Выбрать главу

«Mehr oder weniger. Aber ich kenne mich mit Homosexuellen aus, ich habe eine Zeitlang mit zwei Schwulen zusammengelebt. Man kriegt das irgendwie ins Gespür.«

Er schien leicht schockiert zu sein und überspielte es mit einem Rückfall in sein trottelhaftes Gestottere.

«Ach ja? Ich… sind Sie.? Ähm… Ich… Also… Leben Sie alleine.? Es geht mich nichts an. Entschuldigung.«

«Wenn ich mit jemand ins Bett gehe, ist dieser jemand weiblich«, sagte ich sanft.»Ich mag nur nichts Dauerhaftes.«

Er vergrub seine Nase und seine Verlegenheit in seinem Glas, und ich dachte an Duncan und Charlie, die sich drei Jahre lang in meiner Gegenwart umarmt, geküßt und geliebt hatten. Charlie war älter als Duncan gewesen, ein gestandener Mann in den Vierzigern, solide, fleißig und freundlich. Charlie war für mich Vater, Onkel und Beschützer zugleich gewesen. Duncan war geschwätzig und streitsüchtig und ein sehr guter Kumpel gewesen, und keiner von den beiden hatte versucht, mich in seiner Richtung zu beeinflussen.

Duncan war langsam weniger geschwätzig und dafür streitsüchtiger und ein weniger guter Kumpel geworden, und eines Tages hatte er sich in einen anderen verliebt und war ausgezogen. Charlies Kummer war leichenblaß und hoffnungslos tief gewesen. Er hatte seinen Arm um meine Schulter gelegt und mich an sich gedrückt und geweint; und ich hatte geweint, weil Charlie unglücklich war.

Meine Mutter war binnen einer Woche aufgekreuzt, hereingestürmt wie ein Wirbelwind. Riesige Augen, hohle Wangen, flatternde Seidenschals.

«Aber Charlie, Liebling, du mußt doch einsehen, daß ich Philip nicht bei dir lassen kann«, sagte sie.»Jetzt, wo Duncan weg ist. Schau ihn dir an, Lieber, er hat sich ganz schön herausgemacht. Charlie, Liebling, du mußt einsehen, daß er nicht hier bleiben kann. Jetzt nicht mehr. «Sie hatte zu mir hinübergesehen, strahlend, aber zerbrechlicher, als ich sie in Erinnerung hatte, und weniger hübsch.»Pack deine Sachen, Philip, mein Liebling. Wir gehen aufs Land.«

Charlie war in das kleine Kabuff gekommen, das er und Duncan in einer Ecke des Ateliers für mich gebaut hatten, und ich hatte ihm gesagt, daß ich ihn nicht verlassen wollte.

«Deine Mutter hat recht, Junge«, sagte er.»Es ist Zeit, daß du gehst. Wir müssen tun, was sie sagt.«

Er hatte mir beim Packen geholfen und mir zum Abschied eine seiner Kameras geschenkt, und noch am selben Tag wurde ich aus dem alten Leben in ein neues katapul-tiert. Am gleichen Abend lernte ich, wie man eine Pferdebox ausmistet, und am nächsten Morgen fing ich an zu reiten.

Nach einer Woche hatte ich an Charlie geschrieben, um ihm mitzuteilen, daß ich ihn vermißte, und er hatte ermutigend geantwortet, daß ich bald darüber hinwegkommen würde. Und ich kam darüber hinweg, während Charlie sich schrecklich nach Duncan verzehrte und zweihundert Schlaftabletten schluckte. Eine Woche vor den Pillen hatte Charlie ein Testament gemacht, in dem er mir seinen ganzen Besitz, einschließlich seiner anderen Kameras und der Dunkelkammerausrüstung vermachte. Er hinterließ auch einen Brief, in dem er sich entschuldigte und mir Glück wünschte.

«Paß auf Deine Mutter auf«, schrieb er.»Ich glaube, sie ist krank. Mach weiter mit dem Fotografieren. Du hast das Auge dafür. Du kommst schon klar, Junge. Mach’s gut, Charlie.«

Ich trank etwas Champagner und sagte zu Jeremy:»Haben Sie die Liste der Mieter von Pine Woods Lodge von den Maklern bekommen?«

«Ach Gott, ja«, erwiderte er, erleichtert, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.»Ich habe sie hier irgendwo. «Er klopfte etliche Taschen ab, steckte aber zwei Finger treffsicher in die, in der er den Zettel, den er suchte, verstaut hatte, und ich fragte mich, wieviel Energie er wohl täglich für seine Ablenkungsmanöver verschwendete.

«Da haben wir’s. «Er breitete den Zettel aus und zeigte darauf.»Wenn Ihre Mutter vor dreizehn Jahren dort war, müßte sie entweder mit den Pfadfindern, der Fernsehgesellschaft oder den Musikern zusammengewesen sein.

Aber die Fernsehleute haben nicht dort gewohnt, sagt der Makler. Sie haben nur tagsüber dort gearbeitet. Die Musiker allerdings haben dort auch gelebt. Es waren… ähm… experimentelle Musiker, was immer das heißen mag.«

«Mehr Seele als Erfolg.«

Er warf mir einen kurzen, scharfen Blick zu.»Einer aus dem Maklerbüro sagt, er erinnert sich, daß sie das ganze Stromnetz ruiniert haben und angeblich ständig high waren von irgendwelchen Drogen. Hört sich irgendwas davon nach… ähm… nach Ihrer Mutter an?«

Ich überlegte.

