Выбрать главу

»Sax wird zufrieden sein«, sagte Nadia grimmig.

Zu der angegebenen Stunde schossen vier Rauchwolken aus der Basis der Nordwand. Einige Sekunden lang passierte nichts weiter, und die Beobachter stöhnten. Dann machte die Vorderseite der Klippe einen Ruck, und der Fels des Überhangs rutschte langsam und majestätisch in die Tiefe. Dicke Wolken schossen vom Boden der Klippe auf, und dann sprangen dichte Massen von Auswurfmaterial heraus wie Wasser unter einem kalbenden Eisberg. Ein tiefes Dröhnen erschütterte ihren Rover, und Nadia fuhr ihn vorsichtshalber vom Südrande zurück. Gerade noch, ehe eine massive Staubwolke ihnen die Sicht nahm, sahen sie, wie das Wasserwerk von der rasch kippenden Kante des Erdrutsches bedeckt wurde.

Angela und Sam hatten gejubelt. Sasha fragte: »Wie können wir feststellen, ob es geklappt hat?«

»Warte, bis wir es wieder sehen können!« sagte Nadia. »Hoffentlich wird die Flut stromabwärts weiß geworden sein. Kein offenes Wasser mehr, keine Bewegung.«

Sasha nickte. Sie saßen da und schauten in den alten Canyon hinunter. Sie warteten. Nadia fühlte sich leer. Trübe Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Sie brauchte mehr Aktion, als in den letzten paar Stunden, eine Tätigkeit, die ihr Zeit zum Nachdenken ließ. Nur einen Moment Pause, und die ganze elende Situation prallte wieder auf sie zurück: die ruinierten Städte, die Toten überall, Arkadys Verschwinden. Und offenbar hatte niemand die Kontrolle. Keinerlei Plan. Polizeitruppen verwüsteten Städte, um der Revolution Einhalt zu gebieten; und Rebellen verwüsteten Städte, um die Revolution in Gang zu halten. Es würde damit enden, dass alles zerstört war, ihr ganzes Lebenswerk, vor ihren Augen in die Luft geflogen — und völlig ohne Grund. Aus absolut keinem Grund!

Sie konnte es sich nicht leisten, nachzudenken. Da unten hatte ein Erdrutsch hoffentlich ein Wasserwerk überrannt, und das aus dem Brunnen brausende Wasser war blockiert worden und gefroren, um einen festen Damm zu bilden. Es war schwer zu sagen, was danach kommen würde. Wenn der hydrostatische Druck in dem Wasserreservoir groß genug war, konnte es zu einem neuen gewaltsamen Ausbruch kommen. Aber wenn der Damm dick genug war … Nun, man konnte daran nichts ändern. Wenn sie allerdings eine Art Notventil schaffen könnten, um den Druck von dem Erdrutschdamm zu nehmen …

Langsam trieb der Wind den Staub fort. Ihre Gefährten jubelten wieder. Das Wasserwerk war dahin, bedeckt von einem frischen schwarzen Erdrutsch, der aus der Nordwand herausgekommen war, die jetzt an ihrem Rand einen großen neuen Bogen bildete. Aber es war knapp gewesen. Nichts auch nur annähernd so Großes wie ein Erdrutsch, wie sie gehofft hatte. Laßwitz selbst gab es noch, und es schien, als ob die Gesteinsschicht über dem Wasserwerk nicht allzu dick wäre. Die Flut schien eingedämmt zu sein. Sie schien bewegungslos, ein klumpiger, dreckiger, weißer Schwaden, wie ein Gletscher, der mitten in einem Canyon hinabgleitet. Und es stieg nur noch sehr wenig Reif dampf von ihm auf. Aber …

»Wir sollten nach Laßwitz hinuntergehen und die Daten des Wasserreservoirs kontrollieren«, sagte Nadia.

Sie fuhren die Straße in der Canyonwand hinab und in die Garage von Laßwitz. Sie gingen in Schutzanzügen durch die leeren Straßen. Der Kontrollraum des Wasserwerks lag gleich neben den Stadtbüros. Es war seltsam, ihre Zufluchtstätte der letzten Tage leer zu sehen.

Im Kontrollraum untersuchten sie die Daten der verschiedenen unterirdischen Sensoren. Viele von ihnen funktionierten nicht mehr; aber die anderen zeigten an, dass der hydrostatische Druck im Reservoir höher war als je zuvor und noch zunahm. Wie um das zu unterstreichen, erschütterte ein leichtes Beben den Boden, dass die Sohlen ihrer Stiefel vibrierten. Keiner von ihnen hatte je zuvor so etwas auf dem Mars erlebt. »Scheiße!« sagte Yeli. »Das Ding wird sicher noch einmal explodieren.«

»Wir müssen einen Abzugskanal bohren«, sagte Nadia. »Eine Art Druckventil.«

»Aber wie, wenn es ausbricht wie das große?« fragte Sasha.

