Выбрать главу

Das Blätterdach über ihren Köpfen schien etwas durchlässiger zu werden, Sonnenlicht brach durch die Äste und auch der Weg war breiter geworden. Partridge schloß daraus, daß sie sich der Landepiste näherten. Er glaubte auch, in der Entfernung das Geräusch eines Flugzeugs gehört zu haben, aber er war sich nicht sicher. Wieder sah er auf die Uhr: fast 7 Uhr 55.

In diesem Augenblick kam von irgendwo hinter ihnen ein kurzes krachendes Geräusch - eindeutig ein einzelner Schuß. Es konnte nur Fernandez gewesen sein, dachte Partridge. Mit diesem Schuß aus der Browning, von der Partridge bewußt den Schalldämpfer abgeschraubt hatte, erwies der verläßliche Kontaktmann den anderen einen letzten Dienst - er warnte sie vor den heranrückenden Verfolgern. Wie zur Bestätigung folgten kurz darauf weitere Schüsse.

Vielleicht glaubten die Verfolger, als sie den vermutlich bereits toten Fernandez am Wegrand liegen sahen, auch die anderen seien in der Nähe, und feuerten wild drauflos. Augenblicke später hörte die Schießerei wieder auf.

Partridge war am Rande der Erschöpfung. In den letzten Stunden hatte er kaum geschlafen und sich das Äußerste abverlangt. Jetzt hatte er Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren.

In einem dieser Augenblicke des gedanklichen Abschweifens merkte er plötzlich, daß er sich nichts sehnlicher wünschte als Entspannung von der permanenten Hektik seines aktionsgeladenen Lebens... Wenn dieses Abenteuer überstanden war, wollte er den abgebrochenen Urlaub fortsetzen, er würde einfach verschwinden und nicht verfügbar sein... Vielleicht sollte er Vivien mitnehmen, die einzige Frau, deren Liebe für ihn erreichbar war. Jessica und Gemma gehörten der Vergangenheit an, Vivien konnte die Zukunft sein. Vielleicht hatte er sie bis jetzt unfair behandelt, vielleicht sollte er doch an eine Heirat denken... Es war noch nicht zu spät... Er wußte, daß Vivien es sehr gern hätte...

Dann zwang er seine Gedanken in die Gegenwart zurück.

Plötzlich endete der Dschungel. Die Landepiste war in Sicht! Über ihren Köpfen kreiste ein Flugzeug - eine Cheyenne. Ken O'Hara - zuverlässig bis zum letzten, dachte Partridge - lud bereits eine grünmarkierte Patrone in die Signalpistole, die er die ganze Zeit bei sich getragen hatte. Grün für Normal landen, alles in Ordnung.

Im selben Augenblick krachten hinter ihnen zwei weitere Schüsse, doch diesmal schon viel näher.

»Schick eine rote Patrone hoch, keine grüne!« schrie Partridge O'Hara zu. »Aber schnell!«

Rot für Schnell landen, wir sind in Gefahr!

Es war bereits einige Minuten nach acht. In der Cheyenne II über der Landepiste drehte sich Zileri zu Rita und Sloane um. »Hier rührt sich nichts«, sagte er. »Wir fliegen jetzt die beiden anderen Treffpunkte an.«

Das Flugzeug drehte ab. Doch plötzlich rief Crawford Sloane: »Moment noch! Ich glaube, ich habe etwas gesehen!«

Zileri nahm wieder Kurs auf die Piste. »Wo?« fragte er.

»Irgendwo da unten«, erwiderte Sloane. »Ich weiß nicht genau, wo. Einen Augenblick lang... habe ich gedacht...« In seiner Stimme war die Unsicherheit deutlich zu hören.

Zileri umkreiste die Piste, und alle vier suchten sorgfältig das Terrain ab. Schließlich sagte der Pilot. »Ich sehe nichts. Ich glaube, wir sollten weiterfliegen.«

In diesem Augenblick schoß eine rote Signalpatrone vom Boden hoch.

O'Hara feuerte eine zweite Patrone ab.

»Das reicht. Sie haben uns gesehen«, sagte Partridge. Die Maschine flog bereits auf die Piste zu. Jetzt mußte er nur noch wissen, aus welcher Richtung das Flugzeug einfliegen würde. Dann könnte er sich die günstigste Position aussuchen, um die Verfolger aufzuhalten, während die anderen an Bord gingen.

Die Absicht des Piloten wurde sofort klar. Die Cheyenne beschrieb eine enge Kurve, verlor dabei rasch an Höhe und würde dicht über ihren Köpfen zur Landung ansetzen. Sie würde schließlich am anderen Ende der Piste zum Stehen kommen, also in entgegengesetzter Richtung zum Dschungelpfad, von dem die Schüsse kamen.

