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Eurem gehorsamen Diener

I. G., Oberst und Kommandeur.«

Edwards Blut geriet in Wallung bei der Lektüre dieses Briefes. Seit frühester Kindheit war er gewöhnt, über seine Zeit fast unbeschränkt zu gebieten. Die strenge militärische Disziplin war ihm infolge dessen von Grund, seines Herzens aus zuwider. Zudem hatte sich bei ihm der Gedanke festgesetzt, daß man es bei ihm in dieser Hinsicht nicht so genau nehmen werde, und hierin hatte ihn die bisherige Nachsicht seines Obersten bestärkt. Es war ihm deshalb vollständig unbegreiflich, was denselben so, plötzlich zu diesem barschen Tone hatte bringen können, wenn nicht ein ursächlicher Zusammenhang vorlag mit der Angelegenheit, über die ihn die Briefe seiner Verwandten unterrichteten, daß man also gegen ihn in derselben Weise vorzugehen beabsichtige, wie gegen seinen Vater, und daß das Ganze darauf abziele, die Familie Waverley zu unterdrücken und zu demütigen.

Unklar darüber, wie er solches Schreiben abzufassen habe, durch das er seinen Dienst quittieren wollte, beschloß er, sich an Fergus Mac-Ivor um Rat zu wenden. Er traf ihn noch über der Lektüre der Zeitung, die ihm die Post gleichzeitig gebracht hatte.

»Habt Ihr etwa Briefe bekommen, Kapitän Waverley, die Euch die unwillkomne Nachricht melden, die sich hier in diesen Blättern abgedruckt findet?« fragte Fergus Mac-Ivor mit der befangenen Miene eines Mannes, der jemand etwas Unangenehmes mitzuteilen hat.

Fergus gab Waverley eine Zeitungsnummer in die Hand, in welcher über dem an seinem Vater begangenen Akt der Ungnade in einer für denselben höchst unangenehmen Weise berichtet wurde. Und am Schlüsse des Abschnitts stand die seltsame Notiz:

»Hierzu sei noch bemerkt daß, wie aus andrer Stelle (unter der Rubrik Amtliches) der heutigen Zeitung ersichtlich ist, dieser Richard Waverley, nicht das einzige unwürdige Mitglied des Hauses Waverley-Würden ist.«

Mit Hast und bangem Argwohn blickte unser Held in der bezeichneten Stelle der Zeitung nach und fand die amtliche Mitteilung:

»Kassiert wurde wegen Fernbleibens vom Regiment ohne Urlaub Edward Waverley, Kapitän im ...ten Dragoner-Regiment.«

Unter Rubrik »Beförderungen« las er wenige Zeilen weiter unten, die andre Notiz:

»Leutnant Jul. Butler an Stelle des kassierten Edward Waverley zum Kapitän avanciert im ...ten Dragoner-Regiment.!«

In der Brust unsers Helden tobte jene Wut, die jede unverdiente, den Anschein nach wohlberechnete Beschimpfung bei einem rechtlich denkenden Menschen erwecken muß, der sich immer redlich bemüht hat, seine Ehre heilig zu halten, und den man unvermutet dem Spott und Hohne des Publikums preisgibt. Ein Vergleich zwischen dem Datum des Briefes und dem der Zeitungsnotiz ergab, daß der Oberst seine Verwarnung buchstäblich wahr gemacht hatte, und zwar, dem Anschein nach, ohne sich darüber vergewissert zu haben, ob sein Brief auch rechtzeitig in Waverleys Hände gelangt sei, daß er der Aufforderung hätte entsprechen können. Ihm erschien also das Ganze wie ein wohldurchdachter Plan, ihn und seine Familie in der Oeffentlichkeit zu brandmarken. Der Gedanke, daß dieser höllische Anschlag auch vollständig geglückt sei, drohte ihn rasend zu machen, und er warf sich tief erschüttert Fergus Mac-Ivor in die Arme.

