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Die Nachricht von der Diskussion zwischen John und Phyllis verbreitete sich in der Crew. Maya war nicht sicher, wer die Geschichte verbreitete. Weder John noch Phyllis schienen geneigt, darüber zu sprechen. Dann sah sie Frank mit Hiroko lachen, als er ihr etwas erzählte. Während sie mit ihnen ging, hörte sie Hiroko sagen: »Du musst zugeben, dass Phyllis in dieser Hinsicht recht hat. Wir verstehen ja wirklich nichts vom Warum der Dinge.«

Also Frank. Er säte Zwietracht zwischen Phyllis und John. Und (was nicht trivial war) das Christentum war immer noch eine große Kraft in Amerika und anderswo. Wenn es sich daheim herumspräche, dass John Boone gegen das Christentum war, würde er Schwierigkeiten bekommen. Und das wäre für Frank gar nicht so übel. Sie alle hatten auf der Erde Auftritte in den Medien, aber wenn man einige Nachrichten und Beiträge verfolgte, dann wurde klar, dass manche mehr davon bekamen als andere. Dadurch sahen sie stärker aus und wurden es dann auch tatsächlich. Zu dieser Gruppe gehörten Vlad und Ursula (von denen sie annahm, dass sie jetzt näher befreundet waren), Frank, Sax — alles Leute, die vor der Auswahl schon bekannt gewesen waren, und niemand mehr als John. Daher könnte jede Minderung ihres Ansehens auf der Erde für die betreffende Person auch einen korrespondierenden Effekt auf ihren Status auf der Ares haben. Das also schien Franks Politik zu sein.

Es gab ein Gefühl, als wären sie im Innern eines Hotels ohne Ausgänge eingesperrt, sogar ohne Balkons. Der Druck des Hotellebens nahm zu. Sie waren jetzt seit vier langen Monaten drin, aber das war noch nicht mal die halbe Reise. Und keines ihrer sorgfältig geplanten physischen Milieus oder täglichen Routinen konnte deren Ende beschleunigen.

Dann beschäftigte sich eines Morgens das zweite Flugteam wieder mit einem von Arkadys Problemläufen, als mit einem Mal auf verschiedenen Schirmen rote Lichter aufflammten.

Rya sagte: »Die Sonnenüberwachungsgeräte haben eine Eruption auf der Sonne entdeckt.«

Arkady stand sofort auf. »Das bin ich nicht!« rief er und beugte sich vor, um den ihm nächsten Schirm zu betrachten. Er schaute auf, traf auf das skeptische Grinsen seiner Kollegen und grinste zurück. »Tut mir leid, Freunde. Das ist jetzt der wirkliche Wolf.«

Eine Notmeldung aus Houston bestätigte ihn. Er hätte auch diese vortäuschen können; aber er war schon unterwegs zur nächsten Speiche, und sie konnten nichts machen. Ob Schwindel oder nicht, sie mussten ihm folgen.

Tatsächlich war eine große Sonneneruption ein Ereignis, das sie vorher schon oft simuliert hatten. Ein jeder hatte bestimmte Aufgaben, davon etliche in sehr kurzer Zeit. Darum rannten sie um die Torusse, fluchten auf ihr Pech und bemühten sich, einander nicht in die Quere zu kommen. Es gab sehr viel zu tun, da das Verschalten kompliziert und nicht sehr automatisiert war. Während des Schleppens von Pflanzenkästen in den zugehörigen Schutzraum schrie Janet: »Ist das einer von Arkadys Tests?«

»Er sagt nein.«

»Mist!«

Sie hatten die Erde absichtlich während eines Mimimums im Aktivitätszyklus der Sonne verlassen, um die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer solchen Eruption zu mindern. Sie hatten ungefähr eine halbe Stunde, bis die erste Strahlung eintraf; und nicht mehr als eine Stunde danach würde das wirklich harte Zeug folgen.

Notlagen im Weltraum können so auffällig sein wie eine Explosion oder so ungreifbar wie eine Gleichung, aber ihre Augenfälligkeit hat nichts mit ihrer Gefährlichkeit zu tun. Die Sinnesorgane der Besatzung würden nie den subatomaren Wind spüren, der auf sie zukam, und doch war er eines der schlimmsten Dinge, die passieren konnten. Und das wussten sie alle. Sie rannten durch die Torusse, um ihre Abdeckungsarbeiten zu erledigen — Pflanzen mussten verhüllt oder in geschützte Bereiche geschafft werden, die Hühner und Schweine und Zwergrinder und die übrigen Tiere und Vögel mussten in ihre eigenen gesicherten Schutzräume getrieben werden, Sämereien und gefrorene Embryos mussten eingesammelt und weggeschafft werden. Empfindliche elektrische Geräte mussten in Kästen gebettet oder eingehüllt werden. Nachdem sie mit diesen dringend eiligen Aufgaben fertig waren, hangelten sie sich an den Speichen hinauf zum Zentralschacht und flüchteten sich dann durch dessen Mittelrohr in den Sturmschutzraum, der sich direkt hinter dem hinteren Ende des Schachtes befand.

