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»Sehr liebenswürdig«, versetzte die Begum. »Aber Miß Gray ist ausgegangen. Sie kommt auch vor zwei Tagen nicht wieder, Ihr könnt mir ja sagen, was ich ihr bestellen soll.«

»Verzeiht, Madame,« antwortete Hartley, »Ihr irrt Euch wohl in Euren Angaben, denn dort kommt die Dame selbst.«

»Was soll das heißen«, wandte sich die Frau an Marie Gray, die eben eintrat. »Seid Ihr denn nicht auf ein paar Tage weg, wie ich dem Herrn sagte? Mais c'est égal! – es macht nichts! Ihr werdet zu Monsieur sagen, wie geht's und adieu. Der Herr ist so artig, sich nach unserem Befinden zu erkundigen, und da er sieht das es uns beiden ganz gut geht, so kann er sich wieder nach Hause scheren.«

»Ich habe mit diesem Herrn zu sprechen«, sagte Marie Gray kurz. »Geht in den Garten, Herr Hartley, und Ihr, Madame, könnt uns vom Fenster beobachten, daß nichts geschieht, was gegen die Sitten des Landes verstößt.«

Mit diesen Worten schritt sie durch eine Gittertür nach dem Garten. Die Königin von Saba, bei aller Unverfrorenheit ihrer Natur durch Maries Gleichmut und Ruhe aus der Fassung gebracht, ließ es ohne Widerrede geschehen und verließ in unverhohlenem Verdruß das Zimmer.

»Welch ein Zusammentreffen!« begann Hartley sogleich. »Liebste Marie – entschuldigt, wenn ich Euch noch so anrede wie vor der Zeit, die wir uns nicht gesehen haben – Euer Vater –«

»Er ist tot, Herr Hartley«, antwortete sie weinend. »Als er keinen Assistenzarzt mehr hatte, war die Arbeit zu viel für ihn – er erkältete sich, und Ihr wißt ja, an sich dachte er immer zuletzt, wenn ihm etwas fehlte, so wurde denn die Krankheit gefährlich und endete schließlich mit dem Tode. Das schmerzt auch Euch, Herr Hartley, freilich, mein Vater hatte Euch sehr lieb...«

Hartley schwieg eine Weile in stillem Kummer. Der Gedanke fuhr ihm durch den Sinn, daß dem wackeren alten Herrn vielleicht ein längerer Lebensabend beschert gewesen wäre, wenn Marie sich seinen Wünschen hätte fügen können, aber er sprach ihn nicht aus, und fragte erst nach einer Weile:

»Wie kommt es aber, daß ich Euch hier sehe, hier und bei diesem Weibe?«

»Sie ist allerdings nicht so, wie ich es erwartete,« antwortete Miß Gray, »aber ich darf auf fremdländische Sitten hin kein Vorurteil fassen, da ich den entscheidenden Schritt einmal getan habe. Sie ist sonst auch aufmerksam und freundlich. In kurzem, werde ich ja auch –« sie machte eine Pause und fügte dann hinzu: »unter zuverlässigerem Schutze stehen.«

»Unter dem Schutze Richard Middlemas'?« fragte Hartley mit stockender Stimme.

»Ich sollte vielleicht nicht antworten auf diese Frage, aber ich kann mich nicht verstellen, und wem ich mein Vertrauen schenke, dem vertraue ich auch ganz. Nun ja, Ihr habt richtig geraten, Herr Hartley«, sagte sie errötend. »Ich bin hierher gekommen, um mein Schicksal mit dem Eures einstigen Kameraden zu vereinen.«

»Es ist also, wie ich fürchtete!« rief Hartley, »Miß Gray, Eure Handlungen und Beweggründe werden stets die eines Engels sein, aber ich bitte Euch, faßt diesen so sehr wichtigen Schritt mit kühler Ruhe und Klugheit ins Auge. Habt Ihr denn wohl bedacht, in was für unausbleibliche Gefahren Ihr Euch begebt, wenn Ihr so einem Manne folgt, der – ich will Euch nicht wehe tun – der vielleicht – wenigstens hoffe ich daß trotz allem doch – die Gunst, die Ihr ihm schenkt, verdient?«

