»Ich dachte, die Bremsflüssigkeit könnte abgelassen worden sein, damit die Bremsen versagen«, erklärte ich. »Oder die Reifen könnten zerstochen worden sein, damit einer platzt, wenn wir schnell fahren. Auf der Strecke nach Quindle kommt alles so aus den Kurven geschossen . wenn man da die Kontrolle verliert, braucht man viel Glück, aber ein Range Rover ist fast wie ein Panzer gebaut - das heißt, dir passiert vielleicht nichts, wenn es zum Unfall kommt, aber die Leute, die du rammst, könnten drauf gehen oder zumindest schwer verletzt werden ... und dann würdest du doch nicht mehr gewählt, oder?«
Mein Vater ließ sich Zeit, bis er sich mir zuwandte und antwortete. »Es waren weder die Bremsen noch die Reifen«, sagte er.
»Es war das Motoröl.«
Er nickte. »Was hältst du davon?«
»Ich glaube«, sagte ich, »Fordham wußte von vornherein Bescheid. Er sagte, er sei Fachmann für Sabotage im Motorsport, und an dem Range Rover hat ihn überhaupt nichts gewundert. Für ihn muß das ein ziemlich klarer Fall gewesen sein.«
»Ich kenne ihn schon lange«, meinte mein Vater lächelnd. »Und was hat er mir nun gesagt?«
Das ist so etwas wie ein Test, dachte ich. Ich konnte nur Vermutungen anstellen, aber jedenfalls sagte ich, was ich vermutete. »Daß jemand die Ablaßschraube entfernt und die Öffnung verstopft hat, damit nicht das ganze Öl rausläuft.«
»Weiter.«
»Der Pfropfen sollte mit Verzögerung herausfallen, damit der Motor im Fahren kein Öl mehr bekommt und sich festfrißt, und da es ein Vierradantrieb ist, hätte sich der Wagen dann nicht mehr steuern lassen und wie ein Felsblock auf der Straße gelegen.«
»Nicht schlecht.«
»Aber Terry - der Mechaniker - hat den Pfropfen einfach durchgestoßen wie man einen Korken in die Flasche drückt, was ich ehrlich gesagt unmöglich finde, und eine neue Schraube eingedreht, bevor er sauberes Öl nachgefüllt hat ... das habe ich dir am Telefon erzählt.«
»Mhm. Und woraus bestand dieser Pfropfen?«
Darüber hatte ich auf der Fahrt durch die Vororte nachgedacht. »Als erstes«, sagte ich zögernd, »dachte ich, es wäre vielleicht etwas Chemisches, das sich mit dem Öl verbindet und es gerinnen läßt oder etwas in der Art, so daß es nicht mehr um die Kolben läuft und die sich festfressen, aber das kann nicht sein, weil der Pfropfen in der Wanne war, als Foster Fordham nach Quindle fuhr und den Motor absichtlich heißlaufen ließ, und
Terry sollte ja dann das Öl ablassen, solange es noch heiß war, deshalb könnte ich mir denken, daß der Pfropfen vielleicht geschmolzen ist und daß Fordham das Öl mitgenommen hat, um nachzusehen, was sich darin findet.«
»Ja«, sagte mein Vater.
»Wenn es nämlich auf der Fahrt nach Quindle gestern in der Wannenöffnung geschmolzen wäre, hätten wir in Minutenschnelle das ganze Öl verloren, und der Motor wäre hin gewesen. Als Terry heute früh das heiße Öl abließ, kam es dünn wie Wasser raus.«
»Fordham sagt, das ist ein alter Trick. So alt, daß ihn im Motorsport keiner mehr bringt.«
»Und ... woraus bestand der Pfropfen?«
»Was glaubst du denn?«
Ich zögerte. »Es muß was ganz Einfaches gewesen sein. Ich meine, ruckzuck improvisiert nach dem Fehlschuß.«
»Also?«
»Vielleicht ist eine Kerze in das Loch gesteckt und abgeschnitten worden. Vielleicht war es Wachs?«
Mein Vater band gelassen seine dezent gestreifte Krawatte. »Foster Fordham wird es uns genau sagen.«
Es war schon erstaunlich, dachte ich, als wir zu dem Streitgespräch mit Bethune ins Rathaus kamen, wie viele Gesichter mir in gerade einmal zwei Tagen vertraut geworden waren.
Orinda, die sich selbstquälerisch wieder die Ehre gab, trug ein goldfarbenes Minikleid mit einer schwarzen Federboa, die sich um ihren Nacken und ihre Arme wand wie die Schlange, nach der sie benannt war, und heischte bewundernde Aufmerksamkeit. Ihre grünen Augen blitzten. Ein Smaragd und ein Diamantarmband glitzerten an ihrem Handgelenk. Ihre glamouröse Erscheinung konnte niemandem entgehen.
