Ich werde Ihnen jedoch in Kürze telefonisch einen Alternativvorschlag machen.
Hochachtungsvoll George Millace
Der nächste Brief auf dem Film mußte ihn vollends in die Enge getrieben haben.
Lieber Elgin Yaxley,
ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, daß sich seit meinem gestrigen Schreiben neue Entwicklungen ergeben haben.
Gestern nämlich besuchte ich auch den Bauern, auf dessen Farm Sie Ihre unglücklichen Steepler untergebracht hatten, und zeigte ihm im Vertrauen einen Abzug des Fotos, das ich Ihnen geschickt habe. Ich deutete an, daß es vielleicht zu weiteren gründlichen Ermittlungen käme, in deren Verlauf sein eigener Anteil an der Tragödie untersucht werden könnte.
Er sah sich in der Lage, mein Schweigeversprechen mit der erfreulichen Information zu honorieren, daß Ihre fünf Pferde gar nicht tot seien.
Die fünf Pferde, die gestorben sind, habe Ihr bäuerlicher Freund eigens billig auf einer örtlichen Auktion erstanden, und eben diese seien dann zur festgesetzten Zeit am festgesetzten Ort von Terence O’Tree erschossen worden. Terence O’Tree sei von dem Tausch nicht informiert worden.
Ihr bäuerlicher Freund bestätigte mir außerdem, daß Sie selbst in einem Pferdetransporter auf der Farm erschienen seien, um den Abtransport Ihrer guten Pferde zu überwachen, nachdem der Tierarzt ihnen ihre Anti-Tetanusimpfung verabreicht und sie in gutem Gesundheitszustand verlassen habe.
Soweit Ihr Freund es mitbekam, wollten Sie sie in den Fernen Osten verschiffen, wo bereits ein Käufer vorhanden war.
Ich füge ein Foto seiner unterschriebenen Aussage in dieser Angelegenheit bei.
Ich werde Ihnen in Kürze telefonisch einen Vorschlag unterbreiten.
Hochachtungsvoll George Millace
Der letzte der fünf Abzüge unterschied sich insofern von den anderen, als er handgeschrieben und nicht getippt war. Aber da er offensichtlich mit Bleistift geschrieben war, war auch er blaßgrau. Er lautete:
Lieber Elgin Yaxley,
ich habe die fünf Pferde gekauft, die Terence O ’Tree erschossen hat. Sie haben Ihre eigenen Pferde in einem Pferdeanhänger abgeholt, um sie in den Osten zu exportieren.
Ich bin zufrieden mit dem, was Sie mir für meine Dienste bezahlt haben.
Ihr ergebener David Parker
Ich dachte an Elgin Yaxley, wie ich ihn tags zuvor in Ascot gesehen hatte, selbstzufrieden grinsend und sich in Sicherheit wiegend.
Ich machte mir Gedanken über Recht und Unrecht und Gerechtigkeit. Dachte an Elgin Yaxley als Opfer von George Millace, und an die Versicherungsgesellschaft als Opfer von Elgin Yaxley. Dachte an Terence O’Tree, der ins Gefängnis gewandert, und an David Parker, der davon verschont geblieben war.
Ich konnte mich nicht entscheiden, was ich tun sollte.
Nach einer Weile stand ich steifbeinig auf und ging zurück in die Dunkelkammer. Ich schob die ganze Serie der magentafleckigen Negative in den Kontaktabzugrahmen und produzierte fast weiße Abzüge, und diesmal kamen nicht fünf kleine Rechtecke mit grauen Blöcken heraus, sondern fünfzehn.
Mit einem hohlen Gefühl des Entsetzens knipste ich sämtliche Lichter aus, schloß die Türen ab und ging die Straße hinauf zu meiner Lagebesprechung mit Harold.
«Hör gefälligst zu«, sagte Harold scharf.
«Ähm… ja.«
«Was ist denn los?«
«Nichts.«
«Ich rede über Coral Key in Kempton am Mittwoch, und du hörst nicht zu.«
Mühsam richtete ich meine Aufmerksamkeit wieder auf das anstehende Thema.
«Coral Key«, sagte ich.»Für Victor Briggs.«
«Genau.«
«Hat er irgendwas gesagt. über gestern?«
Harold schüttelte den Kopf.»Wir haben nach dem Rennen noch was getrunken, und alles, was Victor von sich gab, war Gebrummel. Aber bis er mir sagt, daß du nicht mehr auf seinen Pferden sitzt, bleibst du drauf.«
Er gab mir ein Glas und eine Dose Cola und goß sich selbst einen doppelten Whisky ein.