Partridge sah hinter sich, konnte aber trotz der Schüsse die Verfolger noch nicht erkennen. Den Grund für die Schießerei konnte er nur erraten. Vielleicht feuerte einer im Laufen ziellos um sich, in der Hoffnung auf einen Zufallstreffer.

»Lauf mit Jessica und Nicky die Piste entlang und bleib bei ihnen!« rief er O'Hara zu. »Die Maschine wird am anderen Ende umdrehen und zurückrollen. Rennt ihr entgegen und steigt sofort ein. Du auch Minh. Hast du verstanden?«

»Verstanden.« Minh hatte die Kamera am Auge und filmte seelenruhig, wie er es schon mehrmals während der Flucht getan hatte. Partridge beschloß, sich nicht weiter um Minh zu kümmern. Der würde schon selber auf sich aufpassen.

»Und was ist mit dir, Harry?« fragte Jessica besorgt.

»Ich werde euch mit der Kalaschnikow den Rücken freihalten. Sobald ihr an Bord seid, komme ich nach. Aber jetzt los!«

O'Hara legte den Arm um Jessica, die Nicky an seiner gesunden Hand hielt. Zu dritt eilten sie davon.

Im selben Augenblick sah Partridge am Dschungelrand einige Gestalten auftauchen, die mit ihren Waffen im Anschlag auf die Piste zuliefen.

Partridge ließ sich hinter einen kleinen Erdhügel fallen. Er lag auf dem Bauch, stützte die Kalaschnikow ab und nahm die Verfolger ins Visier. Er drückte ab und sah durch das Mündungsfeuer einen der Männer fallen und die anderen hastig in Deckung springen. Gleichzeitig hörte er dicht über seinem Kopf das Dröhnen der Cheyenne II. Er brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, daß sie landete.

»Dort sind sie!« rief Crawford Sloane, beinahe hysterisch vor Aufregung. »Ich kann sie sehen. Es sind Jessica und Nicky!« Mit hoher Geschwindigkeit holperte die Maschine über die unebene Piste.

Das Ende der Rollbahn kam immer näher, und Zileri bremste scharf ab. Er blieb auf der Bremse, gab bei einem Motor Gas und wendete so die Maschine. Dann beschleunigte er wieder beide Motoren, und die Cheyenne rollte in Gegenrichtung die Piste entlang.

An der Stelle, wo Jessica, Nicky und O'Hara warteten, blieb die Maschine stehen. Felipe war bereits aufgesprungen und nach hinten gegangen. Er löste die Verriegelung der Kabinentür und klappte sie auf.

Hilfsbereite Hände halfen zuerst Nicky, dann Jessica und O'Hara ins Flugzeug. Minh kam gelaufen und kletterte hinter den anderen in die Maschine.

Während Sloane, Jessica und Nicky sich leidenschaftlich umarmten, rief O'Hara atemlos: »Harry ist noch da vorn. Wir müssen ihn holen. Er hält die Terroristen in Schach.«

»Hab' ihn schon gesehen«, sagte Zileri. »Kein Problem.« Er gab Gas, und die Maschine schoß vorwärts.

Am anderen Ende der Rollbahn wendete er das Flugzeug erneut. Es stand nun wieder so, wie es gelandet war, startbereit, aber noch mit geöffneter Kabinentür. Wieder hörte man Gewehrfeuer.

»Euer Freund muß sich beeilen.« Zileris Stimme klang eindringlich. »Ich will schleunigst von hier weg.«

»Keine Sorge«, entgegnete Minh. »Er hat uns gesehen und muß gleich da sein.«

Partridge hatte die Maschine gesehen und gehört. Er warf einen kurzen Blick über die Schulter und wußte, daß sie nicht mehr näher kommen würde. Ungefähr hundert Meter lagen zwischen ihm und dem Flugzeug. Wenn er schnell lief und sich geduckt hielt, konnte er es schaffen. Doch zuerst mußte er den Dschungelpfad noch einmal unter Beschuß nehmen, um die Sendero-Leute am Vordringen zu hindern. In den letzten Minuten waren noch mehr Männer aufgetaucht, Partridge hatte geschossen und einen weiteren zu Boden gehen sehen. Die anderen duckten sich in den Schutz der Bäume. Mit einem letzten Feuerstoß hoffte er, sie lange genug dort zu halten, um das Flugzeug erreichen zu können.

Eben hatte er ein neues Magazin in die Kalaschnikow eingelegt. Er drückte ab, hielt den Finger am Abzug und bestrich beide Seiten des Dschungelpfads mit einem tödlichen Kugelhagel. Schon seit Beginn des Schußwechsels spürte er wieder seinen alten Schlachtinstinkt in sich... diesen sinnlichen Kitzel, der ihm das Adrenalin ins Blut jagte und seinen Kreislauf auf Hochtouren brachte... diese unlogische, verrückte Sucht nach den Bildern und den Geräuschen des Krieges...