Durch den Glanz dieser künftigen Grafenkrone geblendet, hatte sich Fergus Mac-Ivor in die Komplotte dieser unglücklichen Zeit ziemlich tief eingelassen und verstrickt, und gleich allen Verschwörern sich mit seinen Begriffen von Moral und Ehre in schicklicher Weise abzufinden gewußt... Wir nehmen nun; nach diesem Einblick in einen ehrgeizigen, feurigen, aber verschlagenen und klugen Charakter, den Faden unsrer Erzählung wieder auf. Fergus Mac-Ivor war mit seinem Gaste in Glennaquoich angelangt, dem Edelhofe im Hochlande, der seit Johann von Burg hochseligen Gedenkens das Geschlecht in seinen Mauern geborgen und wachsen und gedeihen gesehen hatte. Es war ein hoher, viereckiger Turm von rauhem, unwirtlichem Aussehen, an den sich ein zweistöckiger Wohnhausbau anschloß, den der Großvater des jetzigen Fergus erbaut hatte bei seiner Rückkehr aus dem merkwürdigen Feldzuge gegen die Whigs und die Rotten von Ayrshire, der in den westlichen Grafschaften noch heut in lebendiger Erinnerung steht und bei dem es dem Vich-Ian-Vohr jener Zeit wahrscheinlich ebenso geglückt war, ein gutes Beutestück zu erringen, wie seinem Vorgänger bei der Plünderung der englischen Bauern. Er hinterließ infolge dieses Glückfalls seinen Nachkommen gleichfalls ein nützliches Denkmal seines praktischen Sinnes und seiner Vorliebe für standesgemäße Unterkunft.
Der Edelhof stand auf einem erhöhten Punkte in einem schmalen Tale des Hochlandes, entbehrte jedoch all jener Verschönerungen der Umgebung, die man sonst bei Edelhöfen anzutreffen gewohnt ist. Ein paar durch Gemäuer getrennte Zäune bildeten die Einfriedigung, sonst lagen Turm und Wohnhaus offen da in dem schmalen Landstreifen, den der Bach hier bildete und auf dem außer etwas Gerste, die obendrein noch, unter den Hufen der schwarzen Viehherden zu leiden hatte, die auf den angrenzenden Hügeln weideten, nichts wuchs. Unfern oberhalb des Tales stand ein kleines, verkrüppeltes Birkenwäldchen, die Berge waren hoch hinauf mit Heidekraut bewachsen, ohne jegliche Abwechslung, so daß das Ganze eher einen wilden und öden als großartigen und einsamen Anblick bot. Dennoch hätte kein echter Mac-Ivor diesen Stammsitz hingegeben für den schönsten Herrensitz in dem gesegneteren England.
Ein andrer Anblick bot sich den Blicken dicht vor dem Hoftore, und zwar ein solcher, wie er dem Herzog von Marlborough, dem stolzen Sieger von Blenheim, erwünschter und lieber gewesen wäre. Dort stand in Reih und Glied und in vollständiger Ausrüstung, in echter Hochlandstracht, ein Kommando von hundert Hochlandssöhnen. Der Häuptling maß die Truppe mit flüchtigen Blicken und wandte sich in einer Art nachlässiger Entschuldigung mit den Worten zu Waverley, »er habe grade heute ein paar von seinen Mannen aufgeboten, um Revue zu halten, ob sich im Hochlande noch Mannschaft genug fände, um das Vaterland gegen Uebergriffe zu schützen und weitere Unfälle von der Art zu verhindern, wie eben jetzt einer den Baron von Bradwardine betroffen hatte. Anderseits möchte es vielleicht einem Kapitän der englischen Armee kein unangenehmer Anblick sein, Hochländer exerzieren zu sehen.«
Edward zeigte sich äußerst erfreut über solche Aufmerksamkeit, und nun begannen die Hochländer mit Marschieren im Tritt und mit andern Exerzitien der gewöhnlicheren Art. Dann gingen sie über zu Schießübungen, und die hohe Treffsicherheit jedes einzelnen Mannes erregte Edwards ungeteilte Bewunderung. Im Stehen, Sitzen, gebückt oder liegend, faßten sie ihr Ziel und trafen es ohne Ausnahme. Dann machten sie Fechtübungen, dann teilten sie sich in Kommandos ab und führten einen Scheinkampf aus, wobei der Kriegsdudelsack mit seinen seltsamen Klängen den Takt aufspielte. Auf ein Zeichen des Häuptlings ging das Scharmützel zu Ende.
»Wie groß ist die Zahl der Leute, die sich solches Kommandeurs erfreuen darf?« fragte Edward.
