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Frank wandte sich um. Der Mann hatte ein schmales Gesicht, lange verfilzte Haarfransen und dunkle Haut. Aber als er ihn erblickte, erschauerte er und platzte heraus: »Ja?«

Der Mann schaute ihn an und sagte: »Du kennst mich wohl nicht?«

»Nein. Wer bist du?«

Das Grinsen des Mannes war schief, als ob sein Gesicht durch ein gebrochenes Kiefergelenk gehandicapt wäre. Bei der Straßenbeleuchtung sah es undeutlich und entstellt aus.

»Wer bist du?« fragte Frank wieder.

Der Mann hob den Finger. »Als wir uns das letzte Mal begegneten, hast du die Stadt kaputt gemacht. Heute Nacht bin ich an der Reihe. Ha!« Er ging lachend davon. Jedes scharfe »Ha!« war höher als das vorige.

Als er kurz darauf ins Stadtbüro kam, ergriff Maya ihn am Arm. »Ich habe mir Sorgen gemacht. Du solltest nicht allein in dieser Stadt umhergehen.«

»Halt den Mund!« Er ging ans Telefon und rief die Versorgungszentrale. Alles war normal. Er rief die UNOMA-Polizei an und sagte den Leuten, sie sollten eine bewaffnete Wache an der Zentrale und am Bahnhof in Stellung bringen. Er wiederholte die Anordnung noch für jemanden, der höhere Befugnisse hatte; aber es schien, als ob er bis zu dem neuen Manager gehen müsste, um eine Bestätigung zu erhalten, als der Schirm leer wurde. Unter den Füßen bebte es, und alle Alarmglocken der Stadt schrillten zugleich los.

Dann gab es einen heftigen Stoß. Alle Türen schlossen sich zischend. Das Gebäude schloss sich hermetisch, was bedeutete, dass der Druck draußen jäh gefallen war. Frank und Maya rannten ans Fenster und schauten hinaus. Die Kuppel über Nicosia war heruntergekommen. An manchen Stellen hatte sie sich wie eine Kunststoff-Folie über die höchsten Dächer gebreitet, anderswo blies der Wind sie fort. Leute unten auf den Straßen klopften an Türen, rannten, brachen zusammen und kauerten sich hin wie die Leichen in Pompeji. Frank wandte sich rasch ab. Seine Zähne klapperten vor grimmem Schmerz.

Offenbar hatte sich das Gebäude erfolgreich abgedichtet. Unter all dem Lärm konnte Frank das Summen eines Generators hören oder fühlen. Die Videoschirme waren leer, so dass es schwer war, dem Blick aus dem Fenster zu glauben. Mayas Gesicht war gerötet, aber sie verhielt sich ruhig. »Die Kuppel ist heruntergekommen!«

»Ich weiß.«

»Aber was ist passiert?«

Er antwortete nicht.

Sie hantierte noch an den Bildschirmen. »Hast du schon das Radio versucht?«

»Nein.«

»Na und?« schrie sie, außer Fassung durch sein Schweigen. »Weißt du, was vor sich geht?«

»Revolution«, sagte er.

SIEBTER TEIL

Senzeni Na

Am vierzehnten Tag der Revolution träumte Arkady Bogdanov, wie er und sein Vater auf einer Holzkiste saßen vor einem kleinen Feuer am Rande der Lichtung — einer Art von Lagerfeuer, nur dass die langen, niedrigen, mit Blech gedeckten Häuser von Ugoly nur hundert Meter hinter ihren Rücken standen. Sie hatten die bloßen Hände zu der wärmenden Hitze ausgestreckt, und sein Vater erzählte wieder einmal die Geschichte von seiner Begegnung mit dem Schneeleoparden. Es war windig, und die Flammen züngelten. Dann ertönte hinter ihnen ein Feueralarm.

Das war Arkadys Wecker, der auf vier Uhr morgens gestellt war. Ein Bild aus dem Traum kam ihm wieder in den Sinn. Er hatte seit dem Beginn der Revolte nicht viel geschlafen, ein paar Stunden hier und da; und dieser Alarm hatte ihn aus einigen Träumen im Tiefschlaf gerissen, aus Träumen, an die man sich normalerweise nicht erinnerte. Fast alle waren unverzerrte Erinnerungen an seine Kindheit gewesen, Erinnerungen, die ihm früher nie erschienen waren. Er musste sich fragen, wie viel das Gedächtnis barg, und ob sein Speicher nicht unendlich viel größer wäre als sein Mechanismus der Wiedergewinnung. Könnte man imstande sein, sich an jede Sekunde seines Lebens zu erinnern, aber nur in Träumen, die beim Erwachen immer verloren gingen? Und falls ja, was würde geschehen, wenn die Menschen zwei- oder dreihundert Jahre lang lebten?