«Ich hab nicht viel für dich diese Woche«, sagte er.»Nichts am Montag oder Dienstag. Pebble sollte in Leicester laufen, aber er hat irgendeine Entzündung im Bein…
Bleibt nur Coral Key am Mittwoch, Diamond Buyer und die Stute am Freitag, und zwei am Samstag, wenn es nicht regnet. Hast du sonst irgendwas an der Hand?«
«Ein Nachwuchsrennen in Kempton am Dienstag.«
«Hoffentlich kann’s springen, das Vieh.«
Ich ging zu meinem ruhigen Häuschen zurück, machte Abzüge von den fünfzehn magentafleckigen Negativen und erhielt wie zuvor klare weißgraue Bilder, da die Flecke zusammen mit dem Blau herausgefiltert wurden.
Zu meiner Erleichterung waren es nicht fünfzehn Drohbriefe: nur die beiden ersten endeten mit der Zusage von Alternativvorschlägen.
Ich hatte mit einem gerechnet, der sich mit dem Liebespaar befaßte, und er war auch dabei. Es war der zweite, der mir in der Küche den Atem verschlug und über den ich leise lachen mußte. Auf jeden Fall sah ich jetzt allen noch zu erwartenden Enthüllungen in einer besseren Stimmung entgegen.
Bei den letzten dreizehn Abzügen handelte es sich dann aber um Georges eigene Aufzeichnungen darüber, wo und wann, auf welchem Film und mit welcher Belichtung er die belastenden Fotos gemacht und wann er die Schrek-kensbriefe abgeschickt hatte. Wahrscheinlich hatte er seine Aufzeichnungen in dieser Form aufbewahrt, weil es sich für ihn als einfach erwiesen hatte und ihm sicherer erschienen war, als derart belastendes Material lesbar auf Papier herumliegen zu lassen.
Als Hintergrund zu den Fotos und Briefen waren sie faszinierend, aber nirgendwo stand, worin der >Alternativvorschlag< bestanden hatte. Man erfuhr nichts über die Höhe der Summe, die George erpreßt hatte, nichts über irgendeine Bank, einen Safe oder ein Versteck, wo er seine Einnahmen gehortet haben konnte. Sogar sich selbst gegenüber war George in diesem Punkt verschwiegen gewesen.
Ich ging spät ins Bett und konnte nicht schlafen, und am nächsten Morgen führte ich einige Telefongespräche.
Eins mit dem Chefredakteur von Horse and Hound, den ich kannte und den ich bat, Amandas Foto in der Ausgabe dieser Woche unterzubringen, weil die Zeit drängte.
Er meinte zweifelnd, daß er es abdrucken würde, wenn ich es ihm noch diesen Morgen ins Büro brächte, danach sei es zu spät.
«Ich komme«, sagte ich.»Zwei Spalten breit, Foto sieben Zentimeter hoch mit etwas Text darüber und darunter. Insgesamt etwa elf Zentimeter. Auf einer hübschen rechten Seite möglichst weit vorne, wo keiner es übersehen kann.«
«Philip!«protestierte er, aber dann seufzte er hörbar, und ich wußte, daß er meinen Wunsch erfüllen würde.»Du hast doch diese Kamera. falls du irgendwelche Fotos von Rennen hast, die ich brauchen könnte, bring sie mit. Ich schau sie mir auf jeden Fall an. Ich verspreche nichts, wohlgemerkt, aber ich sehe sie mir an. Mir geht es um Menschen, nicht um Pferde. Porträts. Hast du welche?«
«Ja… schon.«
«Gut. Also so schnell wie möglich. Bis dann.«
Ich rief Marie Millace an, weil ich Lord Whites Privat-nummer brauchte, und anschließend rief ich den Alten Schneesturm in seinem Haus in den Cotswolds an.
«Sie möchten mich sprechen?«sagte er.»Weswegen?«
«Wegen George Millace, Sir.«
«Fotograf? Vor kurzem gestorben?«
«Ja, Sir. Seine Frau ist eine Freundin von Lady White.«
«Ja, ja«, sagte er ungeduldig.»Wir können uns in Kempton sprechen, wenn Sie möchten.«
Ich fragte ihn, ob ich nicht statt dessen bei ihm zu Hause vorbeikommen könne, und obwohl er nicht gerade scharf darauf war, erklärte er sich bereit, mir am nächsten Tag um fünf Uhr eine halbe Stunde seiner Zeit zu schenken. Mit leicht schwitzenden Handflächen legte ich den Hörer auf, sagte» Puh «und dachte, daß ich, wenn ich kneifen wollte, nur noch einmal bei ihm anrufen und absagen mußte.