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Er blinzelte.»Schwarzweiß?«

«Wenn ich Glück habe.«

«Woher bekommen Sie blaues Licht?«

«Da wäre jetzt doch der Vortrag fällig«, sagte ich.»Wollen Sie das letzte Rennen sehen?«

Ein kleiner Rückfall zu eckigen Ellbogenbewegungen und Stehen auf einem Bein und stockendem Gefasel war zu verzeichnen — wahrscheinlich, weil es galt, das Anwaltsgewissen mit der Duldung von Pferdewetten in Übereinstimmung zu bringen.

Ich hatte ihm jedoch Unrecht getan. Als wir auf der Tribüne auf den Start des Rennens warteten, sagte er:»Ich habe… äh… ehrlich gesagt… ähm… Sie reiten sehen… heute nachmittag.«

«Ach wirklich?«

«Ich dachte… es, äh, könnte lehrreich sein.«

«Und, hat Sie’s mitgerissen?«

«Um ehrlich zu sein«, sagte er,»wohl eher Sie als mich.«

Während wir Richtung St. Albans fuhren, erzählte er mir von seinen Nachforschungen bei der Fernsehgesellschaft.

«Ich habe mir die Liste der Mitwirkenden zeigen lassen, wie Sie es vorgeschlagen haben, und ich habe gefragt, ob sie mich mit jemandem zusammenbringen könnten, der bei der Produktion in Pine Woods Lodge dabei war. Da wurde übrigens nur ein einziger Film gedreht. Die Truppe war nur ungefähr sechs Wochen dort.«

«Nicht sehr vielversprechend«, sagte ich.

«Nein. Trotzdem haben sie mir gesagt, wo der Regisseur zu finden ist. Arbeitet immer noch fürs Fernsehen. Sehr mürrischer, deprimierender Mann, der nur aus Gebrummel und einem gewaltigen Schnurrbart besteht. Er saß am Straßenrand in Streatham und sah einigen Elektrikern zu, die eine Gewerkschaftsversammlung abhielten und dann in Streik traten und sich weigerten, die Szene zu beleuchten, die er in einem Kirchenportal drehen wollte. Seine Laune war, kurz gesagt, scheußlich.«

«Kann ich mir vorstellen.«

«Leider war er keine große Hilfe«, sagte Jeremy bedauernd.»Vor dreizehn Jahren? Wie zum Teufel er sich an miese sechs Wochen vor dreizehn Jahren erinnern solle? Wie zum Teufel er sich an irgendein mieses Weib mit einem miesen Balg erinnern solle? Und so weiter in diesem Sinne. Allerdings konnte er mir mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, daß garantiert keine miesen Typen irgendwo in der Nähe von Pine Woods Lodge herumgelungert hätten, als er dort drehte. Er könne bei der Arbeit keine herumlungernden Laien vertragen, und ich solle mich bitte ebenfalls zum Teufel scheren.«

«Schade.«

«Danach habe ich einen Hauptdarsteller der Produktion aufgespürt, der zur Zeit in einer Kunstgalerie arbeitet, und fast die gleiche Antwort bekommen. Dreizehn Jahre? Mädchen mit kleinem Kind? Nichts zu machen.«

Ich seufzte.»Ich hatte große Hoffnung auf die Fernsehleute gesetzt.«

«Ich könnte weitermachen«, sagte Jeremy.»Sie sind nicht schwer ausfindig zu machen. Ich habe einfach ein paar Agenturen angerufen, um an den Schauspieler heranzukommen.«

«Das überlasse ich ganz Ihnen.«

«Das müßte gehen.«

«Wie lange waren die Musiker da?«sagte ich.

Jeremy kramte ein inzwischen ziemlich abgegriffen aussehendes Blatt Papier hervor und sah nach.

«Drei Monate, plus minus eine Woche.«

«Und nach ihnen?«

«Die religiösen Fanatiker. «Er schnitt eine Grimasse.»Ihre Mutter war doch wohl nicht religiös?«

«Heidin.«

«Es ist alles so lange her.«

«Mhm«, sagte ich.»Warum versuchen wir es nicht anders? Wir könnten Amandas Foto in der Zeitschrift Horse and Hound abdrucken lassen, mit der Frage, ob jemand den Reitstall erkennt. Diese Gebäude stehen wahrscheinlich heute noch und sehen noch genauso aus.«

«Wäre ein ausreichend großes Foto nicht sehr teuer?«

«Im Vergleich zu Privatdetektiven nicht. «Ich überlegte.»Ich glaube, Horse and Hound berechnet nach Platz, egal, um was es sich handelt. Fotos kosten nicht mehr als Text. Ich könnte einen guten scharfen Schwarzweißabzug von Amanda machen. und dann sehen wir einfach mal.«

Er seufzte.»O.k., gut. Aber mir schwant schon, daß die finanziellen Unkosten für die Suche letztendlich größer sein werden als das Erbe.«

Ich warf ihm einen Blick zu.»Wie reich ist sie denn… meine Großmutter?«

«Sie kann genausogut pleite sein, was weiß ich. Sie gibt sich unglaublich geheimnisvoll. Möglicherweise hat ihr Steuerberater eine Ahnung, aber der schweigt wie ein Grab.«

Wir kamen nach St. Albans und fuhren zum Pflegeheim; und während Jeremy im Warteraum alte Ausgaben von The Lady las, redete ich im ersten Stock mit der sterbenden alten Frau.

