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»Aber wem?« fragte der kleine Mann. »Und für wen? Und wie?«

»Jedem, und natürlich über Funk!« Die Frau sah Nadia an, die die Achseln zuckte.

Dann piepte ihr Armband, und Sasha Yefremov plapperte mit einer kleinen Stimme aus dem Armbandlautsprecher. Die Wasserstation im Norden der Stadt war explodiert, und die Quelle, die sie abdeckte, war zu einem artesischen Brunnen aus Wasser und Eis geworden.

»Ich werde gleich da sein«, sagte Nadia entsetzt. Das Wasserwerk der Stadt bildete die Kappe des Wasserreservoirs von Laßwitz, welches recht groß war. Wenn ein wesentlicher Teil des Wasserlagers durch die Oberfläche brach, würden das Wasserwerk und die Stadt und der ganze Canyon in einer katastrophalen Flut verschwinden. Und noch schlimmer — Burroughs lag nur zweihundert Kilometer abwärts am Abhang von Syrtis und Isidis; und die Flut könnte recht wahrscheinlich so weit laufen. Burroughs! Seine Bevölkerung war für eine Evakuierung viel zu groß, besonders jetzt, wo es zu einem Zufluchtsort für Menschen geworden war, die dem Krieg entronnen waren. Es gab einfach keinen anderen Ort, wohin man gehen könnte.

»Kapitulation«, beharrte die Frau in der Halle. »Alle müssen sich ergeben!«

»Ich glaube nicht, dass das noch gehen wird«, sagte Nadia und lief zur Schleuse des Gebäudes.

Ein Teil von ihr war höchst erleichtert, etwas tun zu können, aufzuhören, sich in ein Gebäude zu drängen und Katastrophen im Fernsehen zu betrachten. Sie konnte etwas tun. Und Nadia hatte den Plan von Laßwitz angefertigt und den Bau vor sechs Jahren überwacht. Darum hatte sie jetzt eine Vorstellung davon, was zu tun war. Die Stadt war eine Kuppel der Nicosia-Klasse, bei dem die Farm und die Versorgungszentrale getrennte Strukturen waren und das Wasserwerk sich weit im Norden befand. Alle Bauten befanden sich auf dem Boden einer großen ostwestlichen Spalte, genannt der Arena-Canyon. Dessen Wände waren fast senkrecht und einen halben Kilometer hoch. Das Wasserwerk lag nur ein paar hundert Kilometer von der Nordwand des Canyons entfernt, die dort einen beachtlichen Überhang in der Höhe hatte. Während Nadia mit Sasha und Yeli zum Wasserwerk fuhr, skizzierte sie schnell ihren Plan. »Ich denke, wir können die Klippe sprengen und auf das Werk herunterlassen, und wenn das gelingt, sollte der Erdrutsch ausreichen, um das Leck abzudecken.«

»Würde die Flut nicht das heruntergekommene Gestein wegreißen?« fragte Sasha.

»Sicher, falls es der volle Ausbruch eines Wasserlagers ist. Aber wenn wir es abdecken, wird das austretende Wasser in dem Erdrutsch gefrieren und einen Damm bilden, der schwer genug ist, es festzuhalten. Der hydrostatische Druck ist in diesem Wasserreservoir nur etwas größer als der lithostatische Druck des Gesteins darüber. Also wird der artesische Strom nicht allzu stark sein. Andernfalls wären wir bereits tot.«

Sie bremste den Rover ab. Durch die Windschutzscheibe konnten sie in einer Wolke aus dünnem Reif die Reste des Wasserwerk erkennen. Ein Rover kam mit voller Geschwindigkeit auf sie zu. Nadia schaltete die Scheinwerfer ein und stellte das Radio auf die allgemeine Frequenz. Es war die Besatzung des Werks, ein Paar namens Angela und Sam, völlig entnervt nach den Abenteuern der letzte Stunde. Als sie nebeneinander stehend berichtet hatten, erklärte Nadia ihnen, was sie vorhatte. Angela sagte: »Das würde funktionieren. Bestimmt wird jetzt nichts anderes es stoppen können. Es pumpt richtig.«

»Wir müssen uns beeilen«, sagte Sam. »Es frisst das Gestein in unheimlichem Tempo.«

Angela sagte mit einer gewissen morbiden Begeisterung: »Wenn wir es nicht abdecken, wird es so aussehen wie damals, als der Atlantik durch die Meerenge von Gibraltar gebrochen ist und das Becken des Mittelmeers überflutet hat. Das war ein Wasserfall, der zehntausend Jahre gedauert hat.«

