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Rita Mae Brown & Sneaky Pie Brown

Ruhe in Fetzen

Der Familie Beegle und ihren Dalmatinern gewidmet

Personen der Handlung

Mary Minor Haristeen (Harry), die junge Posthalterin von Cro­zet, die mit ihrer Neugierde beinahe ihre Katze und sich selbst umbringt

Mrs. Murphy, Harrys graue Tigerkatze, die eine auffallende Ähnlichkeit mit der Autorin Sneaky Pie aufweist und einmalig intelligent ist

Tee Tucker, Harrys Welsh Corgi, Mrs. Murphys Freundin und Vertraute, eine lebensfrohe Seele

Pharamond Haristeen (Fair), Tierarzt, ehemals mit Harry ver­heiratet

Boom Boom Craycroft, eine umwerfende Schönheit, die der besseren Gesellschaft angehört

Blair Bainbridge, ein gutaussehendes männliches Model und Aussteiger aus dem hektischen Konkurrenzkampf in Manhattan. Er zieht nach Crozet, weil er Frieden und Ruhe sucht, findet aber alles andere als das

Mrs. George Hogendobber (Miranda), eine Witwe, die empha­tisch auf ihrer persönlichen Auslegung der Bibel beharrt

Market Shiflett, Besitzer von Shiflett's Market neben dem Post­amt

Pewter, Markets dicke graue Katze, die sich notfalls auch von der Futterschüssel lösen kann

Susan Tucker, Harrys beste Freundin, die das Leben nicht allzu ernst nimmt, bis ihre Nachbarn ermordet werden

Ned Tucker, Rechtsanwalt und Susans Ehemann

Jim Sanburne, Bürgermeister von Crozet

Big Marilyn Sanburne (Mim), tonangebend in der Gesellschaft von Crozet und ein schrecklicher Snob

Little Marilyn Sanburne, Mims Tochter und nicht so dumm, wie sie scheint

Fitz-Gilbert Hamilton, Little Marilyns Ehemann, ist reich durch Heirat und von Haus aus. Nachdem sein Ehrgeiz erschöpft ist, ist er damit zufrieden, sehr gut zu leben und ein »Anwalt von Stand« zu sein

Cabell Hall, als Bankdirektor ein angesehener Herr in Crozet und im Begriff, in den Ruhestand zu gehen

Ben Seifert, Cabell Halls Schützling, hat einen weiten Weg zurückgelegt vom unerfahrenen Kassierer zum höheren Bank­angestellten. Er war auf der High School eine Klasse über Harry

Rick Shaw, Bezirkssheriff von Albemarle County

Officer Cynthia Cooper, Polizistin

Rob Collier, Postfahrer

Paddy, Mrs. Murphys Exmann, ein kesser Kater

Simon, ein Opossum, das auf Menschen nicht gut zu sprechen ist. Langsam erliegt er Harrys Nettigkeit. Er wohnt mit einer mürrischen Eule und einer überwinternden Kletternatter auf dem Heuboden

Liebe Leserin, lieber Leser

Ein Hoch auf Katzenminze und Champagner!

Dank Euch quillt mein Postfach über von Briefen, Fotos, Spielzeugmäuschen und knusprigem Knabberzeug. Als ich mit der Mrs-Murphy-Serie anfing, hätte ich nicht gedacht, daß es bei Euch draußen so viele lesende Katzen gibt und auch ein paar Menschen.

Arme Mutter, sie bemüht sich, nicht zu nörgeln. Sie rackert sich wie eine Sklavin mit ihren »wichtigen Themen« ab, die sie als Komödien verkleidet, und ich kritzle meine Krimiserie hin und bin ein Star. Das zeigt mal wieder, daß die meisten Katzen und ein paar Hunde erkannt haben, daß eine lockere Einstellung zu einem Thema immer noch das Beste ist. Vielleicht wird Mom dies in einigen Jahrzehnten für sich selbst erkennen.

Die beste Neuigkeit ist, daß ich mir eine eigene Schreibma­schine zulegen konnte. Ich habe eine gebrauchte IBM Selectric III erstanden und muß nicht mehr mitten in der Nacht heimlich in Mutters Arbeitszimmer schleichen. Ich habe sogar ein eige­nes Arbeitszimmer. Meint Ihr, ich sollte Pewter als Sekretärin einstellen?

Nochmals vielen Dank Euch Katzen da draußen, und auch den Hunden. Paßt auf Eure Menschen auf. Und was Euch Menschen angeht, nun ja, ein frisches Lachssteak wäre ein köstlicher Leckerbissen für die Katze in Eurem Leben.

Alles Gute, alles Liebe, alles Schöne.