Janet Blyleven kam vorbei. Sie sah besorgt aus. »Sie haben Nemesis in die Luft gejagt. Roald hat das Video analysiert und vermutet, dass sie es mit einem Bündel Wasserstoffbomben getroffen haben.«

Sie gingen nach nebenan in die großen Citybüros von Carr, wo Arkady den größten Teil der vergangenen zwei Wochen verbracht hatte. Alex und Roald waren drin vor dem Fernseher. Roald sagte: »Schirm, Band Eins wiederholen!«

Ein Bild flimmerte und stand: Schwarzer Raum, das dichte Netz der Sterne, und mitten im EM ein dunkler unregelmäßiger Asteroid, hauptsächlich sichtbar als Fleck verdeckter Sterne. Die Expansion und Dispersion des Asteroiden war unmittelbar zu sehen. »Schnelle Arbeit«, bemerkte Arkady.

»Da ist noch ein Bild aus einer entfernteren Kamera.«

Dieser Schnitt zeigte den Asteroiden als länglich, und man konnte die silbernen Blasen seines Massenantriebs erkennen. Dann war ein weißes Aufblitzen zu sehen; und als der dunkle Himmel wiederkam, war der Asteroid verschwunden. Ein Flimmern von Sternen rechts auf dem Schirm zeigte die Passage von Fragmenten an. Dann wurde es ruhig und war vorbei. Keine feurige weiße Wolke, noch ein Dröhnen auf der Tonspur. Nur die dünne Stimme eines Reporters, der sagte, dass die Drohung seitens der Marsrevolutionäre endlich beseitigt sei, und etwas über die Rechtfertigung des Konzepts strategischer Verteidigung. Obwohl die Geschosse ganz offensichtlich von der Amex-Mondbasis gekommen waren, von Magnetschienenkatapulten gestartet.

»Mir hat die Idee nie gefallen«, sagte Arkady. »Das war wieder gegenseitige totale Vernichtung.«

»Wenn aber bei gegenseitiger totaler Vernichtung eine Seite die Fähigkeit verliert …« wandte Roald ein.

»Wir haben hier aber nicht die Fähigkeit verloren. Und sie beurteilen das, was hier ist, genau so wie wir. So sind wir wieder bei der Schweizer Verteidigung angelangt.« Zerstören, was sie begehrten, und sich in die Berge zurückziehen, um ewig Widerstand zu leisten. Das war mehr nach seinem Geschmack.

»Es ist schwächer«, sagte Roald offen. Er hatte mit der Mehrheit dafür gestimmt, Nemesis auf Erdkurs zu bringen.

Arkady nickte. Es konnte nicht bestritten werden, dass ein Term aus der Gleichung gelöscht worden war. Aber es war nicht klar, ob sich das Gleichgewicht der Kräfte geändert hatte. Nemesis war nicht seine Idee gewesen. Mikhail Yangel hatte es vorgeschlagen, und die Gruppe in dem Asteroiden hatte es von sich aus durchgeführt. Jetzt waren viele von ihnen tot, getötet durch die große Explosion oder durch kleinere im Gürtel draußen, während Nemesis selbst den Eindruck erweckt hatte, dass die Rebellen Massenzerstörung auf der Erde dulden würden. Eine schlechte Idee, wie Arkady dargelegt hatte.

Aber so war es nun einmal bei einer Revolution. Niemand war unter Kontrolle, ganz gleich, was das Volk sagte. Und zum größten Teil war es so besser, besonders hier auf dem Mars. In der ersten Woche waren die Kämpfe heftig gewesen. UNOMA und die Transnationalen hatten ihre Sicherheitskräfte im vorangegangenen Jahr verstärkt. Eine Menge der großen Städte war sofort von ihnen eingenommen worden; und das hätte überall geschehen können. Nur stellte sich heraus, dass es so viel mehr Rebellengruppen gab, als sie oder sonst jemand gewusst hatten. Über sechzig Städte und Stationen waren ins Nachrichtennetz gegangen und hatten sich für unabhängig erklärt. Sie waren aus den Labors und Bergen herausgestürmt und hatten einfach die Macht ergriffen. Und jetzt, da die Erde auf der anderen Seite der Sonne stand und die nächste ständige Fähre zerstört war, waren es die Sicherheitskräfte, die unter Belagerung standen, ob große Städte oder nicht.