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Sie sagte zu Micheclass="underline" »Hältst du es für ein schlechtes Zeichen, wenn alle uns für Lügner halten?«

Michel zuckte die Achsel. »Es war heilsam, darüber zu sprechen. Jetzt erkennen wir, dass wir einander ähnlicher sind, als wir dachten. Keiner muss sich mehr den Vorwurf machen, ungewöhnlich unredlich gewesen zu sein, um an Bord zu kommen.«

»Und du?« fragte Arkady. »Hast du dich als ein höchst rationaler und ausgeglichener Psychologe präsentiert, der den seltsamen Geist verbarg, den wir kennen und lieben gelernt haben?«

Michel lächelte schwach. »Du bist der Experte für seltsame Dinge, Arkady.«

Dann ertönten Rufe seitens der wenigen, die noch die Schirme beobachteten. Die Strahlungsrate hatte zu sinken begonnen. Nach einer Weile rutschte sie bis nur ein wenig über normal ab.

Jemand schaltete die Pastorale an der Stelle wieder ein, wo das Horn ertönt. Der letzte Satz der Sinfonie: ›Frohe und dankbare Empfindungen nach dem Sturm‹ strömten aus dem Lautsprechersystem und verbreiteten sich durch das Schiff wie Löwenzahnsamen im Wind. Die schöne alte volkstümliche Melodie wurde durch die Ares getragen und entfaltete sich in all ihrer Beethovenschen Fülle. Während sie lief, stellte man fest, dass alle geschützten Systeme des Schiffs intakt geblieben waren. Die dickeren Wände der Farm und des Arboretums hatten den Pflanzen einigen Schutz geboten. Und obwohl es einige Verluste gab und eine ganze Ernte, die nicht essbar war, waren die Saatbestände nicht geschädigt. Auch die Tiere konnten nicht verzehrt werden. Sie würden aber vermutlich eine gesunde neue Generation zur Welt bringen. Die einzigen Todesfälle waren einige Singvögel aus dem Speisesaal D, die man nicht eingefangen hatte. Es fanden sich einige tot auf dem Boden.

Was die Crew anging, so hatte sie der Schutzraum vor mehr als sechs Rem bewahrt. Das war während gerade nur drei Stunden schlimm, hätte aber übler sein können. Die Hülle des Schiffs hatte mit mehr als 140 Rem eine tödliche Dosis erhalten.

Sechs Monate in einem Hotel, ohne je einen Spaziergang draußen. Drinnen war später Sommer, und die Tage waren lang. Grün beherrschte die Wände und Decken, und die Leute gingen barfuss. Ruhige Unterhaltungen waren kaum zu hören vor dem Summen der Maschinerie und dem Brausen der Ventilatoren. Das Schiff wirkte irgendwie leer. Ganze Sektionen wurden aufgegeben, als die Crew sich zum Warten einrichtete. Kleine Menschengruppen saßen in den Sälen in den Torussen B und D und plauderten. Manche unterbrachen ihre Gespräche, wenn Maya vorbeikam, was sie natürlich beunruhigend fand. Sie hatte Mühe einzuschlafen und aufzuwachen. Die Arbeit machte sie ruhelos. Schließlich warteten alle Ingenieure, und die Simulationen waren nachgerade unerträglich geworden. Sie hatte Mühe, den Ablauf der Zeit zu verfolgen. Sie stolperte mehr als sonst. Sie hatte Vlad aufgesucht, und der hatte Überhydrierung empfohlen, mehr Laufen, mehr Schwimmen.

Hiroko riet ihr, mehr Zeit auf der Farm zu verbringen. Sie machte einen Versuch und beschäftigte sich stundenlang mit Jäten, Ernten, Beschneiden, Düngen, Bewässern, Reden, auf einer Bank sitzen und Blätter betrachten. Abstand gewinnen. Die Farmen waren größtenteils in maximalen Räumen angelegt, deren gewölbte Dächer mit hellen Sonnenstreifen besetzt waren. Die vielstöckigen Böden waren voller Getreide, vieles davon nach dem Sturm neu eingelagert. Es gab nicht genügend Raum, um die Leute gänzlich mit Farmkost zu ernähren, aber Hiroko mochte das nicht und kämpfte dagegen an, indem sie Lagerräume nutzte, wenn sie leer wurden. Zwerghafte Reihen von Weizen, Reis, Soja und Gerste wuchsen in gestapelten Paletten. Darüber hingen Reihen von hydroponischem Gemüse und enorme durchsichtige Krüge mit grünen und gelben Algen, die zur Regelung des Gasaustauschs dienten.

