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»Worüber redet sie da – was für eine Große Weissagung?«, flüsterte Piper Rachel zu.

Dann ging ihr auf, dass auch alle anderen Rachel anstarrten.

Rachels Augen sahen im Licht des Feuers ziemlich unheimlich aus. Piper hatte Angst, sie könnte wieder erstarren und einer ausgeflippten Pfauengöttin als Sprachrohr dienen, aber Rachel trat gelassen vor und wandte sich an die Camper.

»Ja«, sagte sie. »Die Große Weissagung ist eingetreten.«

Die Hölle brach los.

Piper fing Jasons Blick auf. Er fragte lautlos: Alles in Ordnung bei dir? Sie nickte und ihr gelang ein Lächeln, aber dann wandte sie sich ab. Es tat zu weh, ihn zu sehen und nicht bei ihm zu sein.

Als das Stimmengewirr sich endlich legte, trat Rachel wieder einen Schritt auf die Zuhörer zu, und mehr als fünfzig Halbgötter wichen ein wenig zurück, als sei eine einzige magere rothaarige Sterbliche einschüchternder als sie alle zusammen.

»Für die unter euch, die sie noch nicht gehört haben«, sagte Rachel, »diese Große Weissagung war meine erste Prophezeiung. Das war im August. Und sie geht so:

Dem Ruf werden folgen der Halbblute sieben,

die Welt wird sterben in Sturm und Feuer …

Jason sprang auf. Seine Augen sahen irr aus, als wäre ihm soeben ein Elektroschock verpasst worden.

Sogar Rachel wirkte verblüffte. »Jason?«, fragte sie. »Was …«

»Ut cum spiritu postremo sacramentum praestamus«, rief er mit feierlicher Stimme. Et hostes arma ferunt ad ianuam mortis.»

Ein unbehagliches Schweigen machte sich breit. Piper konnte mehreren Campern ansehen, dass sie versuchten, diese Zeilen zu übersetzen. Sie wusste, dass es Latein war, konnte aber nicht begreifen, warum ihr hoffentlich angehender Freund plötzlich psalmodierte wie ein katholischer Geistlicher.

»Du hast gerade … die Weissagung vollendet«, stammelte Rachel. »Ein letzter Atem ist zur Erfüllung des Eides geblieben, und der Feind trägt Waffen zu des Todes Gemäuer. Woher hast du …«

»Ich kenne diese Zeilen.« Jason krümmte sich und hob die Hände an die Schläfen. »Ich weiß nicht, woher, aber diese Weissagung kenne ich.«

»Und sogar auf Latein«, rief Drew. »Sieht gut aus und ist noch dazu gebildet.«

Die Aphrodite-Hütte kicherte. Himmel, was für ein Haufen Loser, dachte Piper. Aber es half, um die Spannung zu lösen. Das Lagerfeuer brannte in einem nervösen Grünton.

Jason setzte sich und sah verlegen aus, aber Annabeth legte ihm eine Hand auf die Schulter und murmelte etwas Beruhigendes. Piper verspürte einen Stich der Eifersucht. Eigentlich müsste sie neben ihm sitzen und ihn trösten.

Rachel Dare sah noch immer erschüttert aus. Sie schaute Chiron Hilfe suchend an, aber der Zentaur stand düster und schweigend da, wie bei einem Schauspiel, das er nicht unterbrechen durfte – eine Tragödie, an deren Ende eine Menge Leute tot auf der Bühne liegen würde.

»Gut«, sagte Rachel und versuchte, ihre Fassung zurückzugewinnen. »Das ist also die Große Weissagung. Wir hatten gehofft, dass sie erst in vielen Jahren eintreten würde, aber es ist so weit. Ich kann euch das nicht beweisen. Es ist nur ein Gefühl. Und wie Drew schon gesagt hat, seltsame Dinge spielen sich ab. Die sieben Halbgötter, wer immer sie sein mögen, haben sich noch nicht versammelt. Ich habe das Gefühl, dass einige davon heute Abend hier sind. Und andere nicht.«

Die Campinsassen rutschten hin und her, murmelten und sahen einander nervös an, als eine verschlafene Stimme rief: »Hier bin ich … ach, war das überhaupt der Appell?«

»Geh wieder schlafen, Clovis«, rief jemand und viele andere lachten.

»Wie auch immer«, sagte jetzt Rachel, »wir wissen nicht, was die Große Weissagung bedeutet. Wir wissen nicht, welcher Herausforderung die Halbgötter sich stellen müssen, aber da die erste Große Weissagung den Titanenkrieg vorhergesagt hat, können wir davon ausgehen, dass die zweite Große Weissagung von etwas ebenso Schlimmem handelt.«

»Oder noch Schlimmerem«, murmelte Chiron.