»Wenn wir es an das obere Ende des Reservoirs legen oder auf halber Strecke, so dass es einen Teil der Wassermassen aufnimmt, sollte es gut sein. Ebenso gut wie das alte Wasserwerk, das vermutlich jemand hat hochgehen lassen, sonst würde es noch prima funktionieren.« Sie schüttelte traurig den Kopf. »Wir müssen es riskieren. Wenn es klappt, dann klappt es. Falls nicht, bewirken wir vielleicht einen Ausbruch. Aber wenn wir gar nichts tun, wird es mit Sicherheit einen Ausbruch geben.«

Sie führte die kleine Gruppe über die Hauptstraße zum Lagerhaus der Roboter in der Garage und fing an, im Befehlszentrum neu zu programmieren. Eine Standard-Bohrung mit maximaler Ausblashemmung. Das Wasser würde unter artesischem Druck an die Oberfläche kommen; und dann würden sie es in eine Pipeline leiten, die eine Robotergruppe in einer Richtung anlegen sollte, die aus dem Bereich des Arena-Canyons hinausführen würde. Nadia und die anderen studierten topographische Karten und ließen simulierte Fluten durch verschiedene, parallel zu Arena nach Norden und Süden verlaufende Canyons strömen. Sie fanden, dass die Wasserscheide enorm war. Alles auf Syrtis floss in Richtung Burroughs ab. Das Land war hier eine riesige Schüssel. Sie würden das Wasser fast dreihundert Kilometer nach Norden leiten müssen, um in die nächste Wasserscheide zu kommen. Yeli sagte: »Seht, wenn wir es in die Nili Fossae führen, wird es direkt nach Norden bis Utopia Planitia laufen und auf den nördlichen Dünen gefrieren.«

»Sax muss diese Revolution lieben«, sagte Nadia von neuem. »Er bekommt etwas, das sie ihnen nie genehmigt hätten.«

»Aber eine Menge seiner Projekte dürften schief gehen«, erklärte Yeli.

»Ich wette, das ist immer noch ein Nettogewinn, so wie Sax es sieht. All dieses Wasser auf der Oberfläche …«

»Wir werden ihn fragen müssen.«

»Wenn wir ihn je wieder sehen.«

Yeli schwieg. Dann sagte er: »Ist das wirklich so viel Wasser?«

»Es ist nicht bloß Laßwitz«, sagte Sam. »Ich habe neulich eine kurze Meldung gesehen — sie haben das Wasserreservoir von Lowell zerstört, ein großer Ausbruch wie jene, die einst die Ausflußkanäle geschnitten haben. Das wird Millionen Tonnen Regolith zu Tal reißen, aber ich weiß nicht, wie viel Wasser das war. Es ist unglaublich.«

»Aber warum?« sagte Nadia.

»Ich nehme an, es ist die beste Waffe, die sie haben.«

»Was heißt hier Waffe? Sie können weder damit zielen, noch sie anhalten!«

»Nein. Aber das kann auch sonst niemand. Und denk darüber nach: Alle Städte unterhalb von Lowell sind verschwunden. Franklin, Drexler, Osaka, Galileo. Ich glaube, sogar Silverton. Und das waren alle transnationale Städte. Ich denke, dass viele Bergwerkstädte in den Kanälen verwundbar sind.«

»Also greifen beide Seiten die Infrastruktur an«, sagte Nadia niedergeschlagen.

»Ja.«

Sie mussten arbeiten. Sie hatten keine andere Wahl. Sie programmierten Roboter; und sie verbrachten den Rest des Tages und den nächsten damit, dass sie die Roboterteams zur Bohrstelle hinausschickten und sich vergewisserten, dass der Start in Ordnung ging. Das Bohren ging gut voran. Man musste nur dafür sorgen, dass die Drücke in den Wasserlagern nicht zu einem Ausbruch führten. Und die Pipeline zu verlegen, die Wasser nach Norden leiten sollte, war noch einfacher, eine Arbeit, die seit Jahren vollautomatisiert war. Aber sie verdoppelten ihre Bemühungen bei allen Geräten, um sicherzugehen. Hinauf zum Bett des Nordcanyons und dann von dort noch weiter. Es war nicht nötig, Pumpen vorzusehen. Der artesische Druck würde die Strömung regeln; denn wenn der Druck stark genug fiel, dass kein Wasser aus dem Canyon hinausgedrückt wurde, dann wäre die Gefahr eines Ausbruchs am unteren Ende wahrscheinlich ohnehin vorbei. Als also die mobilen Magnesiummühlen sich vorarbeiteten und Grus aufschöpften und Rohre herstellten, und als die Gabelstapler und Frontlader diese Rohrabschnitte zur Montage brachten, und wenn das große, sich bewegende Bauwerk die Segmente aufnahm und hinter sich die Pipeline ausstieß, während es langsam die Straße entlangrollte, und ein weiterer mobiler Behemoth das fertige Rohr übernahm und es in eine Luftgitterisolierung hüllte, die aus Abfällen der Raffinerie angefertigt wurde, und das erste Segment der Pipeline erwärmt war und lief — da erklärten sie das System für brauchbar und hofften, dass es weitere dreihundert Kilometer schaffen würde. Die Pipeline würde mit ungefähr einem Kilometer pro Stunde gebaut werden, vierundzwanzigeinhalb Stunden täglich. Wenn also alles gut ginge, wären es etwa zwölf Tage bis Nili Fossae. In diesem Tempo würde die Pipeline sehr bald fertig sein, nachdem der Brunnen gebohrt und bereit wäre. Und falls der Erdrutschdamm so lange hielt, würden sie ihr Druckventil haben.