Den sechs Reisenden erzählte dies eine Flughafenangestellte, die immer noch stur ihren Dienst tat, obwohl keine Shuttles mehr verkehrten. Nachdem sie sie zu Parkplätzen zwischen einer großen Flugzeugflotte am Ende der Rollbahn geleitet hatte, sagte sie ihnen, sie sollten die Schutzkleidung anlegen und die Strecke bis zur Stadtmauer zu Fuß gehen. Es machte Nadia schrecklich nervös, die zwei 16Ds zurückzulassen und in eine Stadt zu gehen. Sie war auch nicht beruhigt, nachdem sie durch die Schleuse gegangen waren, und sie sah, dass die meisten drinnen Schutzanzüge trugen und ihre Helme dabei hatten für den Fall eines etwaigen Druckverlustes.
Sie gingen zu den Stadtbüros und fanden dort Frank und Maya vor, ebenso Mary Dunkel und Spencer Jackson. Sie begrüßten einander erleichtert. Aber es war keine Zeit, um sich über ihre verschiedenen Abenteuer auszusprechen. Frank war vor einem Bildschirm beschäftigt und sprach, nach dem Ton zu urteilen, mit jemandem im Orbit oder sogar mehreren. Er wehrte ihre Umarmungen ab und winkte nur kurz, um ihr Eintreffen zu bestätigen. Offenbar steckte er in einem funktionierenden Nachrichtensystem oder sogar mehreren, denn er blieb sechs Stunden hintereinander vor dem Schirm und sprach mit dem einen oder anderen Gesicht. Er machte nur eine Pause, um einen Schluck Wasser zu trinken oder einen anderen Anruf zu tätigen, ohne für seine alten Gefährten einen Blick zu erübrigen. Er schien sich in einem Zustand ständiger Raserei zu befinden, denn seine Kiefermuskeln arbeiteten rhythmisch. Im übrigen war er in seinem Element. Er erklärte und dozierte, schmeichelte und drohte, fragte und machte dann ungeduldig Bemerkungen zu den erhaltenen Antworten. Mit anderen Worten, er wendete sich und verhandelte in seiner alten Art, aber mit einer bitteren und sogar erschrockenen Note, als ob er nach einem erschöpfenden Spaziergang auf einer Klippe über seinen Rückweg zum Boden diskutieren würde.
Als er schließlich auflegte, lehnte er sich in seinem Sessel zurück und seufzte theatralisch. Dann stand er steif auf und kam herüber, um sie zu begrüßen. Er legte eine Hand kurz Nadia auf die Schulter. Im übrigen war er allen gegenüber brüsk und völlig desinteressiert daran, wie sie es geschafft hatten, bis Cairo zu gelangen. Er wollte nur wissen, wen sie getroffen hatten und wo, und wie gut es diesen verstreuten Gruppen ginge und was diese vorhätten. Ein paar Mal ging er an seinen Schirm zurück und setzte sich mit diesen Gruppen unmittelbar in Verbindung, nachdem er ihren Standort erfahren hatte — eine Fähigkeit, die die Reisenden erstaunte, da sie angenommen hatten, alle wären so abgeschlossen gewesen, wie sie es waren. »UNOMA-Verbindungen«, erklärte Frank und fuhr mit einer Hand über sein dunkles Kinn. »Die halten für mich einige Kanäle offen.«
»Warum?« fragte Sax.
»Weil ich bestrebt bin, dem Einhalt zu gebieten. Ich bemühe mich um einen Waffenstillstand und dann eine Generalamnestie. Danach einen Wiederaufbau unter Beteiligung aller.«
»Aber unter wessen Leitung?«
»Natürlich unter der Leitung der UNOMA. Und der nationalen Büros.«
»Aber die UNOMA stimmt nur dem Waffenstillstand zu«, mutmaßte Sax, »während die Rebellen nur der Generalamnestie zustimmen.«
Frank nickte kurz. »Und keine von beiden sind für einen Wiederaufbau unter Beteiligung aller. Aber die gegenwärtige Lage ist so schlimm, dass sie mitmachen könnten. Vier weitere Wasserlager sind in die Luft geflogen, seit das Kabel herunterkam. Die liegen alle am Äquator. Manche Leute sprechen von Ursache und Wirkung.«
Ann schüttelte dabei den Kopf, und Frank schien darüber erfreut zu sein. »Ich bin ziemlich sicher, dass sie aufgebrochen wurden. Eines haben sie an der Mündung von Chasma Borealis aufgebrochen. Das strömt aus in die Dünen von Borealis.«
»Das Gewicht der Polkappe setzt es wahrscheinlich stark unter Druck«, sagte Ann.