Fergus war nicht der Mann, sich gegen Unglück von Freunden teilnahmlos zu verhalten. Der ganze Hergang erschien ihm ebenso ungewöhnlich und auffällig wie Edward selbst. Zwar wären ihm für die Order, die Edward zum Regiment zurückrief, mehr Ursachen bekannt als Edward selbst. Aber daß der doch als human und leutselig bekannte Oberst auf eine so überaus schroffe Weise hatte vorgehen können, erschien ihm als ein äußerst auffälliger Umstand, dessen Gründe sich seiner Erkenntnis vollständig verschlossen hielten. Indessen tat er sein möglichstes, seinen Freund zu beruhigen, und benützte sodann diesen günstigen Anlaß, das Gemüt desselben für die Rache zu bereiten. Edward ging begierig hierauf ein.

»Würdet Ihr, Fergus, dem Obersten meine Herausforderung, überbringen und mich so zu Eurem dauernden Schuldner machen?«

Fergus schwieg eine Weile. Dann erwiderte er:

»Es wäre ein Freundschaftsdienst, der wohl nicht zu dem Ziele führen möchte, das Euch vorschwebt, denn ich bezweifle, ob Euer Kommandeur sich fordern lassen werde wegen einer dienstlichen Maßregel gegen Euch, zu der er schließlich durch seine Pflicht als solcher berechtigt gewesen sein dürfte. Die Grenzen derselben wird er, so schroff auch sein Vorgehen gegen Euch genannt werden muß, nicht überschritten haben. Im übrigen darf ich mich im gegenwärtigen Augenblick aus sehr wichtigen Gründen in kein Standquartier der zurzeit am Ruder befindlichen Regierung begeben.«

»Soll ich dann ruhig hier sitzen bleiben und die Beleidigung auf mir ruhen lassen, die solche Behandlung mir antut?«

»Das möcht ich nicht empfehlen, Freund. Ich würde jedoch an Eurer Statt am Haupt meine Rache kühlen, nicht an der Hand. Ich würde mich auflehnen gegen die tyrannische Regierung, die solche wohlberechnete Beschimpfung anordnete, nicht an den Werkzeugen, die sie dazu benützte.«

»An der Regierung?«^

»Allerdings! an dem Hause Hannover, das den Thron Englands widerrechtlich bestiegen hat, und dem Euer Großvater auch nie gedient hätte, geschweige denn sich Sold hätte von ihm auszahlen lassen.«

»Aber seit meines Großvaters Ableben haben zwei Generationen dieses Königshauses den Thron inne gehabt!«

»Allerdings! weil wir ihm mit Geduld und Ruhe Zeit gelassen haben, den wahren Charakter zu offenbaren! weil wir in sklavischer Unterwürfigkeit hingeträumt und uns so in seine Herrschaft hineingedacht und hineingefunden haben, daß wir sogar Dienste bei ihm genommen haben, so daß sich jetzt bequeme Gelegenheit findet, uns in der Oeffentlichkeit herabzusetzen dadurch, daß man uns dieser Dienste eigenwillig enthebt! Sind wir nicht auf dem Punkte angelangt, einen Schimpf zu rächen, den unsre Vater wohl gefürchtet, den wir aber an unserm Leibe empfunden haben? oder ist das königliche Haus der Stuarts darum weniger loyal, weil seine Ansprüche an einen Erben übergangen sind, den an keiner jener üblen Handlungen, die man der Regierung seines Vaters zur Last legen zu sollen meint, auch nur die geringste Schuld trifft? ...Aber kommt! überlaßt es mir, Euch einen ehrenvollen Weg zu zeigen, wie Ihr Euch in der Öffentlichkeit rehabilitieren und zugleich schnelle Rache nehmen könnt! Suchen wir Flora auf, die vielleicht noch weitre Neuigkeiten für uns hat, die sich während unsrer Abwesenheit zugetragen haben. Zuvor setzt, aber Eurem Briefe eine Nachschrift bei, in welcher Ihr die Zeit vermerkt, in welcher Ihr von diesem kalvinistischen Obersten die erste Aufforderung, Euch wieder zum Dienste zu melden, bekommen habt, und Euer Bedauern darüber zum Ausdruck bringt, daß sein eiliges Verfahren Eurem Entschlüsse, den Dienst zu quittieren, zuvorgekommen ist. Und dann überlaßt es ihm, sich solcher sklavischer Dienstwilligkeit zu schämen.«

Der Brief wurde gesiegelt und einem direkten Boten zur Besorgung nach dem nächsten Postamt im Unterlande übergeben. Er enthielt die Aufkündigung von Waverleys Dienstverhältnis.