«Pfadfinder hören sich ganz und gar nicht nach ihr an«, sagte ich.»Die können wir außer acht lassen. Drogen hören sich sehr nach ihr an, aber Musiker nicht. Schon gar nicht erfolglose Musiker. Sie hat mich nie bei erfolglosen Leuten gelassen… oder bei musikalischen, wenn ich’s recht bedenke. «Ich überlegte weiter.»Ich denke, wenn sie in der Zeit wirklich drogensüchtig war, war es ihr vielleicht egal. Aber sie liebte Komfort. «Ich hielt wieder inne.»Man sollte sich wohl als erstes die Fernsehgesellschaft vornehmen. Die könnten uns zumindest sagen, an was für einer Produktion sie damals gearbeitet haben, und wer daran beteiligt war. Bestimmt haben sie noch irgendwo die Angaben.«

An Jeremys ungläubiger bis verwirrter Miene konnte man ablesen, wie seine Gefühle durcheinandergingen.

«Ähm…«, sagte er.»Ja, also…«

«Hören Sie«, unterbrach ich ihn,»stellen Sie einfach Fragen. Wenn sie mir nicht gefallen, beantworte ich sie nicht.«

«Sie sind so furchtbar direkt«, klagte er.»Also gut. Was soll das heißen, Ihre Mutter hat Sie bei Leuten gelassen, und was hat Ihre Mutter mit Drogen zu tun?«

Ich erläuterte ihm die Abladeprozedur und was ich den Deborahs, Samanthas und Chloes zu verdanken hatte. Allein Jeremys erschütterter Gesichtsausdruck machte mir deutlich, daß ich keine durchschnittliche Kindheit verlebt hatte.

«Mit den Drogen ist es etwas komplizierter«, sagte ich.»Ich wußte nichts von den Drogen, bis ich größer war, und nach meinem zwölften Geburtstag habe ich sie nur noch einmal gesehen. an dem Tag, an dem sie mich von den Homosexuellen weggeholt und zu dem Rennstall gebracht hat. Aber sicher hat sie, soweit ich zurückdenken kann, Drogen genommen. Manchmal hat sie mich eine Woche bei sich behalten, und da war so ein Geruch, ein beißender, unverwechselbarer Geruch. Jahre später habe ich ihn wieder gerochen… Ich muß über zwanzig gewesen sein… und es war Marihuana. Cannabis. Ich hab’s geraucht, als ich klein war. Einer der Freunde meiner Mutter hat es mir gegeben, als sie weg war, und sie war schrecklich wütend. Wissen Sie, sie hat sich auf ihre Weise bemüht, dafür zu sorgen, daß ich in geordneten Bahnen aufwuchs. Ein andermal hat ein Mann, mit dem sie liiert war, mir Acid gegeben. Sie war fuchsteufelswild.«

«Acid«, sagte Jeremy.»Meinen Sie LSD?«

«Genau. Ich habe das Blut durch meine Adern strömen sehen, als wäre die Haut durchsichtig. Ich konnte die Knochen sehen, wie auf einem Röntgenbild. Es war umwerfend. Man wird sich der Grenzen unsrer alltäglichen

Wahrnehmung bewußt. Ich konnte Geräusche dreidimensional wahrnehmen. Das Ticken einer Uhr. Unglaublich. Meine Mutter kam ins Zimmer und erwischte mich dabei, wie ich gerade aus dem Fenster fliegen wollte. Ich konnte auch ihr Blut kreisen sehen. «Ich konnte mich an alles sehr plastisch erinnern, obwohl ich damals erst fünf Jahre alt war.»Ich wußte nicht, warum sie so böse war. Der Mann hat gelacht, und sie hat ihn geschlagen. «Ich hielt inne.»Sie hat mich von Drogen ferngehalten. Sie ist an Heroin gestorben, glaube ich, aber sie hat dafür gesorgt, daß ich nie etwas davon zu sehen bekam.«

«Warum glauben Sie, daß sie an Heroin gestorben ist?«

Ich goß uns Champagner nach.

«Die Leute vom Rennstall haben davon gesprochen. Margaret und Bill. Bald nachdem ich dort hingekommen war, bin ich eines Tages ins Wohnzimmer gegangen, als sie sich gerade gestritten haben. Ich habe zunächst nicht begriffen, daß es um mich ging, aber sie sind verstummt, sowie sie mich gesehen haben, da war es mir klar. Bill hatte gesagt: >Er gehört zu seiner Mutter<, und Margaret unterbrach ihn und sagte: >Die hängt an der Nadel<, und dann sah sie mich und verstummte. Ich begriff gar nichts, fand nur die Vorstellung lustig. «Ich lächelte schief.»Erst Jahre später begriff ich, was Margarets Worte bedeutet hatten. Ich habe sie später darauf angesprochen, und sie hat mir erzählt, daß sie und Bill wußten, daß meine Mutter Heroin nahm, aber sie wußten genauso wenig wie ich, wo sie zu finden war. Sie vermuteten wie ich, daß sie gestorben war, und natürlich ahnten sie auch lange vor mir, woran. Sie haben es mir nicht erzählt, um mir den Schmerz zu ersparen. Nette Leute. Sehr nett.«