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»Wie ihr wisst, sind einige der Ersten Hundert als erste verschwunden, vermutlich unter Führung von Hiroko Ai. Ich verstehe immer noch nicht, warum sie das taten, wirklich nicht. Aber wie sehr haben wir ihren Genius für Systemplanung in der Folgezeit vermisst. Das kann ich euch versichern! Ich glaube, man kann tatsächlich sagen, dass ein Teil unserer jetzigen Schwierigkeiten aus ihrer Abwesenheit in diesen vielen Jahren resultiert.« Er schüttelte den Kopf und versuchte, seine Gedanken zu sammeln. »Als ich zum ersten Mal diesen Canyon sah, in dem wir uns befinden, war ich mit ihr zusammen. Es war eine der ersten Erkundungen dieses Gebietes, ich hatte Hiroko an meiner Seite, und wir blickten in diesen Canyon hinunter, seinen ebnen und kahlen Boden; und sie sagte zu mir: ›Das ist wie der Fußboden eines Zimmers. ‹«

Er sah sein Publikum an und suchte sich an Hirokos Gesicht zu erinnern. Ja … nein. Seltsam, wie man sich an Gesichter erinnerte, bis man sie im Geist vor sich zu sehen bemüht war, als sie sich von einem abgewendet hatten. »Ich habe sie vermisst. Ich komme hierher, und es ist unmöglich zu glauben, dass es derselbe Ort ist, und so … fällt es mir schwer zu glauben, dass ich sie wirklich gekannt habe.« Er machte eine Pause und versuchte, sich auf ihre Gesichter zu konzentrieren. »Versteht ihr?«

»Nee!« kläfften einige.

Er war verwirrt und ärgerte sich wieder. »Ich sage, wir müssen hier einen neuen Mars schaffen! Ich sage, wir sind völlig neue Wesen und dass hier nichts dasselbe ist. Nichts ist dasselbe!«

Er musste aufgeben und sich setzen. Andere Redner folgten, und ihre dröhnenden Stimmen ergossen sich über ihn, während er wie gelähmt dasaß und über das offene Ende des Amphitheaters in einen Park locker gepflanzter Sykomoren blickte. Dahinter schlanke weiße Gebäude mit Bäumen auf Dächern und Balkons. Eine Vision in Grün und Weiß.

Er konnte es ihnen nicht sagen. Niemand konnte es ihnen sagen. Nur Zeit und der Mars selbst. Und in der Zwischenzeit würden sie in offenem Widerspruch zu ihren eigenen materiellen Interessen handeln. Es war immer wieder dasselbe. Aber wie konnte das nur sein? Warum waren die Menschen so blöd?

Er verließ das Amphitheater und ging durch den Park und die Stadt. Über sein Armband fragte er Slusinski: »Wie können Menschen gegen ihre eigenen offenkundigen Interessen handeln? Das ist Wahnsinn! Marxisten waren Materialisten. Wie haben die das erklärt?«

»Ideologie, Sir.«

»Aber wenn die materielle Welt und unsere Art, damit umzugehen, alles andere bestimmen, wie kann da Ideologie aufkommen? Woher, sagen sie, ist sie gekommen?«

»Einige von ihnen haben Ideologie als eine imaginäre Beziehung zu einer realen Situation definiert. Sie haben zugegeben, dass Ideologie eine mächtige Kraft im menschlichen Leben ist.«

»Aber dann waren sie gar keine Materialisten!« Er fluchte ärgerlich. »Kein Wunder, dass der Marxismus tot ist.«

»Nun, Sir, tatsächlich bezeichnen sich viele Leute auf dem Mars als Marxisten.«

»Scheiße! Sie könnten sich ebenso gut Zoroastrier oder Jansenisten oder Hegelianer nennen.«

»Marxisten sind Hegelianer, Sir.«

»Schluss!« knurrte Frank und trennte die Verbindung.

Imaginäre Wesen in einer realen Landschaft. Kein Wunder, dass er die Rübe und den Knüppel vergessen hatte und durch die Gefilde neuen Seins und radikalen Unterschieds und all solchen Unfug gewandelt war. Zu versuchen, John Boone zu sein. Ja, das stimmte! Er versuchte, das zu tun, was John gemacht hatte. Aber John war darin gut gewesen. Frank hatte in den alten Zeiten seinen Zauber immer wieder wirken sehen, wo er alles bloß durch seine Worte veränderte.

Dagegen waren für Frank Worte nur Steine im Mund. Selbst jetzt, wo sie gerade das brauchten, wenn es das einzige war, das sie retten würde.

