»Aber diese Zuwendungen geschahen in der Hauptsache an Mannschaften, die in Waverley-Würden geworben worden waren?«
»Allerdings ... aber wie hängt das mit dem gegenwärtigen Falle zusammen?« fragte Waverley.
»Bitte, gleich. Ich erwarte offne und aufrichtige Antwort. Ihr standet seit Eurem Weggang aus der Garnison in direktem oder indirektem Briefwechsel mit Sergeant Houghton?«
»Ich? mit einem Untergebnen von mir? ... Nun und nimmer!«
»Aber Ihr habt Euch doch Bücher aus Euer Bibliothek durch Sergeant Houghton nachschicken lassen?«
»Nach Tully-Beolan, allerdings. Das fällt mir ein. Ich erteilte ihm den Auftrag, weil ich keinen meiner Kameraden damit behelligen wollte.«
»Was für Bücher waren dies?« »Durchweg schönwissenschaftliche und für eine Dame bestimmt, der es an Lektüre fehlte.«
»Abhandlungen, Flugschriften waren nicht darunter?«
»Ein paar solche politischen Inhalts wohl, die ich jedoch nicht ein einziges Mal angesehen habe. Ein alter Hausfreund meines Vaters, mit besserm Herzen als klugem Verstande, hatte sie mir beim Abschiede von Waverley-Würden behändigt. Ich habe auf den Plunder niemals Wert gelegt,« versetzte Waverley.
»Verfasser dieser politischen Schriften war ein gewisser Pembroke, ein Geistlicher, der dem Könige den Huldigungseid verweigert hat?«
»Ich versichre aber auf meine Ehre, daß ich keine drei Seiten davon gelesen habe,« versetzte Waverley.
»Ich sitze nicht zu Gericht über Euch, Mr. Waverley, sondern habe Euch nur zu verhören. Ich fahre also fort: Seid Ihr bekannt mit einem gewissen Wily Will oder Will Ruthven?«
»Ich habe nie im Leben solchen Namen früher als jetzt gehört.«
»Habt Ihr nie durch solche Person an Humphry Houghton, Euren Sergeanten, die Aufforderung gelangen lassen, sich mit soviel Mannschaft, als er irgend werben könne, ins Hochland zu begeben und den Truppen des jungen Prätendenten anzuschließen?«
»An solchem Komplott bin ich vollständig unschuldig. Ich verabscheue es von ganzem Herzen und könnte mich solches Verrats nie schuldig machen, um jemand vom Thron oder jemand auf den Thron zu bringen.«
»Ihr habt aber während Eurer Abwesenheit vom Regiment Verkehr unterhalten mit dem hochländischen Häuptling Glennaquoich einerseits und mit dem Baron Bradwardine anderseits, der für diese aussichtslose Sache ebenfalls unter die Waffen getreten ist?«
»Umgang ja, insofern als ich Gast des Barons war. Aber ich stelle in Abrede, Mitwisser irgend welcher Absichten gegen die Regierung gewesen zu sein.«
»Ihr werdet aber nicht in Abrede stellen, mit dem Häuptling Glennaquoich an einem Jagdzuge teilgenommen zu haben, dessen Zweck lediglich war, zwischen allen Mitverschworenen Maßregeln für den Ausstand zu verabreden?«
»An einem Jagdzuge habe ich teilgenommen, aber nichts wahrgenommen, was zu dem genannten Zwecke dabei vorgegangen sein soll.« »Ihr seid von dort weiter marschiert, und zwar zum Heere des jungen Prätendenten, und seid, nachdem Ihr ihm gehuldigt habt, zurückgekehrt, um die zurückgebliebenen Kommandos einzuexerzieren, und mit seinen Banden auf dem Marsche nach Süden zusammenzustoßen?«
»Das ist nun und nimmer der Fall gewesen. Nicht einmal vom Hörensagen weiß ich, daß solche Person, von der Ihr sprecht, im Lande gewesen sei.«
Er erzählte nun die näheren Umstände von dem Unfall, der ihn auf der Jagdpartie betroffen, und wie er nach seiner Heimkunft den Brief seines Obersten gefunden, der ihm seine Kassation meldete, und stellte nicht in Abrede, daß es ihm dann vorgekommen sei, als wenn sich Anzeichen von einem Aufstand zeigten, er habe jedoch nicht im geringsten Verlangen verspürt, sich darein einzulassen, sondern habe sich, ohne weitern Grund zum Aufenthalt in Schottland, auf die Heimreise gemacht, zumal er von den Seinigen hierzu Aufforderung bekommen habe. Er behändigte nun dem Major die Briefe, die er von seinem Vater, von seinem Oheim und seiner Tante bekommen hatte. Der Major las sie, zog aber ganz andre Folgerungen aus dem Inhalte als Waverley, denn er fand Unzufriedenheit mit der Regierung darin und Androhungen von Rache, und am meisten beklagte er den Brief der Tante Rachel, die der Wiederkehr des Hauses Stuart so unverblümt das Wort redete.
