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»Wenn das der Fall ist, Herr,« sagte Richard, als der Kapitän eben an sein Lager trat, »dann wird Euer humaner Sinn Euch geneigt machen, anzuhören, was ich zu sagen habe.«

»Wer zum Teufel seid Ihr?« fragte der Kapitän, während er sein eines glühendes Auge auf Richard heftete und sein Gesicht die Miene wilden Hohnes annahm, für die es vorzüglich geschaffen zu sein schien.

»Ich heiße Middlemas und komme von Schottland. Ich bin durch ein Versehen hierhergekommen – ich bin kein Gemeiner und auch gar nicht krank.«

»Na, mein lieber Freund, hier handelt es sich bloß darum, seid Ihr als Rekrut in die Werbeliste eingeschrieben worden?«

»Jawohl, in Edinburgh, aber ...«

»Na zum Satan, was wollt Ihr denn? Ihr steht in der Werbeliste – der Kapitän und der Doktor haben Euch hierher geschickt – die wissen doch wohl am besten, ob Ihr Offizier seid oder Soldat, und ob Ihr krank seid oder gesund.«

»Aber es sind mir Versprechungen gemacht worden,« sagte Middlemas, »Versprechungen von Tom Hillary ....«

»So? Versprechungen sind Euch gemacht worden? Hier ist nicht ein einziger, dem nicht von dem oder jenem irgendwelche Versprechungen gemacht worden wären. Na dann guten Morgen. Der Doktor macht gleich die Runde und wird euch alle kurieren.«

»Bleibt nur noch einen Augenblick! Ich bin bestohlen worden!«

»Bestohlen? Ei, seht an! Jeder, der hierher kommt, ist bestohlen worden. Bei Gott, ich bin der glücklichste Kerl von ganz Europa, andre Leute meines Standes kriegen lauter Spitzbuben und Diebe unter die Fuchtel, ich aber habe lauter ehrliche und anständige Herren, die selber samt und sonders bestohlen worden sind. – Na, guten Morgen.«

Er ging weiter. Richard wollte ihm nachrufen, aber die Stimme versagte ihm vor Durst und Aufregung. Ihm war, als sollte er den Verstand verlieren. Sein Mund war wie mit Asche gefüllt, Schwäche überfiel ihn, es summte und klang ihm in den Ohren, und für den Augenblick schien das Leben von ihm gewichen.

Zehntes Kapitel

Als Middlemas wieder zu sich kam, fühlte er, daß sein Blut ruhiger umlief, das Fieber nachgelassen hatte, und seine Lungen freier atmeten. Ein Hilfsarzt stand bei ihm und verband ihm eine Ader, aus der eben eine beträchtliche Menge Blutes genommen worden war. Ein andrer, der dem Kranken das Gesicht gewaschen hatte, hielt ihm eine stark riechende Essenz unter die Nase.

Richard schlug die Augen auf und erkannte in dem erstern seinen Lehrkameraden Adam Hartley, der ihm rasch einen Wink gab, sich nichts merken zu lassen.

»Ich muß jetzt gehen,« flüsterte Hartley ihm in einem unbewachten Augenblick zu, »aber faßt Mut – ich glaube ich kann Euch helfen – inzwischen nehmt von niemand Speise oder Trank an als von meinem Diener, den Ihr dort den Schwamm halten seht. Ihr seid hier an einem Orte, wo vor kurzem einer wegen einem Paar goldner Hemdknöpfe ermordet worden ist.«

»Wartet einen Augenblick!« sagte Middlemas, »ich will dann das hier in Sicherheit bringen, um meine Nachbarn nicht in Versuchung zu bringen.«

Mit diesen Worten zog er aus seiner Unterjacke ein kleines Päckchen hervor und reichte es Hartley.

»Wenn ich sterbe, mögt Ihr mein Erbe sein,« setzte er hinzu.

Die rauhe Stimme Seelencoopers verhinderte Hartley zu antworten.

»Na, Doktor, werdet Ihr Euren Patienten durchbringen?«

»Es war eine recht bedenkliche Ohnmacht,« erwiderte der Doktor, »Ihr müßt ihn in das bessre Krankenzimmer schaffen lassen, mein Gehilfe soll ihn dort pflegen.«

»Na, wenn Ihr es befehlt, so muß es ja wohl geschehen, Doktor, ich kann Euch aber sagen, es gibt einen, und wir kennen ihn beide, der hat mindestens tausend Gründe, daß der Bursch im allgemeinen Krankensaal bleibt.«

»Was gehen mich Eure tausend Gründe an?« entgegnete Hartley. »Ich kann Euch nur sagen, der junge Mann ist ein so gesunder und kräftiger Bursche, wie die Gesellschaft kaum einen zweiten unter ihren Rekruten hat. Es ist meine Pflicht, ihn für den Dienst zu retten, und wenn Ihr meine Weisungen nicht gehörig befolgt und er dadurch zugrunde geht, so könnt Ihr Euch darauf verlassen, daß ich dem General Bericht erstatte. Laßt daher den jungen Mann recht sorgfältig behandeln, Ihr habt die Verantwortung.«

Mit diesen Worten verließ er das Lazarett.

