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Nichtsdestoweniger war er sich klar darüber, daß er, sofern er sich auf die Anträge von Fergus Mac-Ivor nicht einlassen mochte, aus Rücksicht auf seine Ehre gezwungen war, der in Verdacht befindlichen Landesgegend auf der Stelle den Rücken zu wenden und sich an einen Ort zu begeben, wo er sich zur behördlichen Untersuchung stellen konnte.... Mit diesem Entschlusse suchte er Fergus wieder auf, gab ihm Kenntnis von dem Inhalte von Rosas Schreiben und auch von seinem Entschlusse, sich sofort nach Edinburg zu begeben und dort durch einflußreiche, seinem Oheim befreundete Personen eine Untersuchung seines Falles in die Wege zu leiten.

»Ihr rennt ja unmittelbar mit dem Kopf dem Löwen in den Rachen,« erwiderte Fergus. »Ihr kennt die Strenge der englischen Regierung nicht. Ich vermute, daß ich wohl in die Lage kommen dürfte, Euch aus dem Stirlinger oder Edinburger Kerker zu erlösen.«

»Meine Schuldlosigkeit, meines Vaters Position, seine Beziehungen zu Lord M..., General G... und andern werden mir ohne Frage ausreichenden Schutz schaffen.«

»Ihr werdet bald das Gegenteil hiervon merken. Ich vermute, die genannten Herren werden wohl mit sich selbst zu tun haben. Ich legs Euch noch einmal nahe, greift zum Plaid und zieht das Schwert mit uns für eine gerechte und edle Sache!«

»Es sind der Gründe gar viele, die mich zu der Bitte an Euch bestimmen, nicht auf mich zu rechnen.« »Nun, so werde ich Euch alsbald in der Situation sehen, daß Ihr Euer poetisches Talent zu einer Hymne auf Euer Gefängnisloch aufbieten oder zur Entzifferung etwelcher punischen Hieroglyphen an den Schlußsteinen irgend welches alten Gemäuers Euern Scharfsinn erproben werdet. Es kann sich ja schließlich auch treffen, daß Ihr irgend einem Trupp verbissner Whigs in die Hände lauft, und daß man Euch der tölpelhaften Zeremonie eines petit pendement bien joli [ein bißchen Hängen, nette kleine Galgentour] aussetzt ... und was dann?«

»Und aus welchem Grunde sollte so mit mir verfahren werden?« fragte Waverley.

»Aus hunderterlei triftigen Gründen. Erstlich seid Ihr Engländer, zweitens seid Ihr Edelmann,, drittens seid Ihr der Hochkirche abtrünnig, und viertens haben diese Leutchen lange keine Gelegenheit gehabt zur Ausübung solch kleinen Galgenexerzitiums. Immerhin laßt den Mut nicht sinken! ich hoffe, es wird sich noch alles finden und fügen in der Furcht des Herrn.«

»Nun, wagen muß ich es auf gut Glück!«

»Ihr seid also entschlossen?«

»Fest entschlossen.«

»Nun, dann müßt Ihr halt Euren Willen haben! doch zu Fuß könnt Ihr nicht marschieren! ich aber kann einen Gaul entbehren, denn ich muß an der Spitze meiner Mannen per pedes [zu Fuße] vorrücken. Ihr sollt also Dermid den Braunen haben.«

»Wollt Ihr ihn mir verkaufen, so sollt Ihr einen willigen Käufer in mir haben.«

»Läßt sich Euer stolzes Engländer-Herz durch kein Geschenk oder Darlehn verpflichten, so will ich in Ansehung des nahen Feldzugs ein Stück Geld nicht ausschlagen. Der Braune soll 120 Guineen kosten.... Und nun, wann gedenkt Ihr abzureisen?«

»Je eher, je lieber.«

»Recht so! Wenns einmal sein muß, oder vielmehr, wenn Ihr einmal nicht anders wollt. Ich will Euch auf Floras Klepper bis zum Bally-Brough-Passe begleiten.... Callum-Beg, mach unsre Rosse fertig und für Dich auch einen Klepper! Du sollst mit Mr. Waverley bis« ... (er nannte eine kleine Ortschaft) »reiten. Dort wird er Gelegenheit nach Edinburg finden.

