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Mein Vater dankte seinen treuen Mitarbeitern.

»Egal, was morgen wird«, sagte er, »Sie sollen wissen, wie dankbar ich Ihnen allen bin . für Ihren Einsatz, Ihre unermüdliche Energie, Ihre unverwüstlich gute Laune. Ich danke unserem Koordinator Mervyn für seine hervorragende Planung. Wir haben unser Bestes getan, die Botschaft der Partei rüberzubringen. Jetzt entscheiden die Wähler.«

Er dankte Orinda dafür, daß sie sich auf seine Seite geschlagen hatte. »... Mit ihrer Unterstützung sah alles gleich ganz anders aus ... beruhigend für die Stammwähler ... ungemein großzügig .«

Orinda, herrlich anzuschauen in Smaragdgrün mit goldenem Geschmeide, sah bescheiden drein und genoß es.

Polly gab neben mir fast einen Würgelaut von sich.

Ich schluckte ein Kichern hinunter.

»Glauben Sie nicht, ich hätte vergessen«, sagte sie streng zu mir, »daß Sie aus Orinda, der Feindin, einen Engel gemacht haben. Ich stecke das nur weg, weil die Parteiführung die Begabung Ihres Vaters nutzen möchte. Nach dem Motto: Er muß ran. Genau wie Sie hat mir die Partei praktisch gesagt, ich solle ihm Starthilfe geben, dann wäre er nicht aufzuhalten.«

Aber irgend jemand, dachte ich, hatte versucht, meinen Vater gar nicht zum Start kommen zu lassen. Jedenfalls konnte es sein. Eine Kugel, ein Wachspfropfen, ein Brand aus ungeklärter Ursache. Wer aber war es, der versucht hatte, ihn auf diesem Weg zu bremsen, statt die Entscheidung der Wahlurne zu überlassen? Niemand hatte sich ernstlich bemüht, das herauszufinden.

Nach den Ansprachen kam mein Vater voller Elan zu Polly und mir und setzte sich mit einem erregten Glänzen in den Au-gen. Aus seinem kantigen Gesicht sprach ein wacher Geist. Die dunklen Locken standen ihm quirlig vom Kopf.

»Ich gewinne die Wahl«, sagte er breit lächelnd. »Ich gewinne. Das spüre ich.«

Seine Euphorie übertrug sich auf die ganze Gesellschaft und blieb ihm bis zum Frühstück am nächsten Morgen erhalten. Die Nervosität stellte sich bei der zweiten Tasse Kaffee ein, und eine ganze Stunde schlug er sich mit Bedenken herum, ob er denn wirklich genug gearbeitet habe, ob er nicht mehr hätte tun können.

»Du gewinnst«, sagte ich.

»Aber die Meinungsumfragen ...«

»Die Meinungsumfragen werden nicht mittags in Dorfkneipen gemacht.«

»Der Trend geht in die andere Richtung .«

»Dann werd wieder Geschäftsmann und mehre deinen Reichtum.«

Er sah mich groß an und lachte, und bald darauf fuhren wir die Wahllokale ab, wo man uns sagte, nach der inoffiziellen Befragung der Wähler an den Ausgängen seien die Stimmen ungefähr gleich verteilt, aber wir sollten die Hoffnung nicht aufgeben.

Hier und da stießen wir auf Paul Bethune, der ähnlich unruhig in gleicher Sache unterwegs war. Er und mein Vater waren ausnehmend höflich zueinander.

Die Unruhe hielt den ganzen Tag und den ganzen Abend an. Am Nachmittag regnete es nach wochenlangem Schönwetter heftig. Beide Seiten unkten, nun sei alles zu spät. Beide Seiten dachten, es sei vielleicht ihr Glück. Der Regen hörte auf, als die Fabrikarbeiter Feierabend hatten und zu den Urnen pilgerten.

Um zehn schlossen die Wahllokale, und das Zählen begann.

Mein Vater stand an unserem Zimmerfenster und schaute über den kopfsteingepflasterten Platz zu der ausgebrannten Ruine des Doppelhauses.

»Hör auf, dir Gedanken zu machen«, sagte ich. Als hätte er das gekonnt.

»Sie wollten mich unbedingt, verstehst du?« sagte er. »Die Parteiführung war der Ansicht, meine Erfahrung in der Wirtschaft sollte zum Wohl des Landes eingesetzt werden. Und wenn ich sie jetzt enttäuscht habe?«

»Hast du nicht«, versicherte ich ihm.

