Выбрать главу

»Ist das denn nicht die Erklärung, Robert? Passt denn nicht alles genau zusammen? Die Geschichte hat sich wiederholt. Die Kirche hat noch nie vor Mord und Totschlag zurückgeschreckt, zumal, wenn es um den Gral ging. Als das Ende der Zeit nahte, wurden die Angehörigen des Großmeisters der Prieuré gerötet, um ihm eine unmissverständliche Botschaft zu übermitteln: Bewahre Stillschweigen, oder du selbst und deine Enkelin sind die Nächsten!«

»Es war … ein Verkehrsunfall«, sagte Sophie stockend. Die Qualen der Kindheit stiegen wieder in ihr auf. »Ein Unfall

»Das sind Gutenachtgeschichten, die man Ihnen aufgetischt hat!«, stieß Teabing hervor. »Fällt Ihnen denn nicht auf, dass nur zwei Mitglieder Ihrer Familie bisher mit dem Leben davongekommen sind? Jacques Saunière, Großmeister der Prieuré de Sion und Sie selbst, seine Enkelin? Ein besseres Druckmittel zur Kontrolle der Prieuré konnte es für die Kirche gar nicht geben. Ihr Großvater muss in den vergangenen Jahrzehnten unter furchtbarem Druck gestanden haben! Ihm saß die Drohung der Kirche im Nacken, dass man ihn abschlachtete und dass auch Sie getötet würden, falls er die Prieuré nicht dazu brachte, dem uralten Gelübde abzuschwören, das Geheimnis des Sangreal zu lüften.«

»Unsinn«, sagte Langdon verärgert. »Ihnen fehlt jeder Beweis, dass die Kirche etwas mit diesem Unfall zu tun hatte oder dass sie die Prieuré zum Schweigen gezwungen hat.«

»Beweis?«, rief Teabing. »Sie wollen einen Beweis, dass die Prieuré unter Druck gesetzt wurde? Das neue Jahrtausend ist angebrochen, und die Welt verharrt immer noch in Unkenntnis! Ist das nicht Beweis genug?«

Sophie hörte eine Stimme tief in ihrem Innern: Ich muss dir die Wahrheit über deine Familie erzählen, Sophie … Sie zitterte am ganzen Leib. War das die Wahrheit, die der Großvater ihr die ganze Zeit erzählen wollte? Dass ihre Familie ermordet worden war? Was wusste sie eigentlich über den Unfall? Nur ein paar verschwommene Einzelheiten. Sogar die Berichte in den Zeitungen waren nebulös gewesen.

Ein Verkehrsunfall? Oder eine Gutenachtgeschichte, wie Teabing behauptete?

Auf einmal erinnerte Sophie sich wieder an die übertriebene Besorgtheit ihres Großvaters, der sie als Kind nie allein lassen wollte. Selbst während ihrer Studienzeit hatte Sophie noch das Gefühl gehabt, vom Großvater genauestens beobachtet zu werden. Hatte die Prieuré tatsächlich die schützende Hand über sie gehalten, solange sie lebte, und sie aus dem Hintergrund beobachtet?

Langdon blickte Teabing ungläubig an. »Und weil Sie den Verdacht hatten, dass Saunière beeinflusst worden ist, haben Sie ihn kurzerhand umgebracht.«

»Ich habe den Abzug nicht betätigt«, sagte Teabing. »Saunière war schon seit Jahren ein toter Mann – von dem Moment an, als die Kirche ihn seiner Familie beraubte. Damit war er kompromittiert. Jetzt ist er von dieser Qual erlöst und von der Schande befreit, seiner heiligen Pflicht nicht gewachsen gewesen zu sein. Saunière musste sterben. Bedenken Sie doch die Alternative! Es musste etwas geschehen. Oder soll die Welt auf ewig unwissend bleiben? Sollen die Lügenmärchen der Kirche für alle Ewigkeit in unseren Geschichtsbüchern stehen? Soll die Kirche auf ewig mit Mord und Nötigung ihren Einfluss sichern können? Nein, es war an der Zeit, dass etwas geschah. Und jetzt sind wir im Begriff, Saunières Vermächtnis zu erfüllen und ein schreckliches Unrecht wieder gutzumachen.« Teabing hielt inne. »Wir drei.«

Sophie konnte es nicht fassen. »Wie kommen Sie auf die Idee, dass wir Ihnen helfen?«

»Weil Sie der Grund dafür sind, dass die Prieuré die geheimen Dokumente nicht veröffentlicht hat. Die Liebe Ihres Großvaters zu seiner Enkelin war der Grund dafür, dass er die Kirche nicht bloßgestellt hat. Die Angst vor Repressalien gegen die letzte Überlebende seiner Familie. Saunière war handlungsunfähig! Weil Sie ihn abgewiesen haben, Sophie, haben Sie ihm jede Chance genommen, Sie in die Wahrheit einzuweihen! Sie haben ihm die Hände gebunden, haben ihn warten lassen. Jetzt sind Sie an der Reihe. Sie schulden der Welt die Wahrheit. Sie sind es dem Andenken Ihres Großvaters schuldig!«

Ungeachtet des Gewitters ungelöster Fragen, das in seinem Kopf tobte, war für Langdon jetzt nur noch eines wichtig – er musste Sophie lebend hier herausbekommen. Die Schuldgefühle, die er zuvor an Teabing verschwendet hatte, galten nun Sophie Neveu.