»Ich habe nie davon gehört«, sagte Nadia. »Kommt mit uns zur Klippe und helft uns, die Roboter in Gang zu setzen!«

Während der Hinfahrt hatte sie alle Bauroboter der Stadt aus ihrem Hangar zum Fuß der Nordwand dirigiert, neben dem Wasserwerk. Als die zwei Rover dort ankamen, fanden sie, dass einige der schnelleren Roboter schon eingetroffen waren. Der Rest wühlte sich über den Canyonboden auf sie zu. Eine kleine Geröllhalde befand sich am Fuß der Klippe, die im Mittagslicht schimmernd wie eine enorme gefrorene Welle über ihnen aufragte. Nadia schaltete sich auf die Räumfahrzeuge und Bulldozer und gab ihnen Anweisungen, Wege durch die Halde freizumachen. Danach würden direkt in die Klippe Tunnels gebohrt werden. Nadia zeigte auf eine areologische Karte des Canyons, die sie auf den Schirm des Rovers gerufen hatte, und sagte: »Seht, da hinter dem überhängenden Stück ist eine Störung. Sie ist die Ursache, weshalb die Lippe der Mauer ein wenig abrutscht. Seht ihr den etwas niedrigeren Sims ganz oben? Wenn wir alle Sprengmittel, die wir haben, am Fuß dieser Störung einsetzten, wird sicher der ganze Überhang herunterkommen. Meint ihr nicht auch?«

»Ich weiß es nicht«, sagte Yeli. »Es ist aber einen Versuch wert.«

Inzwischen kamen die langsameren Roboter an und brachten verschiedene Sprengstoffe, die von der Ausschachtung bei der Gründung der Stadt übrig geblieben waren. Nadia ging ans Werk und programmierte die Vehikel, einen Tunnel in den Boden der Klippe zu bohren. Für den größten Teil einer Stunde war sie für die Welt verloren. Als sie fertig war, sagte sie: »Lasst uns wieder zur Stadt zurückgehen und alle evakuieren. Ich kann nicht sicher sein, wie viel von der Klippe herunterkommen könnte, und wir wollen nicht alle verschütten. Wir haben vier Stunden.«

»Jesus, Nadia!«

»Vier Stunden.« Sie gab den letzten Befehl ein und startete ihren Rover. Angela und Sam folgten mit Hochrufen.

»Ihr scheint nicht sehr traurig zu sein wegzukommen«, sagte Yeli.

»Es war höllisch langweilig«, erwiderte Angela.

»Ich denke nicht, dass das künftig noch ein Problem sein wird.«

Die Evakuierung war schwierig. Eine Menge Leute wollten die Stadt nicht verlassen, und es gab für sie kaum Platz in den verfügbaren Rovern. Schließlich waren alle in das eine oder andere Vehikel gestopft und befanden sich auf der Transponderstraße nach Burroughs. Laßwitz war leer. Nadia versuchte eine Stunde lang Phyllis über Satellitentelefon zu erreichen, aber die Kanäle waren unterbrochen durch etwas, das wie systematische Störbemühungen klang. Nadia hinterließ eine Mitteilung auf dem Satelliten: »Wir sind Nichtkombattanten in Syrtis Major und versuchen zu verhindern, dass das Wasserlager von Laßwitz Burroughs überflutet. Lasst uns also in Ruhe!« Eine Art von Kapitulation.

Zu Nadia, Sasha und Yeli stießen noch Angela und Sam in ihrem Rover, und sie fuhren die steilen Spitzkehren der Klippenstraße empor zum Südrand des Arena-Canyons. Querab von ihnen lag die imposante Nordwand. Links unten war die Stadt, die fast normal aussah. Aber zur Rechten war deutlich etwas nicht richtig. Das Wasserwerk war in der Mitte durch einen dicken weißen Geysir zerbrochen, der wie ein defekter Hydrant eine Fahne bildete, die in ein Gewirr aus schmutzig weißroten Eisblöcken absank. Noch während sie hinschauten, verschob sich die ungefüge Masse und ließ kurzzeitig schwarzes strömendes Wasser erkennen, das wild Rauhreifdampf ausstieß. Weiße Nebelschwaden drangen aus den schwarzen Rissen und peitschten dann mit dem Wind den Canyon hinab. Das Gestein und der Grus der Marsoberfläche waren so dehydriert, dass sie, wenn Wasser darauf klatschte, in heftigen chemischen Reaktionen zu explodieren schienen. Wenn Wasser über den Boden rann, schossen darum große Staubwolken in die Luft und verbanden sich mit dem Eisdampf, der vom Wasser aufwirbelte.