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»Meinst du, dass Phobos es geknackt hat?«

»Vielleicht. Noch wahrscheinlicher das Schmelzen eines Reaktors.«

»Wusstest du, dass Compton so groß war?« fragte Sax.

»Ich habe nie davon gehört.«

»Nein.«

Ann starrte Sax an. Hatte er gehört, dass sie das sagte?

Er hatte es. Daten verheimlichen. Sie merkte, dass er schockiert war. Er konnte sich keinen hinreichenden Grund für Verheimlichung von Daten vorstellen. Vielleicht lag darin der Grund dafür, dass sie einander nicht verstehen konnten. Wertsysteme, die auf völlig verschiedenen Annahmen beruhten. Ganz unterschiedliche Arten von Wissenschaft.

Er räusperte sich. »Wusstest du, dass es flüssig war?« »Ich habe es mir gedacht. Aber jetzt wissen wir es.« Sax kniff die Augen zusammen und rief auf seinem Schirm das Bild von der linken Kamera auf. Schwarzes sprudelndes Wasser, grauer Schutt, zertrümmertes Eis, stehende Wellen, die sofort gefroren, zusammenstürzten und in Wolken von Reif dampf davonfegten … Der Lärm hatte wieder seine prasselnde Jetstärke erreicht. Sax rief: »Ich hätte es nicht so gemacht!« Ann starrte ihn an. Er sah ruhig auf den Bildschirm. »Ich weiß«, erwiderte sie. Und dann war sie wieder des Sprechens überdrüssig, da sie seine Nutzlosigkeit satt hatte. Es war nie mehr gewesen als auch jetzt. Ein Flüstern gegen das große Dröhnen der Welt, halb gehört und noch weniger verstanden.

Sie fuhren so schnell sie konnten durch das Dover-Tor und folgten der Calais-Rampe, wie Michel ihre Bank nannte. Sie kamen nur nervenaufreibend langsam vorwärts. Es war ein schwerer Kampf, den Rover über den Felssturz zu bringen, der diese schmale Terrasse bedeckte. Überall waren Felsblöcke verstreut, und die Flut verzehrte das Land zu ihrer Linken und verengte die Bank zusehends. Landrutsche kamen vor und hinter ihnen von den Wänden der Klippe herunter. Mehr als einmal krachten einzelne Steine auf das Wagendach, dass sie alle hochsprangen. Es war durchaus möglich, dass ein größerer Brocken sie ganz unverhofft treffen und wie Käfer zerquetschen würde. Diese Möglichkeit bedrückte sie alle, was Ann freute. Selbst Simon ließ sie in Ruhe. Er stürzte sich in die Navigation und ging mit Nadia, Frank oder Kasei auf Erkundungszüge — froh, wie sie meinte, von ihr wegzukommen. Und warum nicht?

Sie rumpelten mit einigen Kilometern in der Stunde dahin. Sie fuhren eine ganze Nacht und den folgenden Tag durch, obwohl der Dunst sich so weit abgeschwächt hatte, dass es möglich war, sie von Satelliten aus zu orten. Sie hatten keine andere Wahl.

Und dann waren sie durch das Dover-Tor hindurch, und Coprates öffnete sich wieder und gab ihnen etwas Spielraum. Die Flut schwenkte ein paar Kilometer nach Norden.

In der Abenddämmerung hielten sie an. Sie waren mehr als vierzig Stunden hintereinander gefahren. Sie standen auf und reckten sich, schlurften herum und setzten sich wieder hin, um eine Mikrowellenmahlzeit zu verspeisen. Maya, Simon, Michel und Kasei waren guter Dinge, Sax war derselbe wie immer, Nadia und Frank etwas weniger brummig als sonst. Die Oberfläche der Flut war im Moment gerade gefroren, und es war möglich zu sprechen, ohne die Kehle zu ruinieren, und doch gehört zu werden. Und so aßen sie, auf die kleinen Portionen konzentriert und plauderten zwanglos.

Spät bei dieser ruhigen Mahlzeit schaute Ann ihre Gefährten ringsum an, plötzlich erstaunt durch dies Schauspiel menschlicher Anpassungsfähigkeit. Hier verzehrten sie ihr Mahl und plauderten über den geringen Aufschwung im Norden in einer perfekten Illusion der Tischgemeinschaft eines Speisesaals. Es hätte irgendwo zu jeder Zeit sein können, und ihre müden Gesichter strahlten wegen eines kollektiven Erfolgs oder auch nur wegen der Freude gemeinsam zu essen.