SNEAKY PIE

1

Goldenes Licht überflutete die Kleinstadt Crozet, Virginia. Ma­ry Minor Haristeen sah von den Briefen auf, die sie gerade sor­tierte, und trat an das große Glasfenster, um die Aussicht zu bewundern. Die ganze Stadt sah aus wie mit geschmolzener Butter übergossen. Die Dachfirste glänzten, die schlichten Schindelhäuser besaßen eine liebliche Anmut. Das Licht lockte Harry dermaßen, daß sie sich ihre Jeansjacke überzog und zur Hintertür hinausging. Mrs. Murphy, Harrys getigerte Katze, und Tee Tucker, ihre Corgihündin, erhoben sich von ihrem Nach­mittagsnickerchen, um Harry zu begleiten. Die langen Oktober­sonnenstrahlen vergoldeten die große Wetterfahne in Gestalt eines trabenden Pferdes auf Miranda Hogendobbers Haus an der St. George Avenue, das von der Gasse hinter dem Postamt zu sehen war.

Die strahlenden Herbsttage weckten Erinnerungen an hitzige Footballspiele, Schulschwärme und kühle Nächte. Sosehr Harry kaltes Wetter haßte, sosehr liebte sie es, sich ein, zwei neue Pullover kaufen zu müssen. In der Crozet High School hatte sie an einem weit zurückliegenden Oktobertag - im Jahre 1973, um genau zu sein - einen flauschigen roten Pullover getragen und den Blick von Fair Haristeen auf sich gezogen. Die Eichen ver­wandelten sich in orangefarbene Fackeln, die Ahornbäume färb­ten sich blutrot, und die Buchen wurden gelb, damals wie heute. Die Herbstfarben waren ihr im Gedächtnis geblieben, und die­ser Herbst würde genauso werden. Ihre Scheidung von Fair war sechs Monate her, oder war es ein Jahr? Sie wußte es wirklich nicht mehr, oder vielleicht wollte sie sich nicht erinnern. Ihre Freundinnen blätterten ihre Adressenhefte nach Namen verfüg­barer Junggesellen durch. Es gab zwar Dr. Larry Johnston, den verwitweten Arzt im Ruhestand, der zwei Jahre älter war als Gott; und natürlich Pharamond Haristeen. Selbst wenn sie Fair wiederhaben wollte, was ganz entschieden nicht der Fall war: er war in eine Romanze mit Boom Boom Craycroft verwickelt, der schönen zweiunddreißigjährigen Witwe von Kelly Craycroft.

Harry sann darüber nach, daß alle Leute in der Stadt Spitzna­men hatten. Olivia war Boom Boom, und Pharamond war Fair. Sie selbst war Harry, und Peter Shiflett, der Besitzer des Le­bensmittelladens nebenan, wurde Market genannt. Cabell Hall, Direktor der Allied National Bank in Richmond, war Cab oder Cabby; Florence, seine Ehefrau seit siebenundzwanzig Jahren, wurde Taxi gerufen. Die Marilyn Sanburnes, senior und junior, hießen Big Marilyn oder Mim und Little Marilyn. Wie nahe sie einem die Leute brachten, diese kleinen Spitznamen, diese Markenzeichen der Vertrautheit, die Kosenamen. Die Einwoh­ner von Crozet lachten über die Eigenarten ihrer Nachbarn, sagten voraus, wer was zu wem sagen würde und wann. Das waren die Freuden einer Kleinstadt, die allerdings dieselben Probleme und Schmerzen, dieselben Grausamkeiten, Ungerech­tigkeiten und selbstzerstörerischen Verhaltensweisen überdeck­ten, wie sie in größerem Maßstab in Charlottesville, zwanzig Kilometer östlich, oder in Richmond, gut hundert Kilometer hinter Charlottesville, zu finden waren. Die Tünche der Zivilisa­tion, so unentbehrlich für das alltägliche Leben, konnte in einer Krise schnell abblättern. Manchmal bedurfte es gar keiner Kri­se: Dad kam betrunken nach Hause und prügelte Frau und Kin­der windelweich, oder ein Ehemann kam vorzeitig von der Ar­beit in sein mit Hypotheken belastetes Heim und fand seine Frau mit einem anderen Mann im Bett. Oh, in Crozet konnte das nicht passieren, aber es passierte doch. Harry wußte es. Ein Postamt ist das Nervenzentrum jeder Gemeinde, und Harry wußte meist früher als die anderen, was vorging, wenn die Tü­ren geschlossen und die Lichter ausgeknipst waren. Wenn ein Postfach vollgestopft war mit einem Stoß amtlicher Mitteilun­gen oder mit einer auffälligen Ansammlung von Zahnarztrech­nungen, fügte Harry die Geschichten zusammen, die dem Blick verborgen waren.