Выбрать главу

»Ist das altschottische Poesie?« fragte Waverley die neben ihm reitende Miß.

»Das glaube ich nicht,« versetzte die Gefragte, »der arme Schelm hatte einen Bruder, dem, wie man im Dorfe wissen wollte, große Gaben innegewohnt hätten, wie wenn ihn Gott dadurch hätte entschädigen wollen für den herben Mangel, den er litt. Ein Onkel hatte ihn für die Kirche heranbilden lassen, aber es war ihm nicht beschieden gewesen, es zu einer Anstellung zu bringen, weil er auf unserm Grund und Boden gebürtig war. Darüber versank er in Schwermut. Mein Vater hat ihn bis zu seinem Tode unterstützt, der ihn schon früh ereilte. Er blies die Flöte wunderbar und besaß eine große Neigung zur Poesie. Seinen Bruder liebte er innig, und dieser begleitete ihn wie sein Schatten. Von ihm mag wohl David   wenigstens glauben wir das   den Schatz von Liedern haben, über den er verfügt, denn es sind nur wenige darunter, die in unsrer Gegend heimisch sind.... Wenn wir ihn aber einmal fragen, woher er sie weiß, dann stimmt er ein lautes Gelächter an oder bricht in lautes Wehklagen aus und fängt zu weinen an. Aber irgend welche Antwort haben wir nie von ihm bekommen, und den Namen seines Bruders hat er nie wieder ausgesprochen, seit der Tod ihn von ihm gerissen hat.«

»Durch eindringlicheres Ausfragen,« sagte Edward, »würde man schon mehr von ihm erfahren.«

»Vielleicht,« erwiderte Miß Rosa, »aber mein Vater will es nicht erlauben, daß David durch solches Ausfragen in seinen Empfindungen verletzt werde.«

Unterdessen hatte der Baron mit Saundersons Beistand und Hilfe ein paar gewaltige Kanonenstiefel angezogen und forderte nun unsern Helden auf, ihm zu folgen. Er polterte die gewaltige Treppe hinunter und schlug dabei mit dem Stiel seiner gewaltigen Reitpeitsche auf das gewaltige Geländer und brummte dabei mit der Miene eines Chasseurs aus der Zeit Ludwigs des Vierzehnten:

Pour la chasse ordonnée,

il faut préparer tout,

Ho, la ho!

Vite, vite, debout!

Für die Jagd, die befohlen,

gilts alles zu richten.

Hollaho! hollaho   flott, flott!

aufs Roß! aufs Roß!

Zwölftes Kapitel

Hoch zu Roß, auf seinem muntern und gut zugerittnen Gaule, mit Demi-Pique-Sattel und Schabracke drauf, die ganz zu dem Kostüm paßte, das er als Reiter trug, machte der Baron von Bradwardine keine üble Erscheinung, freilich der alten Schule. Er trug den lichtfarbnen, gestickten Rock mit der reich bordierten Weste; auf der stolz getürmten Perücke thronte das schmucke, mit Tressen besetzte Jägerhütlein mit breiter Krempe, kurz: die Tracht der Zeit paßte vortrefflich zu diesem Manne der Zeit. Begleitet wurde er zudem von zwei Dienern, beritten gleich ihm, und ebenfalls, wenn auch nicht mit der Pracht wie er, gut ausstaffiert, und mit langen Reiterpistolen in den Halftern.

In solchem Anzug ging es querfeldein, über Berg und Tal, an alten Pachthöfen vorbei, zum Staunen der Insassen, bis sie »tief unten waren im grasigen Tal«, wo sie David Gellatley trafen mit den Rüden, zwei überschlanken Windhunden, zu denen sich noch ein halbes Dutzend Dachshunde gesellte, und wohl ebenso viel barfüßige und barhäuptige Dorfjungen, die sich durch allerhand schmeichelhafte Anreden Meisters Gellatley, den sie im gewöhnlichen Leben bloß als den »verrückten Doktor« kannten, die Ehre der Teilnahme am Jagdvergnügen des Barons zu verschaffen gewußt hatten.

Aber wie es heute noch in der Welt ist, so war es auch schon vor sechzig Jahren in der Welt, und wie in der Welt, so auch in Tully-Veolan: und so wird es wohl noch sein in sechshundert Jahren später, wenn das buntscheckige Konglomerat von Geschöpfen und Dingen, das wir mit dem Ausdruck »Welt« benennen, noch vorhanden sein sollte: die Schmeichelei wird gegen Leute, die in einem Amte sind, wird immer in Brauche stehen.