Er lächelte schief. »Sie haben mir einen unsicheren Wahlkreis angetragen, um zu sehen, was ich daraus mache. Und ich, ich fühlte mich geschmeichelt! Geschieht mir recht.«

»Vater .«

»Dad.«

»Na schön - Dad. Auch gute Leute verlieren.«

»Herzlichen Dank.«

Zur gegebenen Zeit gingen wir hinüber zum Rathaus, wo die Stimmung keineswegs ruhig, sondern mit Hoffnung und Verzweiflung geladen war. Paul Bethune, umringt von Anhängern mit riesigen Rosetten, lächelte angestrengt. Isobel Bethune, in dunklem Braun, versuchte sich unsichtbar zu machen.

Mervyn unterhielt sich zerstreut mit Paul Bethunes Agent, und ich hätte darauf gewettet, daß beide nicht hörten, was der andere sagte.

Usher Rudd fotografierte gnadenlos.

Es gab vereinzelten Applaus, als mein Vater erschien, und Polly (in Perlmuttgrau) und Orinda (in dramatisch glitzerndem Weiß) rauschten übers Parkett, um ihn persönlich zu begrüßen.

»Mein liiieber George«, jubelte Orinda und hielt ihm ihre glatte Wange zum Kuß hin. »Ja, Dennis ist bei uns.«

Der liiiebe George sah verlegen drein.

»Es läuft ganz gut, George«, sagte Polly aufmunternd.

»Nach den ersten Meldungen ist die Stimmenverteilung ziemlich ausgeglichen.«

Die Auswertung unterlag strengen Sicherheitsvorkehrungen. Nicht einmal diejenigen, die die Kreuze zählten, wußten, wer vorn lag.

Mein Vater und Paul Bethune wirkten entschieden ruhiger, als sie waren.

Nach und nach füllte sich das Rathaus mit Anhängern beider Lager. Nach Mitternacht, gegen eins schon, versammelten sich die vier Kandidaten und ihre engsten Anhänger nervös auf dem Podium und lächelten gekünstelt. Paul Bethune spitzte gereizt nach seiner Frau, aber sie hatte sich gut im Publikum versteckt. Orinda stand wie selbstverständlich neben Vater auf dem Podium, wenn auch Polly, die mit mir unten stand, meinte, daß ich dort oben hingehörte, nicht diese ... diese ...

Ihr fehlten die Worte.

Mein Vater sagte mir hinterher, daß den Kandidaten - wahrscheinlich, damit keiner losheulte - das Ergebnis gesteckt worden war, bevor sie sich der Öffentlichkeit stellten, aber anzumerken war ihnen das nicht.

Schließlich wuselte sich der Kreiswahlleiter (dem es oblag, das Ergebnis zu verkünden) zur Bühnenmitte durch, tippte ans Mikrophon, um zu hören, ob es funktionierte, grinste in die Fernsehkameras und bat ganz unnötig um Ruhe.

Er zog seinen großen Auftritt in die Länge, indem er umherblickte, als wolle er sich vergewissern, daß wirklich alle, die es anging, auf dem Podium waren, und verlas endlich langsam, inmitten der Stille klopfender Herzen, das Ergebnis.

In alphabetischer Reihenfolge:

Bethune ... soundso viel tausend.

Juliard ... soundso viel tausend.

Titmuss ... soundso viel hundert.

Whistle . neunundsechzig.

Das zu verarbeiten, dauerte einen Moment. Der Wahlleiter verbat sich ein voreiliges Hurra aus dem Publikum mit strengem Blick und führte seine Aufgabe zu Ende.

George Juliard ist somit gewählt ...

Der Rest ging in Beifall unter.

Polly faßte es in Zahlen. »Er hat mit knapp zweitausend Stimmen gewonnen. Ist das toll!«

Polly küßte mich.

Auf dem Podium küßte Orinda schmatzend den neuen Abgeordneten.

Das war zuviel für Polly, die mich stehenließ, um zu ihm zu eilen.

Dafür hatte ich plötzlich die arme, traurige Isobel Bethune an meiner Seite.

»Guck sich einer diese Schlampe neben Ihrem Vater an; als hätte sie die Stimmen reingeholt.«

»Geholfen hat sie schon.«

»Sie selbst hätte aber nicht gesiegt. Ihr Vater hat die Wahl gewonnen. Gegen meinen Paul. Der hat klar verloren. Ihr Vater hat nie auf seine Geliebte angespielt, mit keinem Wort, obwohl sich das anbot, aber die Öffentlichkeit vergißt so was nicht. Schmutz bleibt eben hängen.«

»Mrs. Bethune .«