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Ivor den Relgan fand sich mannhaft damit ab, daß sein reichverzierter Pokal an einen Mann ging, den er nicht leiden konnte, und Lord White tänzelte um das Mädchen herum, mit dem er sich unterhalten hatte, und bahnte ihr einen Weg durch die Menge.

Ich ließ mich wiegen, übergab meinen Sattel meinem Burschen, kämmte mir die Haare und begab mich zur Preisverleihung. Die Szene gestaltete sich inzwischen folgendermaßen: Auf einem quadratischen Tisch mit einem blauen Tischtuch stand ein großer silberner Gegenstand zusammen mit zwei kleineren, und um den Tisch herum standen Lord White, das Mädchen, Ivor den Relgan, Victor und Harold.

Lord White erklärte der kleinen Zuschauermenge durch ein Handmikrofon, daß Dana den Relgan die Pokale überreichen werde, die ihr Vater freundlicherweise gestiftet hatte. Und sicher gingen nicht nur mir zynische Vermutungen durch den Kopf. Wollte Lord White den Vater im Jockey Club haben oder die Tochter? Gott bewahre! Lord White mit einer Freundin? Ausgeschlossen.

Bei genauerer Betrachtung war nicht zu übersehen, daß er über ein gesundes Maß hinaus engagiert war. Er berührte sie ständig unter dem Vorwand, jedermann für die Pokalübergabe zurechtstellen zu müssen, und gab sich überaus lebhaft und nicht gesetzt wie sonst. Alles konnte gerade noch als neckisches, onkelhaftes Verhalten durchgehen, aber diskret war es keinesfalls.

Dana den Relgan hatte das Zeug dazu, jeden Mann in Aufregung zu versetzen, auf dessen Annäherungsversuche sie eingehen wollte, und auf Lord White ging sie sehr liebenswürdig ein. Sie war schlank und graziös und nicht sehr groß, hatte üppiges blondmeliertes Haar, das ihr in Locken lässig auf die Schultern fiel. Dazu kamen geschwungene Lippen, sehr weit auseinanderstehende Augen und ein makelloser Teint, und sie hatte den Vorzug, daß ihr Puppenköpfchen nicht ganz hohl war. Sie verhielt sich deutlich zurückhaltender als Lord White, als fände sie seine Aufmerksamkeit zwar nicht unangenehm, aber doch zu eindeutig, und sie übergab die Pokale an Victor und Harold und mich, ohne viel dazu zu sagen.

Zu mir sagte sie nur:»Gut gemacht«, und überreichte mir den kleinen silbernen Gegenstand (der sich als Briefbeschwerer in Sattelform entpuppte) mit dem strahlenden, oberflächlichen Lächeln eines Menschen, der einen nicht wirklich ansieht und nach fünf Minuten schon wieder vergessen hat. Nach dem, was ich hörte, hatte sie denselben modifizierten amerikanischen Akzent wie ihr Vater, aber ohne den herablassenden Ton; für meine Ohren klang er attraktiv. Ein hübsches Mädchen, aber nicht meins. Das Leben wimmelte von ihnen.

Während Victor und Harold und ich unsere Pokale verglichen, erschien der Durchschnittstyp mit der Brille wieder. Er trat ruhig neben Dana den Relgan und sagte ihr leise etwas ins Ohr. Sie wandte sich vom Tisch für die Siegerehrung ab und ging langsam mit ihm davon, wobei sie nickend und leise lächelnd seinen Worten lauschte.

Dieser anscheinend harmlose Vorgang hatte eine außergewöhnliche Wirkung auf den Relgan, der in Nullkommanichts sein albernes, selbstgefälliges Verhalten fallen ließ und in Aktion trat. Er rannte förmlich hinter seiner Tochter her, packte den harmlos aussehenden Mann an der Schulter und riß ihn mit solcher Wut von ihr weg, daß er stolperte und auf die Knie fiel.

«Ich habe Ihnen gesagt, daß Sie die Finger von ihr lassen sollen«, sagte den Relgan, und man sah deutlich, daß er keinerlei Vorbehalte dagegen hatte, jemanden zu treten, der unten war. Und Lord White murmelte >So was< und >Du liebe Güte< und sah unbehaglich drein.

«Wer ist das?«fragte ich niemand bestimmten, und überraschenderweise antwortete Victor Briggs.

«Ein Filmregisseur. Bursche namens Lance Kinship.«

«Und warum die Aufregung?«

Victor Briggs wußte die Antwort, aber er mußte erst mit sich zu Rate gehen, bevor er sie preisgab.»Kokain«, sagte er schließlich.»Weißes Pulver, zieht man sich direkt durch die Nase rein. Sehr in Mode. Die ganzen dummen kleinen Mädchen… ihre Nase fällt zusammen, wenn der Knochen sich auflöst, und was dann?«

Harold und ich sahen ihn erstaunt an. Es war die längste Äußerung, die ich je von ihm gehört hatte, und zudem die einzige, in der er seine Privatmeinung kundtat.