»Noch eine Frage, Mr. Waverley! Ihr habt doch von Eurem Regimentskommandeur wiederholt Schreiben bekommen mit der Aufforderung, zum Dienste zurückzukehren, in denen er Euch von der Mißstimmung unterrichtet hat, die sich in Eurem Regiment seit Eurer Abwesenheit eingenistet habe?«
»Niemals, Major Melville! Nur zwei Schreiben: im einen äußerte der Oberst den Wunsch, ich möchte meinen Urlaub nicht vollständig beim Baron Bradwardine zubringen, weil das gegen die Grundsätze verstoße, die er bei seinen Offizieren voraussetzen müsse, und der andre Brief war eben derjenige, welcher mir die Kassation vom Dienste meldete, der mir aber, wie schon gesagt, zu spät in die Hände gelangte, als daß ich dagegen hätte noch etwas tun können. Falls er mir wirklich noch andre Briefe geschrieben haben sollte, so sind sie mir nicht zugegangen.«
»Eins noch, Mr. Waverley: wenn es auch eine geringfügigere Sache betrifft, um derentwillen Euch zwar kein Gericht wird belangen können, die aber nichtsdestoweniger ein häßliches Licht auf Euch werfen muß. Es heißt, es sei in einer Gesellschaft, wo Ihr zu Gaste gewesen, ein Spruch ausgebracht worden auf eine andre Dynastie, als die im Lande bestehende, und Ihr hättet Euch, statt dagegen Stellung zu nehmen, stillschweigend verhalten. Hierüber sollen Eure Kameraden von Euch eine Erklärung gefordert, Ihr aber nicht darauf reagiert haben.«
Das waren der Dinge zu viel. Infolge dieses Zusammentreffens von allerhand Umständen, die nun in solchem Maße zu seinen Ungunsten sprachen, ohne daß er die geringste böse Absicht, wie man sie ihm unterschob, dabei gehabt hatte, wurde es ihm in seiner Einsamkeit in fremdem Lande zu Mute, als seien Leben und Ehre für ihn verloren, als sei sein Schicksal bereits entschieden, ehe ihm noch das Urteil gesprochen worden, und er verweigerte nunmehr standhaft alle weitre Auskunft auf die an ihn gestellten Fragen, weil er annehmen mußte, daß sie doch nur in der Absicht gestellt würden, um die Waffen gegen ihn noch zu schärfen. Der Major indessen hielt es für angezeigt, ihm noch weitre Vorhaltungen zu machen, ohne sich an das finstre Schweigen Waverleys zu kehren.
»An einen Grund, ein offnes Bekenntnis abzulegen, möchte ich noch erinnern. Ihr seid, wie ich gern um Euretwillen glaube, von Menschen, die klüger auf ihren Vorteil bedacht waren, zu ihren Plänen ausgenützt worden, und unter diesen dürfte, soweit ich die Vorgänge überschaue, jener hochländische Häuptling an erster Stelle stehen, der sich als ein Gönner und Freund von Euch auszugeben beliebt hat – ich meine Fergus Mac-Ivor. Während Eures Aufenthaltes unter den Hochschotten dürftet Ihr doch Einblick gewonnen haben in diejenigen Verhältnisse, die dort zurzeit herrschen inbetreff der Truppenstärke, wie auch der vorhandnen Hilfsmittel, wie auch endlich darüber, mit welchen Plänen sich die Anführer im besondern tragen. Würdet Ihr Euch herbeilassen, das, was Ihr hierüber wißt, freiwillig zu Protokoll zugeben, so dürftet Ihr Eure Lage um vieles bessern, und das Schlimmste, was über Euch verhängt werden dürfte, wäre nach meinem Dafürhalten eine Haft von kurzer Dauer.«
Waverley hörte dem Major gelassen zu. Aber als er zu sprechen aufhörte, sprang er heftig auf und rief in einem Tone, wie er ihn bisher noch nicht angeschlagen hatte:
»Major Melville, bisher habe ich Eure Fragen mit Ruhe angehört und mit Offenheit beantwortet, weil sie bloß mich betrafen. Wenn Ihr mich aber für so niedrigen Sinnes haltet, daß ich gegen Personen, die mir Gastrecht erwiesen haben, die mich, mögen ihre Vergehen sein, welche sie wollen, mit Freundschaft behandelt und in Krankheit gepflegt haben, als Denunziant, als Verräter auftreten könnte, so erkläre ich hiermit, daß Ihr Euch in mir schändlich getäuscht habt. Ihr mögt mir eher das Herz aus der Brust reißen, als daß die geringste Andeutung übet die Dinge, die Ihr von mir erfahren wollt, den Weg über meine Lippen finden sollte, selbst angenommen, es sei mir davon Kenntnis geworden, was ich doch entschieden in Abrede stelle.«