Du hast sie nach Château Villette gebracht. Du bist für alles verantwortlich.

Langdon konnte sich eigentlich nicht vorstellen, dass Teabing imstande war, ihn und Sophie hier im Kapitelhaus kaltblütig zu töten. Andererseits war er offensichtlich in die vielen Morde verwickelt, zu denen es bei dieser unglückseligen Schatzsuche gekommen war. Langdon hatte das bedrückende Gefühl, dass in diesem abgeschiedenen Saal ein paar Schüsse nicht auffallen würden, zumal bei diesem Regen. Außerdem hatte Teabing soeben ein Geständnis vor ihnen abgelegt.

Langdon blickte Sophie an, die totenblass geworden war. Die Kirche soll ihre Familie ermordet haben, um das Schweigen der Prieuré zu erzwingen? Langdon schüttelte den Kopf. Es musste eine andere Erklärung geben.

»Lassen Sie Sophie gehen«, forderte er Teabing auf und blickte ihn fest an. »Wir sollten diese Sache unter uns ausmachen.«

Teabing lachte leise. »Ich fürchte, zu diesem Vertrauensbeweis bin ich nicht in der Lage. Aber ich bin bereit, Ihnen dafür etwas anderes anzubieten.« Auf die Krücken gestützt, hielt er die Waffe auf Sophie gerichtet, während er in die Tasche griff, das Kryptex hervorzog und es Langdon hinhielt. »Als Beweis meines Vertrauens, Robert.«

Langdon verharrte argwöhnisch. Weshalb gibt er uns das Kryptex zurück!

»Nun nehmen Sie schon«, sagte Teabing und hielt es Langdon hin.

Langdon hatte nur eine Erklärung für Teabings Verhalten. »Sie haben das Kryptex bereits geöffnet. Der Wegweiser ist nicht mehr drin.«

Teabing schüttelte den Kopf. »Wenn ich das Passwort gefunden hätte, Robert, wäre ich längst verschwunden, um den Gral allein zu finden. Aber ich kenne das Passwort nicht – und das gebe ich offen zu. Angesichts des Grals lernt ein echter Ritter Bescheidenheit. Und er lernt, auf Zeichen zu achten. Als ich Sie und Miss Neveu diese Kirche betreten sah, habe ich begriffen. Sie sind gekommen, weil irgendetwas Sie hierher getrieben hat. Mir geht es nicht um persönlichen Ruhm. Ich diene einem viel höheren Herrn als meiner eigenen Eitelkeit. Ich diene der Wahrheit. Die Menschheit hat ein Anrecht darauf. Der Gral hat uns gefunden, und nun bittet er uns, dass wir ihn der Menschheit enthüllen. Wir müssen dieses Werk gemeinsam vollbringen.«

Trotz der Bitte um Zusammenarbeit und Vertrauen hielt Teabing die Waffe unverwandt auf Sophie gerichtet, während Langdon ihm den kalten Marmorzylinder aus der Hand nahm. Als er ihn ergriff und einen Schritt zurücktrat, gluckerte im Innern der Essig. Die Segmente befanden sich noch in einer zufälligen Anordnung – das Kryptex war fest verschlossen.

Langdon sah Teabing an. »Wie können Sie sicher sein, dass ich das Kryptex nicht zertrümmere?«

Teabing lachte gespenstisch in sich hinein. »Ich hatte schon in der Temple Church erkennen müssen, dass das eine leere Drohung war. Ein Robert Langdon würde den Schlussstein niemals zerstören – dafür sind Sie ein viel zu besessener Historiker. Robert, Sie halten den Schlüssel zu zweitausend Jahren Geschichte in der Hand – den verlorenen Schlüssel zum Sangreal. Hören Sie denn nicht die Schreie der gequälten Seelen jener Ritter, die sich zur Wahrung des Geheimnisses auf den Scheiterhaufen zerren und verbrennen ließen? Wollen Sie, dass diese Männer vergeblich gestorben sind? Sie, Robert, werden sich mit den großen Geistern, denen Ihre Bewunderung gilt, in eine Reihe stellen können – mit da Vinci, Botticelli, Newton. Jeder dieser Großen hätte es als Ehre empfunden, jetzt Ihren Platz einnehmen zu dürfen. Der Inhalt des Kryptex muss endlich offenbart werden. Die Zeit ist gekommen, Robert, und das Schicksal hat diesen Augenblick erwählt!«