Diese barfüßigen Burschen sollten dem Baron und seinem Gaste das Wild zutreiben, also die Büsche abklopfen, und das verstanden sie so geschickt, daß schon nach Verlauf der ersten halben Stunde ein Rehlein aufgescheucht, gehetzt und erlegt war. Der Baron jagte, wie weiland Graf Percy, auf seinem Schimmel herbei, um in eigner Person dem »Jagdstück« mit seinem »couteau de chasse« den »Fang zu geben«, und es auszuweiden, was bei dem französischen Jägervolk »faire la Curée« heißt.

Als er dieses Stück »Jägerwerk« vollbracht hatte, geleitete er seinen Gast wieder heim in seine Penaten, aber auf weitem Umwege, der einen reichen Ausblick auf die Dörfer und Weiler der Umgegend eröffnete. Fast bei jedem Weiler wußte Baron Bradwardine allerhand Bemerkungen geschichtlicher und genealogischer Art anzubringen, zwischen die er freilich auch allerhand Vorurteile streute. Aber um der klugen Anschauungen willen, und um der achtbaren Empfindungen willen, die ihnen zu grunde lagen, war es wohl der Mühe wert, ihnen ein achtsames Ohr zu leihen.

Dieser Morgenritt war für beide Männer angenehm, und die Unterhaltung, die sie dabei führten, gewährte ihnen einen hohen Reiz, wenn auch oder vielleicht grade weil sie in ihren Anschauungen und Grundsätzen erheblich von einander abwichen. Edward war, wie der Leser ja weiß, von lebhaftem, feurigem Temperament, las gern und viel, empfand und dachte echt romantisch und hatte einen starken Hang zu Poesie. Der Baron hingegen war das »pure« Gegenteil hiervon; er rühmte sich, mit noch derselben geraden, unbeugsamen, stoischen Würde seine Lebensbahn zu wandeln, wie gelegentlich seiner abendlichen Spaziergänge auf der Terrasse, auf der er stundenlang .  ein leibhaftes Bild des alten Hardyknut,   »gleichmäßig schritt gen Osten hin, gleichförmig wandelte dem Abend zu«.

Seine wissenschaftliche Bildung dankte er Werken, wie sie damals den literarischen Markt beherrschten, zum Beispiel dem Epithalamium von Georges Buchanan, David Lindsay, Barbour Bruce und Harry Wallace. An den Sonntagen boten ihm Johnstouns Psalmen und die »Deliciae Poetarum« erbaulichen Genuß. Den Poeten im allgemeinen war er nicht besonders hold, seiner Meinung nach wurde viel zu viel Zeit auf diese armselige, unfruchtbare »Versdrechselei« verwandt, und außer Allan Ramsay wollte er keinen, der sich in diesem Gebiete zu betätigen versucht hatte, gelten lassen. Aber sie fanden sich beide, wie gesagt, trefflich in einander. Edward war glücklich, einen Mann in dem Baron gefunden zu haben, der ein Gedächtnis besaß, das ein förmliches Register alter und neuer Anekdoten war, und Bradwardine war nicht minder froh, in Edward einen Jüngling zu besitzen, »bonae spei et magnis indolis« [Zu guter Hoffnung und großem Tun (berechtigend)] also frei von jedem mutwilligen Flattersinn, der entweder die Geduld verliert oder verächtlich denkt bei Unterhaltungen mit älteren Personen oder über die guten Ratschläge hinweg eilt, die das Alter so gern der Jugend erteilt. Der Baron versah sich für solchen jungen Freund eines herrlichen Fortgangs im Leben.

Außer dem Pfarrer Rubrik hatten sie auf dem Edelsitze wie in der Umgegend desselben niemand, der mit ihnen harmonierte; dieser geistliche Herr war indessen ein Mann, der durch eine gediegene Bildung und eine treffliche Redegabe ganz zu ihnen paßte.

Bald nach dem Essen schlug der Baron vor, Miß Rosa einen Besuch auf ihrem Zimmerchen zu machen, oder, wie er zu sagen beliebte, sich in die »troisième étage« [Dritter Stock] hinauf zu verfügen, gleich als ob er dadurch den Beweis hätte erbringen wollen, daß seine Worte über Mäßigkeit nicht bloß theoretischer Natur seien.

Waverley wurde durch ein Paar Gänge geführt von jener Art der Baukunst, die auf die Menschen den Eindruck macht, als hätten die Meister, die sie bauten, ihre Mitmenschen damit bloß nasführen wollen. Am Ende dieser paar Gänge oder Korridore stieg Mr. Bradwardine eine schmale, steile Wendelstiege. empor, und zwar immer zwei Stufen auf einmal, so daß sowohl Herrn Rubrik dem Pfarrer als auch Waverley dem Junker schnell der Atem ausging.