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Hartley sprach in achtungsvollstem und bescheidenstem Tone den üblichen Gruß:

»Salem aleikum!«

Der ihm bekannte Barak el Hadschi schien nicht geneigt, die gleiche Vertraulichkeit anzunehmen, die er ihm seinerzeit in Madras bezeigt hatte. Er warf einen Blick auf seinen älteren Gefährten und wies auf einen Teppich, auf den sich Hartley der Sitte gemäß mit gekreuzten Beinen niedersetzte.

Mehrere Minuten lang herrschte tiefes Schweigen. Hartley kannte die Gepflogenheiten des Orients zu gut, um zuerst das Wort zu ergreifen. Er wartete, bis er zum Reden aufgefordert wurde.

Dies geschah von seiten Baraks.

»Als der Pilger Barak,« sagte dieser, »in Madras wohnte, da waren Augen und Zunge sein. Jetzt aber ist er untertan dem heiligen Vater Scheich Ali ben Kaledun, dem Vorsteher seines Klosters.«

Diese Unterwürfigkeit vermochte Hartley nicht mit der früheren Behauptung Baraks, in Seringapatam großen Einfluß zu besitzen, in Einklang zu bringen. Er wandte sich daher an den älteren Fakir und berichtete in kurzen Worten von dem schändlichen Plan, ein englisches Mädchen Tippu Sahib in die Hände zu liefern, sie mit Gewalt zu einer Houri seines Harems zu machen, und ersuchte sie, sich für die Unglückliche bei dem ehrwürdigen Vater des Prinzen zu verwenden.

Der ältere Fakir hörte ihn mit unerschütterlicher Ruhe an, regungslos wie ein Holzbild auf den Bittsteller herabblickend.

»Glaubt Ihr,« fragte er nach einer Pause, »daß der Nawwab Haidar Ali Chan Vahadur seinem Sohne Nippu, dem Siegreichen, den Besitz einer ungläubigen Sklavin streitig machen wird?«

»Der Nawwab ist der Stellvertreter des Propheten«, sagte Hartley und senkte das Haupt. »Er ist der Richter über Niedrige und Hohe und der Ruhm seiner Gerechtigkeit geht von Pol zu Pol.«

Eine lange Pause trat ein – der altere Fakir schien von den Worten Hartleys angenehm berührt.

»Hast du, Feringi,« fragte er dann, »sonst von einem Verrat gehört, den dieser Kafir (Ungläubige) gegen den Nawwab Bahadur im Schilde führt?«

»Von einem Verräter kommt Verrat,« antwortete Hartley, »wenn ich aber bei der Wahrheit bleiben soll, so ist mir ein verräterischer Plan nicht bekannt.«

»Wahr sind die Worte dessen,« erwiderte der alte Fakir, »der seinen Feind nur insoweit anklagt, als er die Anklage vertreten kann. Was du gesagt hast, soll dem Nawwab vorgetragen werden. Wer Ausgang wird sein, wie Allah und er es wollen. – Friede sei mit dir!«

»Der Segen Allahs geleite dich!« setzte Barak hinzu.

Damit war Hartley verabschiedet.

Diese Zusammenkunft war nicht dazu angetan, ihn mit Zuversicht zu erfüllen, und als er nach seinem Khan, wie dortzulande die Einkehrhäuser heißen, zurückgekehrt war, hatte er die Überzeugung, daß er auf die Dienste dieser Fakire nicht allzu sicher bauen könne, und faßte ohne Zaudern den Entschluß, auf der Stelle nach Bangalur weiter zu reisen, um dem Fürsten Tippu selber zu Füßen zu fallen und die Rettung seiner Geliebten zu erflehen.

Zwanzigstes Kapitel

Als er vor dieser schönen und bevölkerten Stadt anlangte, sah er eine Meile etwa vor ihren Wällen ein Lager aufgeschlagen – auf dem Gipfel eines Hügels. Zelte aus Seide und Gold und Speere mit vergoldeten Spitzen und Pfähle mit vergoldeten Kugeln boten ein prächtiges Bild.

Dies war das Lager der Begum Muti Mahul, wie die Königin von Saba oder die Madame Montreville bei den Eingeborenen hieß.

Hartley ging traurig im Schatten einiger Magnolien auf und nieder, in Gedanken über seine Geliebte und seine eignen Aussichten. Das Bewußtsein, ihr so nahe zusein, erhöhte noch die Bitternis seines Schmerzes, denn hier erst war es ihm so recht klar, wie gering die Hoffnung war, sie retten zu können. Ein Liebhaber von romantischer Sinnesart wäre vielleicht auf den Gedanken gekommen, sie durch List oder Gewalt zu retten, aber Hartley war zwar ein mutiger Mann, hatte aber keinen Hang zu Abenteuern und würde jeden derartigen Gedanken von sich gewiesen haben.