»In guter Sache und unter einem Häuptling, für den sie ins Feuer gehen, betrug die Zahl der Ivor'schen Mannschaft wohl nie unter fünfhundert Schwertern. Aber das Entwaffnungsgesetz, das vor zwanzig Jahren über Schottland verhängt wurde, hindert unsre Mannen begreiflicherweise, im Zustande vollständiger Ausrüstung zu erscheinen, und ich halte infolgedessen nicht mehr Mannschaft unter den Waffen, als ich brauche zur Sicherung meines Eigentums, sowie um Freunden beispringen zu können in Situationen, wie sie gestern Eurem Wirt passiert sind. Da muß die Regierung schon gestatten, daß wir Selbsthilfe üben, denn sie selbst beschützt uns doch in keiner Weise.«
»Aber mit solcher Macht könnt Ihr doch solches Räuberpack wie diesen Donald Bean Lean leicht in die Pfanne hauen oder aus dem Lande hinausjagen!«
»Ganz unfehlbar, und der Dank, den ich dafür bekäme, wäre doch sicher, daß man mir beföhle, die paar Schwerter, über die wir noch gebieten, ins Waffenmuseum zu liefern! Nein, Kapitän Waverley, das wäre das Dümmste, was unsrerseits geschehen könnte, indessen lassen wir das! ... Ich höre, daß uns der Pfiff zum Essen ruft; also bitte, begeben wir uns in das Wohnhaus.«
Neunzehntes Kapitel
Ehe man in den Festsaal eintrat, wurde Waverley die patriarchalische Erfrischung eines Fußbades geboten, die ihm nach diesem Marsch durch Moorgebiet bei schwülem Wetter außerordentlich wohltat. Freilich war es keine schöne Frau, die ihn dabei bediente, wie es den Helden in der Odyssee beschert war, sondern bloß ein altes, schwaches Hochlandsmütterchen, das sich obendrein über die Obliegenheit noch gar nicht einmal sonderlich zu freuen schien, sondern zwischen den Zähnen brummte, »daß die Herden der Väter nicht so eng beisammen, geweidet hätten, daß sie zu solchem Dienst bei ihm verpflichtet sei.« Aber ein gutes Trinkgeld beseitigte die Empfindlichkeit der Greisin, so daß sie Edward, als er nach der Halle ging, mit dem gälischen Sprichworte segnete: »Möge die offne Hand sich recht schnell und reichlich wieder füllen!«
Die Halle, in der das Festmahl hergerichtet war, nahm das ganze erste Stockwerk des Wohngebäudes ein. Eine mächtige eichene Tafel dehnte sich dort aus, den Raum in voller Länge bedeckend. Das Mahl war einfach, fast urwüchsig, und die Gesellschaft zahlreich, fast übergroß. Auf dem Ehrenplatze an der Spitze saß der Häuptling mit seinem Gaste, ihnen zunächst einige Hochländer aus benachbarten Clans, die Aeltesten seines eignen Clans, mit ihren Söhnen, Neffen und Milchbrüdern; dann die Hausbeamten des Häuptlings nach der Rangordnung, zuletzt die Pächter, die in Person das Feld bebauten.
Ueber diese lange Reihe von Tafelgästen hinweg erblickte Edward auf dem Rasenplatze draußen vorm Hause, wohin eine ungeheure Flügeltür führte, eine Schar von Hochländern geringeren Ansehens, die aber gleichfalls als Gäste galten und ihren Anteil am Mahle empfingen. In noch weiterm Abstande, ganz hinten im Hofe, bewegten sich in wirrem Durcheinander alte Weiber, zerlumpte Kinder beiderlei Geschlechts, junges und altes Bettelvolk, dazwischen große Windspiele, Dachs-, Wachtel- und Hofhunde, und all diese Geschöpfe suchten sich samt und sonders von der Herrentafel zu wahren, was irgend anging.
Tiefe Gastfreiheit, so unbeschränkt sie auf den ersten Blick zu sein schien, fand jedoch auch gewisse Grenzen. Was auf den obern Teil der Tafel gelangte, also Speisen von Fischen, Wildbret und dergleichen, war sorgfältig zubereitet, um dem Gaste alle Ehre anzutun. Für die zunächst kommenden Gäste standen Schöpsen- und Rindskeulen bereit, die den rohen Leckerbissen beim Schmause der Freier der Penelope den Rang streitig machen konnten. Aber das Hauptgericht stand mitten auf der Tafel, ein »Jährling«, das Erntelamm oder »Hog in Harst« auf gälisch, im ganzen gebraten, auf seinen vier Beinen, mit Büscheln Petersilie im Maul. Ueber dieses Gericht fielen die Clansmänner herzhaft her und setzten ihm zu von beiden Seiten, einige mit Dolchen, andre mit Messern, so daß es bald einen jämmerlichen Anblick gewährte. Noch weiter standen noch geringwertigere Lebensmittel, aber in reichen Mengen. Und die Söhne von Ivor, die in freier Luft schmausten, labten sich an Fleischsaft, Zwiebeln, Käse und den Resten, die von der Herrentafel zu ihnen hinunter gelangten.