»Mr. Waverley, wollt Ihr Euch noch bei meiner Schwester verabschieden?«

»Auf alle Fälle ... sofern mir Miß Mac-Ivor diese Ehre vergönnt.«

»Kathleen, sag meiner Schwester, daß Mr. Waverley sich bei ihr empfehlen wolle.... Aber Rosa Bradwardine! auf ihre Lage müssen wir ebenfalls Rücksicht nehmen ... ich wünschte, wir hätten sie hier ... und warum sollten wir sie nicht herüberholen? ... in Tully-Veolan sind bloß vier Rotröcke, und ihre Musketen dürften uns ganz willkommen sein!«

Auf diese abgerissenen Bemerkungen achtete Edward kaum. Wenn auch sein Ohr sie hörte, so war doch seine Seele zu sehr gespannt auf Floras Eintritt

Aber die Tür ging auf, und nicht Flora, sondern Kathleen erschien auf der Schwelle. »Miß Flora lasse sich entschuldigen, aber Mr. Waverley von Herzen alles Glück für die Reise wünschen.«

Siebenundzwanzigstes Kapitel

Gegen Mittag standen die beiden Freunde auf der Höhe des Passes von Bally-Brough.

»Hier muß ich scheiden,« sagte Fergus, der sich während des ganzen Rittes redlich bemüht hatte, Waverley bei guter Laune zu erhalten. »Wenn meine Schwester mit schuld daran ist, daß Ihr so bedrückter Stimmung seid, dann setzt es mit auf Rechnung der wirklich sehr hohen Meinung, die sie von Euch hat. Vertraut mir Eure Sache, und vorausgesetzt, daß Ihr diese abscheuliche Kokarde nicht mehr ansteckt, verspreche ich Euch, bei meiner Schwester für Euch einzutreten.«

»Wie könnt Ihr solches denken, nachdem man sie mir solcherweise genommen hat!... Lebt wohl, Fergus, und laßt nicht zu, daß Eure Schwester meiner vergesse!«

»Lebt gleichfalls wohl, Waverley! Ihr werdet meine Schwester bald mit anderm Titel nennen hören. Eilt jetzt nach Hause, laßt bald von Euch hören, und schafft Euch Freunde an, soviel wie möglich und so rasch Ihr nur könnt. Bald werden unvermutete Gäste an Suffalks Küste landen, oder die Briefe, die ich aus Frankreich erhielt, haben mich betrogen.«

So schieden die Freunde. Fergus kehrte in seinen Edelhof zurück, und Edward mit Callum-Beg, der aus einem Hochschotten sich in den urechten, unterländischen Reitknecht umgewandelt hatte, ritt auf den kleinen Flecken ... zu, unter schmerzlichen, doch nicht bittern Empfindungen, wie sie in das Herz eines verliebten Jünglings einziehen, wenn er unter dem Banne der Ungewißheit hat scheiden müssen.

Die dem Hochschotten angeborne Gefühlstiefe und Höflichkeit im Umgange hatte Callum-Beg verhindert, unsern Helden in seinen Träumereien zu stören. Aber als er jetzt sah, daß sie sich dem Flecken näherten, da ritt er zu ihm heran und meinte, »wenn sie ins Wirtshaus gingen, dann möchte der Herr von Vich-Ian-Vohr ja kein Wort sprechen, die Leute im Dorfe   der Teufel solle sie holen!   seien die grimmigsten Whigs!«

Waverley gab dem klugen Pagen die Versicherung, daß er sich vorsichtig verhalten werde. Ein seltsames Glockengeläut, ähnlich dem Geräusch, das ein frei hängender kupferner Topf von sich gibt, wenn mit einem Hammer dagegen geschlagen wird, veranlaßte Waverley zu der Frage, ob etwa heute Sonntag sei.

»Kanns nicht sagen,« erwiderte Callum-Beg, »wir in den Bergen hören wohl kaum was vom unterländischen Sonntag,«

Aber als sie im Dorfe eine Menge Weiber mit Tartantüchern und roten Mänteln erblickten, da meinte er, »es müsse doch entweder großer Sonntag sein oder kleiner Königssonntag, wie sie im Unterlande den Fasttag nennten.«

Sie hielten im Wirtshause zum »Siebenarmigen Leuchter« Einkehr und wurden dort von dem Wirt, einer langen, magern Puritanerfigur, empfangen, der aber noch unklar mit sich zu sein schien, ob er an solchem Festtag Gästen Unterkunft geben dürfe oder nicht. Als ihm aber eingefallen war, daß er sich ja, wenn er in Buße dafür genommen würde, an den Reisenden schadlos halten könnte, entschloß er sich, ihnen Aufnahme zu gewähren.

Edward fragte Ebenezer Cruikshanks, denn so hieß der Wirt, ob er ihm einen berittnen Führer besorgen könne, der ihm sein Gepäck nach Edinburg schaffen könne.

»Und wo seid Ihr denn her?« fragte der Wirt.