«Lance Kinship beschafft es«, sagte er.»Man lädt ihn wegen seiner Mitbringsel zu Partys ein.«

Lance Kinship war wieder auf den Beinen, klopfte sich den Staub von der Hose, rückte seine Brille zurecht und sah mordlustig drein.

«Wenn ich mit Dana reden will, dann rede ich mit ihr«, sagte er.

«Nicht wenn ich dabei bin. Sie nicht.«

Den Relgans Jockey Club-Manieren waren in Fetzen gegangen, und unter der Tarnung kam deutlich der wahre Kern zum Vorschein. Ein Tyrann, dachte ich, ein übler Feind, selbst wenn er im Recht war.

Lance Kinship schien sich nicht einschüchtern zu lassen.»Kleine Mädchen haben nicht immer ihren Papi dabei«, sagte er giftig, und den Relgan schlug zu, ein harter, kräftiger, wirkungsvoller Schlag auf die Nase.

Nasen bluten schnell, und es floß eine Menge Blut. Lance Kinship versuchte es mit den Händen wegzuwischen und verschmierte es statt dessen übers ganze Gesicht. Es strömte ihm über Mund und Kinn und fiel in großen platschenden Tropfen auf seine olivgrüne Wildlederjacke.

Lord White, der die ganze Angelegenheit abscheulich fand, streckte einen Arm in Richtung Kinship aus und hielt ihm mit spitzen Fingern ein großes weißes Taschentuch hin. Kinship grabschte ohne ein Wort des Dankes danach und tränkte es scharlachrot bei dem Versuch, die Flut einzudämmen.

«Sollte er nicht auf die Erste-Hilfe-Station?«sagte Lord White sich umblickend.»Ähm… Nore«, sagte er und sein Blick hellte sich auf.»Sie wissen ja, wo die Erste-HilfeStation ist. Würden Sie diesen Herrn dorthin bringen? Furchtbar nett von Ihnen. «Er scheuchte mich händewedelnd los, aber als ich meine Hand nach dem olivgrünen Ärmel ausstreckte, um Kinship in Richtung kalte Kompressen und Beistand zu lotsen, zuckte er vor mir zurück.

«Dann bluten Sie eben weiter«, sagte ich.

Unfreundliche Augen funkelten mich hinter dem schwarzen Brillengestell an, aber er konnte nichts sagen, weil er sozusagen zu sehr mit Aufwischen beschäftigt war.

«Ich kann Sie führen«, sagte ich.»Kommen Sie mit, wenn Sie wollen.«

Ich ging los, hinterm Führring vorbei auf eine grüngestrichene Hütte zu, wo mütterliche Damen darauf warteten, die Verletzten zusammenzuflicken, und nicht nur Kinship folgte mir, sondern auch den Relgan. Ich hörte seine Stimme genauso deutlich wie Kinship, und die Botschaft war eindeutig.

«Wenn Sie noch einmal in Danas Nähe kommen, breche ich Ihnen das Genick.«

Kinship antwortete wieder nicht.

Den Relgan sagte:»Haben Sie verstanden, Sie mieser kleiner Zuhälter?«

Wir waren schon so weit weg, daß eine Menge Leute uns vor den Blicken der Gruppe vor dem Waageraum abschirmten. Ich hörte Handgemenge hinter mir, blickte über die Schulter zurück und sah gerade noch, wie Kinship zu einem kräftigen Karateschlag auf den Relgans Weichteile ausholte und mit voller Wucht traf. Kinship drehte sich wieder in meine Richtung und warf mir einen weiteren unfreundlichen Blick über sein immer röter werdendes Taschentuch hinweg zu, das er sich die ganze Zeit unter die Nase gehalten hatte.

Den Relgan gab erstickte Laute von sich und hielt sich den Unterleib. Der ganze Tumult war nicht eben das, was man sich unter dem Abschluß einer würdigen Preisverleihung auf der Rennbahn an einem Donnerstagnachmittag vorstellte.

«Da rein«, sagte ich mit einer knappen Kopfbewegung zu Kinship, und er bedachte mich mit einem letzten Reptilienblick, als die Tür der Erste-Hilfe-Station aufging. Den Relgan machte» Aaah. «und lief halb zusammengekrümmt im Kreis, eine Hand vorne unten unter seinem Kamelhaarmantel fest an sich gepreßt.