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Auch die Liebe zu ihrer Heimat, zu ihrem alten Clan wohnte nicht minder tief in ihrem Herzen als in dem des Bruders. Ihre patriarchalische Würde zu wahren, war sie ebenso eifrig beflissen wie Fergus, und alle ihre Einkünfte   sie verdankte ihrer Fürstin eine kleine Jahresrente   verwandte sie auf Sorge für alte und kranke Leute ihres Clans, die nicht im stande waren, sich durch Arbeit den Lebensunterhalt zu schaffen. Flora genoß infolgedessen eine geradezu beispiellose Liebe und Verehrung im Clan sowohl wie im ganzen Hochland, und mancher Bardensang kündete ihr Lob.

In zärtlicher Liebe hing sie an Rosa Bradwardine, und wenn die beiden Mädchen zusammen waren, so hätten sie dem Maler sitzen können als Modelle für die Muse des Frohsinns (Rosa) und für die Muse der Schwermut (Flora).

Allgemein herrschte die Ansicht   bloß hätte es niemand dem Baron von Bradwardine sagen dürfen   daß Flora keinen geringen Anteil hatte an der gütlichen Beilegung des zwischen den beiden Männern ausgebrochenen Zwistes, der leicht zu einer Blutfehde hätte führen können, da ja doch der Baron sich schon früher an dem Clan vergangen hatte. Sie verstand es, dem Bruder von einer Seite beizukommen, wo er eigentlich nur zu fassen war, das war die Rücksicht auf das Alter des Barons. Sie stellte ihm all den Schaden vor, der auch ihm erwachsen müsse, wenn er es aufs Aeußerste mit dem im ganzen Unterland so hoch angesehenen Baron kommen ließe; und das hatte schließlich die Ursache gegeben zur Absendung Evan Dhus, womit seitens des Häuptlings der erste Schritt zur Verständigung getan worden war.

Bei dieser Dame, die jetzt an ihrem Teetisch als Herrscherin saß, führte jetzt Fergus den Kapitän Waverley ein, und Flora begrüßte ihn mit aller gebotenen Artigkeit und Höflichkeit.

Einundzwanzigstes Kapitel

»Liebe Flora,« sagte Fergus zu seiner Schwester, als der Austausch der ersten Begrüßungen erfolgt war, »ehe ich wieder nach der Halle zurückgehe, mich den urwüchsigen Bräuchen der Vorfahren weiter hinzugeben, laß Dir sagen, daß Kapitän Waverley ein großer Verehrer der Dichtkunst ist und insonderheit der keltischen Muse, vielleicht gerade darum, weil er kein Wort von der keltischen Sprache versteht. Ich habe ihn von Deiner Gewandtheit, keltische Poesie in englische Sprache zu übertragen, unterrichtet. Du läßt Dich also wohl nicht mehr lange quälen, unserm Gaste einen von Murraughs Bardensängen in gutem Englisch zu rezitieren?«

»Aber, Fergus! Du weißt doch, gar nicht, ob diese Verse einem englischen Fremdling gefallen können? und wenn ich wirklich, wie Du sagst, die Geschicklichkeit hätte, sie in gutes Englisch zu übertragen?«

»Genau so werden sie ihm gefallen wie mir, Schwester! Murraugh haben wir im Saal gehört, er hat mich meinen letzten silbernen Becher gekostet, aber Du kennst doch unser Sprichwort: »Hört der Häuptling auf, seinen Barden zu beschenken, so erfriert dem Barden der Hauch auf der Lippe.« Und drei Dinge sinds trotzdem, die dem Hochländer von heute müßig sind: das Schwert, das er nicht ziehen darf; der Barde, der Taten besingt, denen er nicht nacheifern darf; und der große Beutel aus Ziegenfell, den er mit Louisdors nicht füllen kann, weil er keine mehr hat.«

»Recht schön gesprochen, Bruder,« versetzte die Schwester, »doch wenn Du meine Geheimnisse rücksichtslos preisgibst, so kannst Du von mir nicht erwarten, daß ich die Deinigen hüten werde. Ich gebe Euch die Versicherung, Kapitän Waverley, daß Fergus auf sein Hochländerschwert so stolz ist, daß er es um keinen Marschallstab vertauschen möchte, daß er seinen Murraugh für einen Dichter von der gleichen Größe ansieht wie Homer, und daß er seinen Beutel aus Ziegenleder um alle Louisdors nicht hingäbe, die er fassen kann.«

»Noch besser gesprochen als ich, meine liebe Flora,« gab ihr der Bruder zurück, »Schlag auf Schlag pariert! wie Conan zu Satan sagte. Aber jetzt unterhaltet Euch beide über Barden und Bardensang, denn ich muß zurück zu meinen Senatoren, um ihnen die letzten Ehren der Gastfreiheit zu erweisen.«

Mit diesen Worten schritt er aus dem Gemache.