Richard hatte von diesem Gespräch genug vernommen, um neue Hoffnung auf Befreiung zu fassen. Die Hoffnung wurde noch bestärkt, als er gleich darauf in ein besonderes Krankenzimmer gebracht wurde, ein reinliches Gemach, in welchem sich nur zwei Patienten, anscheinend Unteroffiziere, befanden.

Obwohl er recht gut wußte, daß er nicht krank war, so hielt er es doch für das klügste, sich als Kranken behandeln zu lassen, weil er so unter der Obhut seines einstigen Gefährten bleiben konnte. Während ihm so Hartleys Dienste sehr willkommen waren und er sie zu seinem Besten zu nutzen entschlossen war, beherrschte ihn im geheimen doch das undankbare Gefühclass="underline" Konnte mich der Himmel nicht anders retten als durch die Hände dessen, den ich von allen Menschen auf Erden am wenigsten leiden mag?

Es erfordert eine nähere Darlegung, auf welche Weise Hartley in die Lage gekommen war, ihm in dieser Not behilflich zu sein.

Unsere Erzählung spielt zu einer Zeit, in der die Direktoren der Ostindischen Gesellschaft, in jener kühnen und zielbewußten Politik, der das britische Reich seine gewaltige Machtentfaltung im Orient verdankt, den Beschluß faßten und durchführten, bedeutende Verstärkungen europäischer Truppen zur Sicherung und Befestigung ihrer Stellung in Indien dorthin zu senden. Diese war damals durch den berühmten Haidar Ali bedroht, der nach Entthronung seines Fürsten die Regierung im Königreich Maisur an sich gerissen hatte.

Für diesen Dienst Rekruten zu werben, war mit großen Schwierigkeiten verknüpft. Die Leute zogen den Militärdienst des Königs vor, und die Gesellschaft erhielt nur das allerschlechteste Material an Mannschaften, trotzdem ihre Agenten nicht die geringsten Bedenken hegten, die dreistesten Mittel, die oft an Verbrechen grenzten, bei ihren Werbungen anzuwenden.

Die Methode des Seelenkaufes oder, wie man es zu nennen pflegte, des Menschenfanges, war damals in der Tat im höchsten Schwange, und zwar nicht allein für den Kolonialdienst, sondern auch für den königlichen Garnisondienst. Da die Agenten, denen die Werbung oblag, natürlich durchaus gewissenlos vorgehen mußten, so kamen nicht allein viele Niederträchtigkeiten und Schlechtigkeiten vor, sondern es geschah ab und zu sogar ein Fall von Beraubung und Ermordung.

Solche Grausamkeiten und Verbrechen ließ der Staat nicht verfolgen, da es für ihn das oberste Gesetz war, Soldaten zu bekommen, und der Zweck hier die Mittel heiligte.

Die so gesammelten Truppen wurden zunächst insgesamt auf der Insel Wright untergebracht. Die Jahreszeit war ungesund und die Leute meistens auch von wenig widerstandsfähiger Natur, herabgekommen und elend, und so brach unter ihnen eine bösartige Seuche aus, die das Militärlazarett rasch überfüllte, dessen Verwaltung dem Kapitän Seelencooper, einem alten und erfahrenen Werbeoffizier, übertragen worden war.

Mehrere Ärzte wurden von der Direktion der Gesellschaft nach der Insel gesandt. Unter diesen befand sich auch Hartley, der in einer Prüfung vor einer medizinischen Kommission seine Fähigkeit bewiesen hatte und außerdem ein Doktordiplom der Universität Edinburgh besaß.

Um in die geworbene Mannschaft Manneszucht hineinzubringen, übertrug die Direktion einem ihrer Mitglieder, dem General Witherington, unbeschränkte Vollmacht. Der General war ein Offizier, der sich im Dienste der Gesellschaft schon in hohem Grade ausgezeichnet hatte. Vor etwa sechs Jahren war er als steinreicher Mann aus Indien zurückgekehrt und hatte sein Vermögen noch durch die Heirat mit einer sehr reichen Erbin vermehrt.

Sie verkehrten indessen wenig in der vornehmen Welt und schienen nur für ihre Kinder, zwei Knaben und ein Mädchen, zu leben. Obgleich der General sich schon vom Dienst zurückgezogen hatte, übernahm er doch gern den ihm erteilten Auftrag und mietete sich ein gutes Stück außerhalb der Stadt Ryde ein. Er teilte seine Truppen in verschiedene Körper, ernannte fähige Offiziere und war bestrebt, durch regelmäßigen Dienst und Unterricht Disziplin zu schaffen.