Hiroko und ihre Biosphärenmannschaft kamen als letzte herein und polterten durch die Schleuse volle siebenundzwanzig Minuten nach dem ersten Alarm. Sie stürzten erhitzt und außer Atem in den schwerelosen Raum. »Hat es schon angefangen?«

»Noch nicht.«

Sie rissen persönliche Dosimeter von einem Klettbandregal und befestigten sie an ihrer Kleidung. Der Rest der Crew schwebte schon in der halbzylindrischen Kammer, schwer atmend und mit der Behandlung von Prellungen und einigen Verrenkungen beschäftigt. Maya ließ sie abzählen und war erleichtert zu hören, dass alle hundert Personen ohne Ausfälle durchgekommen waren.

Der Raum schien gedrängt voll zu sein. Sie hatten seit vielen Wochen nicht alle Hundert auf einem Fleck beisammen gehabt, und sogar ein maximaler Raum wirkte nicht groß genug. Dieser hier beanspruchte einen Tank im mittleren Strang des Nabenschachtes. Die vier Tanks um ihn herum waren mit Wasser gefüllt; und ihr Tank wurde der Länge nach von einem anderen Halbzylinder eingenommen, der mit Schwermetallen gefüllt war. Dessen flache Seite war ihr ›Fußboden‹, und er war auf kreisrunden Schienen in den Tank eingefügt. Er rotierte, um die Achsenrotation des Schiffs aufzuheben und hielt so das Rohr immer zwischen den Menschen und der Sonne.

So schwebten sie in einem nicht rotierenden Raum, während sich das gewölbte Dach des Tanks über ihnen mit den üblichen vier Umläufen pro Minute drehte. Das sah merkwürdig aus und durch die zusätzliche Schwerelosigkeit drohten einige Leute seekrank zu werden. Diese Unglücklichen sammelten sich am Ende des Schutzraums, wo sich die Toiletten befanden. Und um ihnen visuell zu helfen, orientierten sich alle anderen nach dem Fußboden. Deshalb kam die Strahlung durch die Füße herein, zumeist Gammastrahlen, die von den Schwermetallen ausgestreut wurden. Maya fühlte einen Impuls, die Knie zusammenzuhalten. Menschen schwebten an Ort und Stelle oder legten Sandalen mit Klettsohlen an, um über den Flur zu gehen. Sie sprachen leise, fanden instinktiv ihre Türnachbarn, Arbeitskollegen und Freunde. Die Unterhaltungen verliefen gedämpft, als ob man einer Cocktailgesellschaft verkündet hätte, dass die Hors d’oeuvres verdorben gewesen wären.

John Boone zwängte sich zu den Computerterminals am vorderen Ende des Raumes durch, wo Arkady und Rex das Schiff überwachten. Er tastete einen Befehl ein, und die Daten über äußere Strahlung erschienen plötzlich auf dem größten Bildschirm des Raumes. »Wollen wir doch mal sehen, wie viel auf das Schiff trifft«, sagte er fröhlich.

Stöhnen. »Müssen wir das?« rief Ursula.

John sagte: »Das sollten wir schon wissen. Und ich möchte auch sehen, wie gut dieser Schutz funktioniert. Der auf der Rust Eagle war ungefähr so wirkungsvoll wie das Lätzchen beim Zahnarzt.«

Maya lächelte. Es war eine jener bei John so sehr seltenen Erinnerungen daran, dass er mehr Strahlung ausgesetzt gewesen war als alle anderen — ungefähr 160 Rem im Lauf seines Lebens, wie er jetzt in Beantwortung einer ihm gestellten Frage erklärte. Auf der Erde erhielt man ein Fünftel eines Menschen-Röntgen-Äquivalents jährlich; und im Erdorbit bekam man, noch innerhalb der Magnetosphäre der Erde, ungefähr fünfunddreißig pro Jahr ab. Also hatte John es sehr heiß gehabt; und das gab ihm jetzt irgendwie das Recht, die äußeren Daten zu verfolgen, wenn er das wollte.

Die auch daran interessiert waren — etwa sechzig Personen —, drängten sich hinter ihm, um den Schirm anzusehen. Der Rest sammelte sich am anderen Ende des Tanks bei denen, die über Unwohlsein klagten, einer Gruppe, die bestimmt nicht wissen wollte, wie viel Strahlung sie bekamen. Schon der Gedanke daran genügte, dass einige von ihnen aufs Klo eilten.