Sax fragte Frank: »Weißt du, was mit der Acherongruppe geschehen ist?«
»Nein. Die ist verschwunden. Ich fürchte, es könnte so gewesen sein wie mit Arkady.«
»Aber was geschieht auf der Erde?« fragte Ann. »Was hat die UN zu alledem zu sagen?«
Frank erklärte nachdrücklich: »Der Mars ist keine Nation, sondern eine Ressource der Erde. Sie sagen, dass der winzige Bruchteil der Menschheit, der hier lebt, nicht alle Ressourcen kontrollieren darf, wenn die materielle Basis der Menschheit im ganzen so stark gefährdet ist.«
»Das ist wahrscheinlich richtig«, hörte Nadia sich sagen. Ihre Stimme war heiser. Ihr war, als hätte sie seit Tagen nicht mehr gesprochen.
Frank zuckte die Achseln.
»Ich nehme an, dass sie deshalb den Transnationalen so freie Hand gelassen haben«, sagte Sax. »Mir scheint, dass die hier mehr von ihren Sicherheitsleuten haben, als die UN-Polizei ausmacht.«
»Das stimmt«, sagte Frank. »Die UN hat lange gebraucht, um ihre Friedenstruppen zu schicken.«
»Die haben nichts dagegen, wenn die Dreckarbeit von anderen erledigt wird.«
»Natürlich nicht.«
»Und die Erde selbst?« fragte Ann.
Frank zuckte die Achseln. »Die Gruppe der Sieben scheint die Dinge unter Kontrolle zu bekommen.« Er schüttelte den Kopf. »Das ist von hier aus allerdings wirklich schwer zu sagen.«
Er ging an seinen Schirm, um weitere Anrufe zu tätigen. Die anderen gingen fort zum Essen und um Freunde und Bekannte zu treffen aus dem Rest der Ersten Hundert, oder zu hören, was es von der Erde Neues gab. Die Gefälligkeitsflaggen waren durch Angriffe der Habenichtse im Süden vernichtet worden; aber offenbar hatten sich die Transnationalen zu der Gruppe der Sieben geflüchtet. Sie wurden aufgenommen und von den riesigen Streitkräften der Sieben verteidigt. Der zwölfte Anlauf zu einem Waffenstillstand hielt jetzt schon seit einigen Tagen.
So hatten sie ein bisschen Zeit, sich zu erholen. Aber als sie durch den Gemeinschaftsraum gingen, war Frank immer noch da. Er geriet, wie es schien, immer mehr in Wut und bahnte sich einen Weg durch einen endlosen Alptraum von Bildschirmdiplomatie und redete ständig in einem drängenden, zornigen und beißenden Ton. Er war darüber hinaus, irgendwen zu irgend etwas zu beschwatzen. Es war eine reine Willenssache. Er versuchte, die Welt ohne einen Angelpunkt, oder nur mit einem minimalen Hebelansatz zu bewegen, wobei sein Hebel hauptsächlich aus seinen alten amerikanischen Verbindungen bestand und seinem laufenden persönlichen Verhältnis zu verschiedenen Revolutionsführern. In beiden Fällen war er stark behindert durch die Ereignisse und TV-Ausfälle. Und beides verlor auf dem Mars zunehmend an Gewicht, während UNOMA und die transnationalen Kräfte eine Stadt nach der anderen einnahmen. Es schien Nadia, als versuche Frank jetzt den Fortgang des Prozesses durch die reine Kraft seines Ärgers über seinen Mangel an Einfluss zu erzwingen. Sie fand, dass sie es nicht mehr ertragen konnte, bei ihm zu sein. Die Dinge waren so schon schlimm genug ohne seine giftige Galle.
Aber mit Saxens Hilfe bekam er ein unabhängiges Signal zur Erde, indem er sich mit Vesta in Verbindung setzte und die dortigen Techniker veranlasste, Mitteilungen in beiden Richtungen zu senden. Das bedeutete ein paar Stunden zwischen Sendung und Empfang; aber nach etlichen Tagen brachte er fünf codierte Nachrichten an Staatssekretär Wu durch; und während er in der Nacht auf Antworten wartete, füllten die Leute auf Vesta die Lücken mit Bändern voll Nachrichtenprogrammen von der Erde, die sie nicht gesehen hatten. Alle diese Meldungen stellten, sofern sie überhaupt auf die Lage auf dem Mars eingingen, die Revolte als eine unbedeutende Unterbrechung dar, verursacht durch kriminelle Elemente, hauptsächlich entwichene Gefangene von Korolyov, die tobend sinnlosen Sachschaden angerichtet und dabei viele unschuldige Zivilisten getötet hätten. In diesen Meldungen spielten Clips der erfrorenen nackten Wächter vor Korolyov eine bevorzugte Rolle, wie auch Telefotos der Wasserausbrüche. Die skeptischsten Programme erwähnten, dass diese und alle anderen Clips vom Mars von UNOMA geliefert wären; und einige Stationen in China und den Niederlanden stellten sogar die Richtigkeit der UNOMA-Meldungen in Frage. Aber sie boten keine alternative Erklärung der Ereignisse, und zum größten Teil verbreiteten die terrestrischen Medien die transnationale Version der Dinge. Als Nadia darauf hinwies, knurrte Frank und sagte verächtlich: »Natürlich. Die Nachrichtendienste der Erde sind transnational.« Er stelle den Ton ab.