Waverley war über die Unterhaltung, die er mit Flora führte, erbaut und überrascht zugleich, denn er hatte solche Vertrautheit mit einem so ernsten Thema bei einer so jungen Dame wie Flora, nicht vermutet.

»Der Sang unsrer Barden,« sagte Flora, »die die Taten unsrer Helden, die Klagen der Liebe und die Kriegszüge unsrer Clans besingen, bildet die schönste Unterhaltung der Hochländer an ihrem Winterfeuer. Aber in der Übertragung büßen sie doch vieles ein von ihrem rauhen, markigen Gehalt.« »Der Sang Eures Barden, Miß Mac-Ivor, schien alle Krieger, alt und jung, gewaltig zu erregen,« bemerkte Waverley, »und wenn ich recht gehört habe, so kam in dem Sang auch mein Name vor?«

»Unsren Barden wohnt eine frische Auffassungs- und eine scharfe Beobachtungsgabe inne,« antwortete Flora, »und dann ist die gälische Sprache zufolge ihres Reichtums an Vokalen vorzüglich geeignet zur Improvisation, und darum unterläßt es selten ein Barde, die Wirkung eines vorher überdachten Gesanges durch ein paar zuvor überdachte Strophen zu mehren.«

»Mein bestes Pferd gäbe ich drum,« versetzte Waverley, »wenn ich erfahren könnte, was Euer Barde über solchen unwürdigen Mann aus dem Süden, wie mich, gesagt haben kann.«

»Das soll Euch kein Haar aus seiner Mähne kosten,« erwiderte Flora und wandte sich zu einer der in dem Zimmer anwesenden Dienerinnen. »Una Mavourneen! tritt doch zu mir!« Sie sprach einige Worte auf gälisch zu ihr, worauf sich das Mädchen verneigte und aus dem Zimmer verschwand.... »Ich habe Una zu Murraugh gesandt und lasse mir den Text der Strophen senden, die über Euch gehandelt haben. Ihr könnt dann über mich als Dolmetsch gebieten.«

Una kehrte nach wenigen Minuten zurück und sagte der Herrin ein paar gälische Strophen her. Flora schien ein paar Augenblicke zu überlegen, dann wandte sie sich mit leichtem Erröten zu Waverley.

»Es ist mir nicht möglich,« sagte sie, »Eurem Verlangen zu willfahren, Kapitän, ohne einen hohen Grad von Eitelkeit zu bekunden. Vergönnt mir darum ein paar Augenblicke Zeit! ich will versuchen, leidliches Englisch für die Strophen zu finden. Da wir solch schönen Abend haben, mag Euch Una zu meinem Lieblingsplätzchen führen, ich werde Euch mit Kathleen folgen.«

Nach kurzer Weisung führte Una Waverley auf einem andern Wege aus dem Gemache, als er hereingetreten war, und durch eine schmale Hinterpforte gelangten sie ins Freie. Nach beschwerlicher Wanderung durch das rauhe, kalte und schmale Tal, in welchem der Edelhof stand, eine Meile davon entfernt, kamen sie an eine Stelle, wo sich zwei Bäche zu einem kleinen Flusse bildeten, der sich durch das Tal wand. Ein schmaler Fußpfad, an einigen, Stellen für Flora gangbar gemacht, führte ihn durch Stellen, die von allem bisher gesehenen wesentlich verschieden waren. Um das Schloß herum war alles öde und einsam, und selbst hier war man nicht völlig frei von diesem Eindruck; aber die Felsen in dem schmalen Tale wiesen bald tausenderlei merkwürdige Gestalten auf. Hier türmte sich ein mächtiger Block zu gigantischen Massen empor, und erst hart am Fuße zeigte sich die scharfe Biegung um das scheinbar unüberwindliche Hindernis; dort traten die Felsen so dicht an einander heran, daß zwei Fichtenstämme, mit Torf aufgefüllt, lang genug waren, eine rohe Brücke darüber zu bilden in Höhe von wenigstens zweihundert Fuß und ohne alles Geländer.

Während Waverley zu dem gefahrvollen Steige aufblickte, der wie eine feine schwarze Linie quer über das Stückchen blauen Himmels gezogen aussah, das zwischen den hohen Felsen sichtbar war, sah er plötzlich voller Entsetzen Flora mit der andern Dienerin, gleich Wesen einer höhern Region hoch oben in den Lüften schwebend, über den schwanken Pfad schreiten. In der Mitte blieb Flora stehen und blickte zu ihm hinunter, mit einer solchen Unbefangenheit und Anmut, daß es ihn gruselte. Dann winkte sie ihm mit dem Taschentuche, er aber war außer stande, den Gruß zu erwidern und atmete wirklich erleichtert auf, als sie von der gefahrvollen Höhe verschwunden war.