Einige Tage lang tat Maya weiter nichts, als den Farmarbeiten zuzuschauen. Hiroko und ihr Assistent Iwao bastelten immer an den endlosen Projekten herum, der Geschlossenheit ihres biologischen Lebenserhaltungssystems näher zu kommen. Und sie hatten eine Gruppe Mitarbeiter, die dafür eingesetzt waren: Raul, Rya, Gene, Evgenia, Andrea, Roger, Ellen, Bob und Tasha. Der Erfolg bei dem Klausurprojekt wurde in K-Größen gemessen, wobei K die Geschlossenheit darstellte. Also galt für jede Substanz, die wiedergewonnen wurde, die Formeclass="underline"

Darin war E das Maß dessen, was in dem System verbraucht wurde, e das Maß der (unvollständigen) Geschlossenheit und eine Konstante, für die Hiroko früher in ihrer Laufbahn einen korrigierten Wert festgestellt hatte. Das Ziel, K = I — 1, war unerreichbar, aber eine asymptotische Näherung war das Lieblingsspiel der Farmbiologen, und darüber hinaus kritisch für ihre letztliche Existenz auf dem Mars. Also konnten sich Gespräche darüber tagelang hinziehen und liefen spiralig auf Komplexitäten hin, die niemand wirklich verstand. Im Grunde war die Farm schon bei ihrer realen Arbeit, worauf Maya neidisch war. Sie hatte restlos genug von Simulationen!

Hiroko war für Maya ein Rätsel. Reserviert und ernsthaft schien sie immer von ihrer Arbeit absorbiert zu sein, und ihr Team war immer bestrebt, um sie zu sein; als ob sie die Königin eines Bezirks wäre, der mit dem Rest des Schiffs nichts zu tun hatte. Maya gefiel das nicht, aber sie konnte nichts daran ändern. Und etwas in Hirokos Verhalten machte es nicht so bedrohlich. Es war einfach eine Tatsache. Die Farm war ein abgesonderter Platz, ihre Mannschaft eine Gesellschaft für sich. Und es war möglich, dass Maya sie irgendwie benutzen könnte als Gegengewicht zum Einfluss von Arkady und John. Darum machte sie sich keine Sorgen über ihr abgesondertes Reich. Tatsächlich kam sie mit ihnen mehr als früher zusammen. Manchmal ging sie mit ihnen am Ende einer Arbeitsperiode bis zur Nabe, um ein Spiel zu treiben, das sie erfunden und Tunnelspringen genannt hatten. Es gab eine Sprungröhre, die den Zentralschacht hinabführte, wo alle Verbindungselemente zwischen Zylindern auf dieselbe Weite wie die Zylinder selbst ausgearbeitet waren, so dass ein einziges glattes Rohr entstanden war. Es gab auch Schienen, um schnelle Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen längs des Rohres zu ermöglichen. Aber bei ihrem Spiel standen die Teilnehmer an der Schleuse des Schutzraums gegen Stürme und versuchten die Röhre bis zur Schleuse der Blasenkuppel hinaufzuspringen, die volle fünfhundert Meter entfernt war, ohne an die Wände oder Schienen anzustoßen. Durch Corioliskräfte wurde das fast unmöglich gemacht, und wenn man nur über die halbe Strecke kam, war das gewöhnlich ein Gewinn. Aber eines Tages kam Hiroko vorbei, um eine Versuchsernte in der Blasenkuppel zu inspizieren. Nach einem Gruß kauerte sie sich auf der Schutzraumschleuse hin und sprang. Sie schwebte langsam durch die volle Länge des Tunnels, rotierte unterwegs und hielt mit einer ausgestreckten Hand an der Kuppelschleuse an.

Die Spieler starrten in verblüfftem Schweigen den Tunnel empor.

»He!« rief Rya zu Hiroko. »Wie hast du das geschafft?«

»Was denn?«

Sie erklärten ihr das Spiel. Hiroko lächelte, und Maya war plötzlich sicher, dass sie die Regel schon gekannt hatte. Rya wiederholte: »Wie hast du es also gemacht?«

»Du springst gerade!« sagte Hiroko und verschwand in der Blasenkuppel.

An diesem Abend machte die Geschichte beim Essen die Runde. Frank sagte zu Hiroko: »Vielleicht hast du bloß Glück gehabt.«

Hiroko lächelte. »Vielleicht sollten du und ich uns für zwanzig Sprünge verabreden und sehen, wer gewinnt.«