Sie saß von Kissen gestützt im Bett und beobachtete, wie ich ihr Zimmer betrat. Das harte strenge Gesicht war immer noch voll störrischen Lebens, die Augen blickten unerbittlich finster wie eh und je. Sie sagte nichts Nettes wie» Hallo «oder» Guten Abend«, sondern schlicht und einfach:»Hast du sie gefunden?«

«Nein.«

Sie preßte die Lippen zusammen.»Versuchst du es?«

«Ja und nein.«

«Was heißt das?«

«Das heißt, daß ich einen Teil meiner Freizeit dazu verwende, sie zu suchen, aber nicht mein ganzes Leben.«

Sie starrte mich mit zusammengekniffenen Augen an, und ich ließ mich im Besuchersessel nieder und starrte zurück.

«Ich habe deinen Sohn besucht«, sagte ich. Ihr Gesicht zerfloß einen flüchtigen Moment lang zu einer unkontrollierten, entlarvenden Mischung aus Wut und Abscheu. Ihre leidenschaftliche Enttäuschung überraschte mich etwas. Mir war bereits klar gewesen, daß ein nicht heiratender, keine Kinder zeugender Sohn sie nicht in erster Linie um eine Schwiegertochter und Enkel brachte, die sie vielleicht ohnehin nach bekanntem Muster tyrannisiert hätte, sondern vielmehr um ihren eigenen Fortbestand. Aber mir war nicht bewußt gewesen, daß ihre Suche nach Amanda ihrer Besessenheit entsprang, und nicht ihrem Groll.

«Dein Erbgut soll sich fortpflanzen«, sagte ich langsam.»Geht es dir darum?«

«Sonst hat der Tod keinen Sinn.«

Ich dachte, daß das Leben selbst ziemlich sinnlos war, aber ich sagte es nicht. Man erwachte lebendig, tat, was man konnte, und starb. Vielleicht hatte sie ja recht… daß der Sinn des Lebens darin bestand, sein Erbgut weiterzugeben. Erbgut überlebte durch Generationen von Körpern.

«Ob es dir gefällt oder nicht«, sagte ich,»dein Erbgut wird vielleicht durch mich weitergegeben.«

Der Gedanke mißfiel ihr immer noch. Die Muskeln an ihrem Kiefer spannten sich, und schließlich sagte sie mit harter, unfreundlicher Stimme:»Dieser junge Anwalt meint, ich soll dir sagen, wer dein Vater ist.«

Ich erhob mich schlagartig, unfähig, Ruhe zu bewahren. Obwohl ich gekommen war, um genau das zu erfahren, wollte ich es jetzt nicht mehr wissen. Ich wollte fliehen. Den Raum verlassen. Nichts hören. Ich war auf eine Weise nervös wie seit Jahren nicht mehr. Und mein Mund war klebrig und trocken.

«Willst du’s nicht wissen?«fragte sie.

«Nein.«

«Hast du Angst?«sagte sie verächtlich. Höhnisch.

Ich stand einfach da und antwortete nicht, wollte es wissen und doch nicht wissen, hatte Angst und doch keine Angst, war völlig durcheinander.

«Ich habe deinen Vater schon vor deiner Geburt gehaßt«, sagte sie bitter.»Ich kann deinen Anblick noch heute kaum ertragen, weil du aussiehst wie er. wie er in deinem Alter. Schlank… und kräftig… und die gleichen Augen.«

Ich schluckte und wartete und war wie betäubt.

«Ich habe ihn geliebt«, sagte sie, die Worte ausspeiend, als seien sie ihr widerwärtig.»Ich habe ihn abgöttisch geliebt. Er war dreißig und ich war vierundvierzig. Ich war seit fünf Jahren Witwe… Ich war einsam. Dann kam er. Er hat mit mir zusammengelebt. Wir wollten heiraten. Ich habe ihn angebetet. Ich war dumm.«

Sie hielt inne. Es gab auch keinen Grund, fortzufahren. Ich wußte den Rest bereits. Der ganze Haß, den sie all die Jahre für mich empfunden hatte, war endlich geklärt. So einfach erklärt. und verstanden. und vergeben. Entgegen aller Erwartung empfand ich plötzlich Mitleid mit meiner Großmutter.