieblingsspielzeug der jüngsten Tochter Leopolds des Gutmütigen, mit dem sie ihren Bräutigam (später Wenzeslaus der Zweite) fand und von einem Frosch-Fluch befreite.

Aber das war nicht die ganze Wahrheit. Der Ball war eine Falle. Jeder, der ihn auffing, wurde in sein Inneres gezogen und erst wieder freigelassen, wenn man das Gold polierte.

Jacob brach die Vitrine mit dem Messer auf und war für einen Moment versucht, noch ein paar andere Dinge mitzunehmen, die die Truhe in Chanutes Gasthaus hätten auffüllen können, doch die Kaiserin würde über den Ball verärgert genug sein. Jacob schob ihn gerade in die Manteltasche, als in der ersten Kammer die Gaslichter aufflammten. Sein Körper begann schon wieder sichtbar zu werden, und er verbarg sich hastig hinter einer Vitrine, in der ein abgetragener Siebenmeilenstiefel aus Salamanderleder stand, den Chanute dem Vater der Kaiserin verkauft hatte (der zweite stand in der Wunderkammer des Königs von Albion). Schritte hallten durch die Säle, und schließlich hörte Jacob, wie jemand sich an den Vitrinen zu schaffen machte. Aber er konnte nicht sehen, wer es war, und wagte nicht, sich zu rühren, aus Angst, seine Schritte würden ihn verraten. Wer immer es war, er blieb nicht lange. Das Licht erlosch, die schweren Türen fielen zu und Jacob war wieder allein in der Dunkelheit.

Ihm war speiübel von dem Schleim, aber er konnte es nicht lassen, an den Vitrinen entlangzugehen, um herauszufinden, weswegen der andere nächtliche Besucher gekommen war. Die Heilende Hexennadel fehlte, zwei Drachenkrallen, die angeblich vor Verletzung schützten, und ein Stück Wassermannhaut, dem man dieselbe Wirkung zuschrieb. Jacob konnte sich keinen Reim darauf machen, und schließlich gab er sich mit der Erklärung zufrieden, dass die Kaiserin dem Bräutigam ein paar magische Dinge zur Hochzeit schenken wollte, um sicherzustellen, dass er nicht schon bald von einem weniger friedensbereiten Goyl ersetzt wurde.

Als die goldenen Türen wieder hinter ihm zufielen, war Jacob bereits so übel, dass er sich fast übergab. Er hatte Krämpfe - die ersten Vorboten der Lähmung, die der Schleim auslösen konnte -, und die Palastkorridore nahmen kein Ende. Jacob beschloss, ihnen zurück in die Gärten zu folgen. Die Mauern, die sie von der Straße trennten, waren hoch, doch das Rapunzelseil ließ ihn auch diesmal nicht im Stich. Wenigstens eine nützliche Sache, die ihm geblieben war.

Donnersmarcks Mann stand immer noch vor dem Tor, aber er bemerkte Jacob nicht, als er sich davonstahl. Sein Körper war noch schemenhaft wie der eines Geistes, und ein Nachtwächter, der seine Runden in den nächtlichen Straßen zog, ließ bei seinem Anblick vor Schreck die Laterne fallen.

Zum Glück war er wieder sichtbar genug, als er das Hotel erreichte. Jeder Schritt war mühsam und seine Finger wollten sich kaum noch krümmen. Er schaffte es gerade noch in den Aufzug, und erst als er vor seinem Zimmer stand, fiel ihm Fuchs ein.

Er musste so laut gegen die Tür klopfen, dass zwei Gäste die Köpfe aus ihren Zimmern steckten, bevor der Soldat endlich öffnete. Jacob stolperte an ihm vorbei und übergab sich im Badezimmer. Fuchs war nirgends zu sehen.