Einen Schritt hinter ihr stand wie immer ihr Schatten, der Mann mit dem fast schon wieder vergessenen Namen A. L. Wyvern. A. L., dachte ich, wie Anonymer Liebhaber. Im Smoking im Schlafenden Drachen hatte er nach nichts ausgesehen, und hier im Rathaus, in grauem Anzug und blauem Hemd, stand er ohne jede Ausstrahlung herum.
Die füllige Mrs. Kitchens, in Dunkelblau mit purpurroten Rüschen, wachte adleräugig über »meinen Leonard« und hinderte ihn mit festem Griff, seinen widerwärtigen Schnäuzer in Orindas Nähe zu befördern. Sie winkte fröhlich und warf mir einen zweideutigen Blick zu, von dem ich mich nicht in Verlegenheit bringen ließ.
Mervyn war natürlich auch da und hatte Crystal zum Mitschreiben dabei. Die drei Hexen betätigten sich als Platzanwei-serinnen, und die liebe Polly kam, als sie uns erblickte, freudestrahlend angelaufen und schleifte meinen Vater stolz zu dem erhöhten Lesepult, hinter dem er nachher stehen sollte. Polly war offenbar die Organisatorin des Abends.
Wie mit einem Trompetentusch traf Bethunes Lager ein. Unruhe, ein Raunen und dünner Beifall gingen durch den Saal. Es lebe der Seitensprung, dachte ich.
Paul Bethune war bei Licht besehen ein beleibter und schwerblütig wirkender Mann um die Fünfzig, mit einem Doppelkinn und dem schütteren Haar, das ihn letztlich mehr Stimmen kosten konnte als ein uneheliches Kind. Bei ihm waren ein geschäftiger zweiter Mervyn Teck - wie sich herausstellte, tatsächlich sein Agent - und eine nervöse Frau, die verhuscht von unten herauf in die Welt blickte. Ihr wurde ein Platz in der ersten Reihe zugewiesen, und Polly, die mich energisch herbeiwinkte, stellte sie mir als Isobel, die Frau von Paul Bethune vor.
Isobel schien äußerst unangenehm davon berührt, daß ich nun neben ihr saß, doch ich versicherte ihr mit meinem unverfänglichsten Grinsen, niemand könne sich so fehl am Platz vorkommen wie ich selber.
»Ich bin gerade erst mit der Schule fertig«, sagte ich. »Von Politik habe ich keine Ahnung. Für Sie und Ihren Mann ist das jetzt ja schon der dritte Wahlkampf, habe ich gehört, da wirft Sie das wohl alles nicht so um.«
»Ach je«, sagte sie. »Sie sind ja noch ein Kind. Wie wollen Sie da .«
»Ich bin fast achtzehn.«
Sie lächelte schwach, erstarrte dann plötzlich zu völliger Reglosigkeit, und etwas Schlimmeres als meine Nähe ließ sie blaß werden.
»Was haben Sie, Mrs. Bethune?« fragte ich.
»Dieser Mensch«, sagte sie leise. »Mein Gott.«
Ich folgte mit den Augen ihrem Blick und sah Basil Rudd.
»Das ist nicht Usher Rudd, der Journalist. Es ist sein Cousin Basil Rudd. Er repariert Autos.«
»Doch, doch. Das ist dieser elende Schmierfink.«
»Nein, Mrs. Bethune. Es ist sein Cousin. Sie gleichen sich, aber das ist Basil.«
Zu meinem Entsetzen fing sie an zu weinen. Ich sah mich verzweifelt nach Hilfe um, aber Polly hatte alle Hände voll mit Kabeln für Mikrophone und Fernsehkameras zu tun, und Paul Bethune wandte sich, als er seine Frau so aufgelöst sah, sichtlich ungehalten ab.
Rücksichtsloser Mistkerl, dachte ich. Und dumm dazu. Ein wenig Fürsorglichkeit hätte ihm hier Stimmen eingebracht.
Isobel Bethune stand unsicher auf, suchte in ihrer abgewetzten schwarzen Handtasche vergebens nach etwas, womit sie ihre Tränen trocknen konnte, und ich bot ihr ungeschickt, aber verständnisvoll den Arm, um sie zur Tür zu begleiten.
Sie erging sich auf dem ganzen Weg in nur halb verständlichen Erklärungen ohne rechten Zusammenhang. »Paul hat darauf bestanden, daß ich mitkomme ... Ich wollte nicht, aber er sagte, dann könnte ich ihm gleich einen Dolch in den Rücken jagen ... und jetzt wird er vor Wut kochen, aber was erwartet er denn von mir nach den ganzen Fotos in der Zeitung, von ihm und dem Mädchen ... die hatte noch nicht mal was an, na ja, so gut wie nichts. Ich soll lächeln und so tun, als wäre alles in Ordnung, dabei macht er mich doch zum Gespött, auch wenn ich da vielleicht selbst schuld bin, aber von dem Verhältnis habe ich erst aus der Zeitung erfahren, und er streitet es auch gar nicht ab. >Ja, was verlangst du denn?< sagt er ...«