Maya traf ihn in der Burroughs-Station und drückte ihn an sich. Er ließ sich das steif gefallen, während seine herunterhängenden Hände die Gepäckstücke hielten. Außerhalb der Kuppel blähten sich an einem malvenfarbenen Himmel tiefe schokoladenfarbene Gewitterwolken. Er konnte ihr nicht in die Augen sehen. Sie sagte: »Du warst wundervoll. Jeder spricht darüber.«

»Eine Stunde lang.« Danach würden die Emigranten verschwinden wie zuvor. Es war eine Welt der Taten, und Worte hatten darauf nicht mehr Einfluss als das Rauschen eines Wasserfalls auf den Fluss des Stromes.

Er begab sich eilig zu den Mesa-Büros. Maya kam herbei und plauderte mit ihm, als er in einen der Räume mit gelben Wänden im vierten Stock hineinschaute. Bambusmöbel, geblümte Folien und Couchkissen. Maya war voller Pläne und war mit ihm zufrieden. Sie war mit ihm zufrieden! Er biss die Zähne aufeinander, bis es weh tat …

Schließlich stand er auf und ging zur Tür. »Ich muss Spazierengehen«, sagte er. Als er ging, sah er ihr Gesicht im Augenwinkel. Verletztes Erstaunen. Wie üblich.

Er ging rasch zum Rasen hinunter und längs der Reihe von Bareißsäulen, die in ihrer Unordnung wie fliegende Kegel aussahen. Auf der anderen Seite des Kanals setzte er sich am Rande eines Cafes an einen runden weißen Tisch und labte sich eine Stunde lang an griechischem Kaffee.

Plötzlich stand Maya vor ihm.

»Was meinst du damit?« sagte sie und zeigte auf den Tisch und seine mürrische Miene. »Was stimmt jetzt nicht?«

Er blickte auf seine Kaffeetasse, dann zu ihr auf, dann wieder in die Tasse. Es war unmöglich. In seinem Kopf bildete sich ein Satz, der jedes Wort gleichmäßig betonte: Ich … habe … John … getötet.

Er sagte: »Es ist alles in Ordnung. Was meinst du?«

Sie straffte die Mundwinkel. Das verlieh ihr einen verächtlichen Blick, und sie wirkte alt dabei. Jetzt war sie fast achtzig. Sie waren beide dafür zu alt. Nach langem Schweigen setzte sie sich ihm gegenüber hin.

»Schau«, sagte sie langsam. »Ich kümmere mich nicht um das, was in der Vergangenheit geschehen ist.« Sie hielt inne, und er wagte einen Blick auf sie. Sie schaute nach unten, in sich hinein. »Ich meine, was auf der Ares geschehen ist oder in Underhill. Oder sonst wo.«

Sein Herz hämmerte wie ein Kind, das heraus will. Seine Lungen waren kalt. Sie redete immer, aber er hatte es nicht mitbekommen. Wusste sie Bescheid? Wusste sie, was er in Nicosia getan hatte? Das war unmöglich, sonst wäre sie nicht hier gewesen. (Wirklich?) Aber sie hätte es wissen müssen.

»Verstehst du?« fragte sie.

Er hatte nicht gehört, was sie meinte. Er starrte weiter auf seine Kaffeetasse und schleuderte sie jäh mit dem Handrücken fort. Sie polterte unter einen Tisch in der Nähe und zerbrach. Der weiße keramische Halbkreis des Henkels drehte sich auf dem Boden.

»Ich sagte: Verstehst du?«

Er starrte gelähmt weiter auf die leere Tischfläche. Sich überschneidende Ringe aus braunen Kaffeeflecken. Maya beugte sich vor und nahm ihr Gesicht in die Hände. Sie krümmte sich über dem Magen zusammen und atmete nicht.

Endlich holte sie wieder Luft und hob den Kopf.

»Nein«, sagte sie so ruhig, dass er zuerst glaubte, sie spräche mit sich selbst. Sie blickte auf, schaute ihm in die Augen und sagte: »Es war vor dreißig Jahren. Vor mehr als fünfunddreißig haben wir uns kennen gelernt; und dreißig sind es her, dass all dies geschah. Ich bin nicht jene Maya Katarina Toitovna. Ich kenne sie nicht. Ich weiß nicht, was sie dachte oder fühlte, oder warum. Das macht mir jetzt nichts mehr aus. Ich habe kein Empfinden dafür. Jetzt bin ich, und dies bin ich.« Sie stieß sich mit einem Daumen zwischen die Brüste. »Und schau: Ich liebe dich.«