Bestimmt hatten die anderen das nicht hören sollen, aber sie hörten es. Das Lagerfeuer wurde sofort tieflila, die Farbe aus Pipers Traum.

»Was wir wissen«, sagte Rachel, »ist, dass die erste Phase begonnen hat. Ein gewaltiges Problem ist aufgetaucht und wir müssen es lösen. Hera, die Königin der Götter, ist entführt worden.«

Geschocktes Schweigen, dann redeten fünfzig Halbgötter wild durcheinander.

Chiron stampfte abermals mit dem Huf auf, aber Rachel musste eine Weile warten, ehe sie sich wieder Aufmerksamkeit verschaffen konnte.

Sie berichtete von dem Zwischenfall am Grand Canyon – als Gleeson Hedge sich geopfert hatte, weil die Sturmgeister angriffen und gedroht hatten, das sei nur der Anfang. Sie dienten offenbar einer mächtigen Herrin, die alle Halbgötter vernichten wollte.

Dann erzählte Rachel ihnen, wie Piper in Heras Hütte ohnmächtig geworden war. Piper versuchte, ganz ruhig zu bleiben, sogar als sie sah, dass Drew hinten in der letzten Reihe eine Ohnmacht mimte und ihre Freundinnen kicherten. Schließlich berichtete Rachel von der Vision, die Jason im Wohnzimmer des Hauptgebäudes gehabt hatte. Heras Botschaft darin war Pipers so ähnlich, dass es Piper eiskalt den Rücken hinunterlief. Der einzige Unterschied: Hera hatte Piper davor gewarnt, sie zu verraten. Ergib dich seinem Willen, und ihr König wird sich erheben und uns alle vernichten. Hera wusste von der Drohung des Riesen. Aber wenn das so war, warum hatte sie Jason nicht gewarnt und Piper als feindliche Agentin enttarnt?

»Jason«, sagte Rachel. »Äh … kannst du dich an deinen Nachnamen erinnern?«

Er sah verlegen aus und schüttelte den Kopf.

»Dann nennen wir dich eben nur Jason«, sagte Rachel. »Es ist offensichtlich, dass Hera dir persönlich eine Aufgabe gestellt hat.«

Rachel schwieg einen Moment, wie um Jason die Möglichkeit zu geben, dem zu widersprechen. Aller Augen ruhten auf ihm, und das war ein solcher Druck, dass Piper dachte, sie an seiner Stelle wäre zusammengebrochen. Aber Jason sah mutig und entschlossen aus. Er schob das Kinn vor und nickte. »So sehe ich das auch.«

»Du musst Hera retten, um großes Unheil zu verhindern«, sagte nun Rachel. »Irgendein König darf sich auf keinen Fall erheben. Aus Gründen, die wir noch nicht kennen, muss das bis zur Wintersonnenwende verhindert werden, in nur vier Tagen also.«

»Das ist der Tag, an dem sich der Rat der Götter trifft«, sagte Annabeth. »Wenn die Götter nicht schon wissen, dass Hera verschwunden ist, werden sie spätestens dann ihre Abwesenheit bemerken. Sie werden sich vermutlich gewaltig streiten und sich gegenseitig unterstellen, sie entführt zu haben. So machen sie es normalerweise.«

»Die Wintersonnenwende«, nun ergriff Chiron das Wort, »ist auch der dunkelste Tag. An diesem Tag versammeln sich die Götter, wie die Sterblichen das immer schon getan haben, weil in der Menge Stärke liegt. Die Sonnenwende ist ein Tag, an dem die böse Magie stark ist. Die uralte Magie, älter als die Götter. Es ist der Tag, an dem Dinge … sich rühren.«

So, wie er das sagte, klang »rühren« ungeheuer furchterregend, wie ein grauenerregendes Verbrechen – nicht wie etwas, das man mit einer Suppe macht.

»Na gut«, sagte Annabeth und starrte den Zentauren wütend an. »Danke, das ist uns eine große Beruhigung. Was immer hier vor sich gehen mag, ich stimme Rachel zu. Jason ist ausersehen worden, diesen Auftrag zu leiten, also …«

»Warum ist er nicht anerkannt worden?«, rief jemand aus der Ares-Hütte. »Wenn er so wichtig ist …«

»Er ist anerkannt worden«, schaltete Chiron sich ein. »Schon vor langer Zeit. Jason, zeig es ihnen.«

Zuerst schien Jason nicht begriffen zu haben. Er trat nervös vor, aber Piper konnte nicht ignorieren, wie umwerfend er aussah, wenn seine blonden Haare im Feuerschein leuchteten, seine Züge königlich wie die einer römischen Statue. Er schaute kurz zu Piper hinüber und sie nickte ermutigend. Dann warf sie eine unsichtbare Münze in die Luft.