Dabei dröhnte außerhalb ihrer Kammer die zerbrochene Welt, und ein Steinschlag konnte sie in jedem Augenblick vernichten. Ann fiel ein, dass die Freude und Beständigkeit von Speisesälen schon immer vor einem solchen Hintergrund vorgekommen war, in Konfrontation mit einem universellen Chaos. Solche Augenblicke der Ruhe waren vergänglich und flüchtig wie Seifenblasen, dazu bestimmt zu bersten, sobald sie in Erscheinung traten. Gruppen von Freunden sowie Räume, Straßen, Jahre — nichts davon würde andauern. Die Illusion von Beständigkeit wurde durch eine gemeinsame Bemühung geschaffen, das Chaos zu ignorieren, in das sie eingebettet waren. Und so aßen sie, plauderten und genossen ihre gemeinsame Gesellschaft. So war es schon in den Höhlen gewesen, in der Savanne, in den Wohnungen und Gräben und den unter Bombardement stehenden Städten.

So war es auch in diesem Moment des Sturms. Ann Clayborn gab sich einen Ruck. Sie stand auf und ging zum Tisch. Sie nahm den Teller von Sax, der sie zuerst aus der Reserve gelockt hatte, dann die von Nadia und Simon. Sie trug die Teller zu ihrer kleinen Magnesiumspüle. Und beim Tellerwaschen fühlte sie, wie sich ihre steife Kehle bewegte. Sie krächzte ihren Anteil an der Konservation und half mit ihrem kleinen Faden, das Gewebe der menschlichen Illusion zu gestalten. »Eine stürmische Nacht!« sagte Michel zu ihr, als er beim Abtrocknen der Teller neben ihr stand. »Wirklich eine stürmische Nacht!«

Am nächsten Morgen erwachte sie als erste und betrachtete die Gesichter ihrer Gefährten, die jetzt im Tageslicht höchst ungepflegt aussahen — schmierig, aufgedunsen, schwarz von Frostnarben, mit offenen Mündern im Tiefschlaf der Erschöpfung. Sie wirkten wie tot. Und sie hatte ihnen keine Hilfe zu bieten. Im Gegenteil! Sie war der Gruppe ein Hemmnis gewesen. Jedes Mal, wenn sie in den Wagen zurückgekommen waren, hatten sie über die verrückte Frau auf dem Boden hinwegsteigen müssen, die da lag und sich weigerte zu sprechen, oft weinte, deutlich in schwerer Depression gefangen. So etwas hatte ihnen gerade noch gefehlt!

Beschämt stand sie auf und säuberte ruhig den Hauptraum und den Bereich des Fahrers. Und später an diesem Tage löste sie ihre Kameraden beim Fahren des Rovers ab. Sie übernahm eine sechsstündige Schicht und war danach erschöpft. Aber sie brachte sie gut nach Osten durch das Dover-Tor.

Aber ihre Schwierigkeiten waren noch nicht vorbei. Coprates hatte sich etwas geöffnet, jawohl, und die Südwand hatte zum größten Teil gehalten. Aber es gab in diesem Gebiet einen langen Grat, der jetzt eine Insel war und mitten durch den Canyon verlief und ihn in einen nördlichen und einen südlichen Kanal teilte. Unglücklicherweise lag der südliche tiefer als der nördliche, so dass der größte Teil der Flüssigkeit durch ihn strömte und sie dicht an die Südwand drängte. Zum Glück ließ ihnen die Bankterrasse etwa fünf Kilometer Platz zwischen der Flut und der eigentlichen Wand. Aber mit der Flut so nahe zu ihrer Linken und den steilen Klippen zur Rechten verloren sie nie das Gefühl von Gefahr. Und sie mussten ihre Stimmen heben, um wenigstens die halbe Zeit zu sprechen. Das krachende Getöse der Wogen schien ihnen in den Kopf zu dringen und machte es schwerer denn je, sich zu konzentrieren, aufzupassen oder überhaupt zu denken.

Eines Tages schlug Maya mit der Faust auf den Tisch und schrie: »Könnten wir nicht warten, bis der Inselgrat weggerissen wird?«

Nach einer ungemütlichen Pause sagte Kasei: »Er ist hundert Kilometer lang.«

»Nun, zum Kuckuck, könnten wir nicht warten, bis diese verfluchte Flut aufhört? Ich meine, wie lange kann sie so weitermachen?«

»Einige Monate«, sagte Ann.

»Können wir nicht so lange warten?«

»Uns wird die Nahrung knapp«, erklärte Michel.

»Wir müssen weiterfahren«, fuhr Frank Maya an. »Sei nicht blöd!« Sie blitzte ihn an und wandte sich ab, sichtlich wütend. Der Rover schien plötzlich viel zu klein zu sein, als ob man einen Haufen Tiger und Löwen zusammen in einen Hundezwinger gesperrt hätte. Simon und Kasei, durch die Spannung bedrückt, zogen sich an und gingen hinaus, um zu erkunden, was vor ihnen lag.