»Nach dem Tode meines Vaters, der, wie Ihr Euch denken könnt, arm gestorben ist, stand ich verlassen und mittellos da«, sagte Miß Gray. »In dieser Lage erhielt ich einen Brief von Herrn Middlemas. Er teilte mir mit, daß er nicht gewagt habe, mir zu schreiben, solange es ihm schlecht gegangen sei, da er mir nicht habe zumuten wollen, sein Elend zu teilen, jetzt aber hätte er seinen reichen Anteil an dem Überfluß eines mächtigen Fürsten, unter dessen Schutz er stünde, und der weise genug sei, die Europäer, die in seine Dienste träten, in Ehren zu halten. Jetzt bäte er mich, nach Indien zu kommen und sein wiederauflebendes Glück zu teilen. Er schickte mir eine beträchtliche Geldsumme mit. Eine achtbare Dame bezeichnete er mir, die mich auf der Überfahrt in ihre Obhut nehmen würde, und hier in Madras würde mich Madame Montreville, eine Dame von Rang, die in Maisur bedeutende Güter und auch großen Einfluß besäße, in Empfang nehmen und mich sicher in das Gebiet Haidar Alis geleiten. Ich habe Middlemas sehr lieb gehabt und – warum sollte ich es leugnen? – ich liebe ihn noch. Was hätte ich also tun sollen? Ich trug kein Bedenken, mich ihm anzuvertrauen. Wenn nicht eine innere Stimme mich an mein Versprechen gemahnt hätte, so hätte vielleicht mein Stolz die Oberhand behalten und ich hätte gewartet, bis mein Geliebter persönlich gekommen wäre und mich geholt hätte.«

»Noch jetzt,« bat Hartley, »seid bei allem Großmut gegen Euren Geliebten gerecht. Hört mich an, ich glaube, es ist nicht gut, daß Ihr Euch in den Schutz dieser Frauensperson begeben habt. Ich kenne viele Damen von höchstem Range hier in der Kolonie, sie werden alle Euch gern aufnehmen und Euch Gastfreundschaft gewähren, wenn ich ihnen Eure Angelegenheit mitteile, bis es Eurem Geliebten möglich sein wird, seinen Anspruch auf Eure Hand vor aller Welt geltend zu machen. Ich selbst will ihm keinen Anlaß geben, Euch mißzutrauen, Miß Marie. Erklärt Euch nur bereit, meinen Vorschlag anzunehmen, und sobald ich Euch dann in einem ehrenwerten Hause in sichere Obhut gebracht habe, will ich selber Madras verlassen und nicht eher zurückkehren, als bis Euer Schicksal in der einen oder anderen Weise dauernd gesichert ist.«

»Nein, Hartley,« antwortete Miß Gray, »Euer Rat ist gewiß recht gut gemeint, aber es wäre doch von mir schlecht gehandelt, wenn ich meine Angelegenheiten auf Kosten Eurer Aussichten fördern wollte. Ich danke Euch – aber es ist nun Zeit, daß wir uns wieder trennen.«

»Teuerste Marie!« rief Hartley, indem er aufs Knie sank und die Hand, die sie ihm reichte, an die Lippen drückte. »Gott segne Euch, denn Ihr verdient den Segen! Und Gott schütze Euch, denn Ihr werdet bald des Schutzes bedürfen. Wenn es anders kommt, als Ihr hofft, so schickt unverzüglich nach mir, und wenn noch ein Mensch Euch Hilfe zu bringen vermag, so rechnet auf Adam Hartley!«

Er reichte ihr eine Karte, die seine Adresse enthielt, dann stürzte er hinaus. Er eilte aus der schwarzen Stadt unter dem Eindruck der festen Überzeugung, daß Marie Gray das Opfer eines schändlichen Betruges sei, und fester als je stand in ihm der Entschluß, ihr beizustehen, soweit in seinen Kräften stünde, und sein Leben für sie in die Schranken zu schlagen.

Achtzehntes Kapitel

Als Hartley den Garten des indischen Hauses verlassen hatte, begab sich auch Miß Gray in das für sie bestimmte Gemach zurück. Sie fühlte sich auch zu heimlichem und bangem Nachdenken gestimmt. Alle Liebe und alles Vertrauen zu Middlemas vermochten sie nicht, sich über die Bedenken hinwegzusetzen, die sie vor ihrer zweifelhaften Beschützerin hegte. Das Wesen dieser Abenteurerin, ihre mannhafte Redeweise und ihr großtuerisches Benehmen erfüllten sie mit Widerwillen.

Kaum war Hartley weg, und kaum hatte Marie den Garten verlassen, so traten aus einem nahen Gebüsch, wo sie gelauscht zu haben schienen, Madame Montreville und ein schwarzer Diener hervor.

»Ich bin überzeugt,« sagte die Dame, »dieser – wie heißt er doch – dieser Hartley ist ein Ekel und mischt sich in alles. Was hat er hier zu suchen? Sie mag ihn ja gar nicht. Ist es seine Sache, wer sie kriegt? Ich wünschte, wir wären wieder über die Ghat hinweg, mein teurer Sador.«

»Ich für mein Teil,« erwiderte der Sklave, »habe wenig Lust, noch einmal dieses Gebirge zu überschreiten. Wißt, Adele, der von uns entworfene Plan fängt an, mir herzlich widerlich zu werden. Die vertrauensvolle Reinheit dieses Geschöpfes, nennt es nun Weib oder Engel, macht mir meine Schliche in meinen Augen so erbärmlich, daß ich fühle, ich tauge nicht zum Gefährten all der tollkühnen und niederträchtigen Intriguen, in die Ihr mich hineinzieht. Wir wollen auseinandergehen – wir können es jetzt noch in gutem Einvernehmen.«