Wahrend er noch in solche Gedanken versunken, auf und ab ging, riß ihn Geschützdonner, der von den Bastionen der Stadt herunterklang, aus seiner Schwermut. Gleichzeitig sah er von Norden her eine Schar Reiter heransprengen, durch den Staub hindurch erkannte er auch Elefanten und königliche Banner, und konnte nun nicht mehr länger im Zweifel sein, daß er hier die Rückkehr Tippu Sahibs mit ansah.

Aus der Stadt scholl lauter Jubel herüber, während der ganze Schwarm zu den Toren hineinbrauste.

Bald darauf ritten Boten ins Lager der Begum und meldeten ihr, daß der Fürst zum Orte der Zusammenkunft seinen Garten vor der Stadt bestimme und daß die Zusammenkunft stattfinden sollte zur Mittagszeit des folgenden Tages. Dies war die Antwort auf die Anfrage der Boten der Begum, die den Fürsten vor seinem Palast kniend erwartet hatten.

Genau zur Mittagsstunde des nächsten Tages verkündete Kanonendonner, daß Tippu seinen Elefanten bestiegen habe. Der tiefe Klang der Staatstrommel tönte weithin. Dann kam zu den Toren hinaus die feierliche Prozession in all der überschwenglichen Pracht des Orients.

Tippu selber ritt reich geschmückt auf seinem Elefanten in einer aus Silber und Gold kostbar gearbeiteten Sänfte. Hinter ihm ritt die große Schar der Hofschranzen, die alle aufs glänzendste gekleidet waren.

Kaum war der Prinz Tippu, in den fürstlichen Gärten angelangt, von seinem Elefanten gestiegen und hatte in seinem Staatspavillon sich auf den Thron niedergelassen, so nahte auch schon die stattliche Gestalt der Begum sich dem Orte der Zusammenkunft.

Da ihr Elefant an den Toren zurückgelassen worden war, ließ sie sich in einer offnen Sänfte von sechs Sklaven tragen. Sie war in Seide und über und über mit reichem Zierat beladen.

Als General der Begum schritt neben ihrer Sänfte Richard Middlemas. Er war in der Tracht eines indischen Höflings.

Die Sänfte machte Halt, als sie vor dem Throne Tippus angelangt war. Das Geleit der Begum, das einen prächtigen Aufzug bildete, bestand nur aus Männern, und dem Anschein nach war keine Frauensperson in ihrem Gefolge. Nur eine geschlossene Sänfte erregte Aufsehen, die von zwanzig schwarzen Sklaven mit gezogenen Säbeln bewacht wurde.

Als Tippu durch den dünnen Sprühregen des Springbrunnens, der vor seinem Pavillon eine kristallne Säule aufsteigen ließ, die Sänfte der Begum sich nähern sah, erhob er sich von seinem Thron und ging ihr bis zum Fuße seines Sessels entgegen. Dort wurden die üblichen feierlichen Begrüßungen ausgetauscht.

Alsdann geleitete er sie zu dem Kissen, das neben seinem Sessel in seltener Ehrerbietung für sie hingebreitet war. Die Höflinge Tippus machten den Höflingen der Begum Platz, und alle ließen sich auf dem Teppich, die Beine kreuzend, nieder, Middlemas nahm hierbei einen Ehrenplatz ein.

Weiter hinten standen die Leute geringerer Bedeutung, und unter sie hatte Hartley sich gemischt. Unmöglich ließen sich die Gefühle beschreiben, die Hartley beim Anblick des abtrünnigen Middlemas und der Frau Montreville empfand. Er fühlte den Mut in sich, mitten unter die Versammlung zu treten und an eine Gerechtigkeit zu appellieren, die im ganzen Lande sprichwörtlich sei.

Der Prinz hatte inzwischen in leisem Tone mit der Begum gesprochen, jetzt schloß er mit deutlich vernehmbarer Stimme:

»Um die Dienste zu lohnen, die uns die mächtige Begum Matti Mahul, die schön ist wie der Mond und weise wie die Tochter Dschemschids, und ihr General uns erwiesen haben, nehmen wir auf ihr Gesuch hin diesen ihren General als einen unsers Vertrauens würdigen Helden in unsre Dienste und belehnen ihn mit der Würde des Kommandanten in unsrer geliebten Hauptstadt Bangalur.«

Kaum waren diese Worte verklungen, als sich aus dem Haufen des herumstehenden Volkes eine Stimme vernehmen ließ, die laut rief: