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»Jesus hat uns nur eine Frohe Botschaft überbracht«, sagte Schwester Sandrine trotzig. »Bei Opus Dei kann ich diese Frohe Botschaft nicht erkennen.«

In den Augen des Mönchs explodierte die Wut. Mit einem jähen Ausfallschritt nach vom schwang er den Leuchter wie eine Keule.

Noch während sie zu Boden stürzte und Schwärze sie umfing, überkam Schwester Sandrine ein tiefes, überwältigendes Bedauern.

Alle vier sind tot.

Die kostbare Wahrheit ist für immer verloren.

32. KAPITEL

Das Heulen der Alarmsirenen im westlichen Ende des Denon-Flügels ließ die Tauben in den nahen Tuileriengärten aufflattern. Langdon und Sophie rannten durch das Drehgitter zu Sophies Auto hinaus in die Nacht von Paris. Beim Überqueren des Innenhofs hörte Langdon das ferne Heulen von Polizeisirenen.

»Da steht es«, rief Sophie und zeigte auf einen roten stupsnäsigen Zweisitzer.

Das muss ein Witz sein. Das Vehikel war mit Abstand das kleinste Auto, das Langdon je unter die Augen gekommen war.

»Das ist ein Smart. Das Drei-Liter-Auto«, stieß Sophie keuchend hervor.

Langdon war kaum eingestiegen, als Sophie das kleine Fahrzeug auch schon einen Bordstein hinauf auf einen Kiesstreifen jagte. Langdon klammerte sich ans Armaturenbrett. Der Wagen schoss quer über ein Trottoir und hüpfte dann den Bordstein hinunter auf den Kreisverkehr am Carousel du Louvre.

Einen Moment schien Sophie den kürzesten Weg nehmen zu wollen: geradeaus mitten durch die Begrenzungshecke und quer über die große runde Rasenfläche.

»Nein!«, rief Langdon, denn er wusste, dass die Hecke um das Carousel du Louvre vor allem eine gefährliche Fallgrube in der Mitte kaschieren sollte – La Pyramide Inversée –, ein Oberlicht in Form einer umgekehrten Pyramide, das er zuvor schon vom Eingangsbereich des Museums aus gesehen hatte. Der kleine Smart wäre vollständig darin verschwunden. Zum Glück entschied Sophie sich für den herkömmlichen Weg. Sie riss das Steuer nach rechts herum und folgte artig dem Kreisverkehr, bis sie ihn ein Stück weiter in nördlicher Richtung verlassen konnte. Dann gab sie Gas und jagte in Richtung Rue de Rivoli.

Das Zweiklanghorn der Polizei hinter ihnen wurde lauter. Langdon sah im Seitenspiegel das Blaulicht auftauchen. Der Motor des Smart heulte protestierend auf, als Sophie mit durchgetretenem Gaspedal Boden zu gewinnen suchte.

Fünfzig Meter vor ihnen sprang die Ampel an der Rue de Rivoli auf Rot. Fluchend hielt Sophie mit unvermindertem Tempo auf die Ampel zu. Langdon spürte, wie seine Nackenhaare sich sträubten.

An der Kreuzung ging Sophie kurz vom Gas und ließ die Lichthupe aufblitzen. Nach einem schnellen Blick nach links und rechts trat sie das Gaspedal wieder durch und jagte den Smart mit kreischenden Reifen über die leere Kreuzung nach links in die Rue de Rivoli. Mit hohem Tempo fuhr sie knapp fünfhundert Meter nach Westen, umfuhr zur Hälfte einen großen Kreisverkehr und jagte auf der anderen Seite hinaus auf die breite Prachtstraße der Champs-Elysees.

Langdon drehte sich im Sitz um und schaute aus dem Rückfenster in Richtung Louvre. Die Polizei war nicht mehr hinter ihnen. Die Blaulichter schienen wie eine flirrende Woge in der Gegenrichtung zum Museum zu schwappen.

Langdons Puls normalisierte sich allmählich. Er wandte sich wieder nach vorn. »Das war nicht übel.«

Sophie erwiderte nichts. Ihr Blick war nach vorn auf die lange Verkehrsachse der Champs-Elysees gerichtet, jene mehr als drei Kilometer lange Flucht von Edelboutiquen und erlesenen Geschäften, die oft als die »Fifth Avenue von Paris« bezeichnet wurde. Bis zur amerikanischen Botschaft waren es nur noch anderthalb Kilometer. Langdon entspannte sich in seinem Sitz.

So dark the con of man.

Sophies Scharfsinn hatte ihn beeindruckt.

Madonna of the Rocks, die Felsgrottenmadonna.

Sophie hatte gesagt, ihr Großvater habe hinter dem Gemälde etwas für sie hinterlassen. Eine letzte Botschaft? Langdon kam nicht umhin, die Brillanz von Saunières Wahl des Verstecks zu bewundern. Die Felsgrottenmadonna war ein weiteres passendes Glied in der Kette der nahtlos miteinander in Beziehung stehenden Symbole der heutigen Nacht. Mit jeder Wendung schien Saunière seine Bewunderung für die dunkle Seite Leonardo da Vincis stärker hervorzukehren.

Da Vinci hatte den Auftrag für dieses Bild von der Bruderschaft der Unbefleckten Empfängnis erhalten, die für das dreiflügelige Altarbild ihrer Kapelle in San Francesco in Mailand ein Mittelstück benötigte. Die Auftraggeber machten dem Meister die entsprechenden Maßangaben und gaben ihm das gewünschte Thema für das Gemälde vor: Die Jungfrau Maria mit dem Jesuskind, Johannes der Täufer als Knabe und der Erzengel Uriel, gemeinsam in einer Felsgrotte, in der sie Zuflucht gefunden haben. Leonardo da Vinci hielt sich zwar an die Vorgaben, doch als er das Gemälde ablieferte, reagierte die Bruderschaft mir Entsetzen. Er hatte das Bild mit einer Fülle unannehmbarer brisanter Details versehen.

Das Gemälde zeigte die sitzende Jungfrau Maria in einem blauen Gewand, den ausgestreckten rechten Arm um ein Kleinkind gelegt, vermutlich Jesus. Dem Kind gegenüber sitzt Uriel, ebenfalls mit einem Kleinkind, vermutlich Johannes der Täufer. Im Gegensatz zu den üblichen Szenerien, in denen Jesus den Johannes segnet, scheint hier seltsamerweise Johannes Jesus zu segnen – und Jesus lässt es geschehen. Noch weniger annehmbar war, dass Maria die Hand mit unverkennbar drohender Gebärde über den Kopf des kleinen Johannes hält, wobei ihre Finger wie Adlerklauen erscheinen, die einen unsichtbaren Kopf gepackt haben. Und schließlich das unverblümteste und Furcht erregendste Detaiclass="underline" Genau unter Marias gekrümmten Fingern macht der Erzengel Uriel mit dem ausgestreckten Zeigefinger eine tranchierende Geste, als wolle er dem von Marias klauenähnlicher Hand gepackten imaginären Kopf die Kehle durchschneiden.

Es erheiterte Langdons Studenten jedes Mal, wenn sie erfuhren, dass Leonardo seine Auftraggeber besänftigte, indem er ihnen schließlich eine zweite, »entschärfte« Version der Felsgrottenmadonna malte, auf der es ein wenig konventioneller zuging. Diese zweite Version hing heute in der Londoner Nationalgalerie. Langdon zog allerdings die erste, dramatischere Version im Louvre vor.

»Was war denn hinter dem Bild?«, erkundigte Langdon sich bei Sophie, die den Wagen die Champs-Elysees hinaufjagte.

»Ich werde es Ihnen zeigen, wenn wir sicher in der Botschaft angekommen sind«, sagte sie, ohne den Blick vom Verkehrsgeschehen zu nehmen.

»Es gibt etwas zu zeigen?«, fragte Langdon überrascht. »Er hat einen Gegenstand für Sie zurückgelassen?«

Sophie nickte knapp. »Mit eingravierter Lilie und den Initialen P.S.«

Langdon glaubte, sich verhört zu haben.

Wir werden es schaffen!, redete Sophie sich ein, als sie das Lenkrad des Smart scharf nach rechts einschlug, um am Luxushotel de Crillon vorbei in das von Alleen gesäumte Diplomatenviertel von Paris einzubiegen.

Trotz ihrer riskanten Fahrweise musste sie dauernd an den Schlüssel in ihrer Tasche denken. Sie erinnerte sich daran, wie sie ihn vor vielen Jahren zum ersten Mal gesehen hatte – den wie ein Pluszeichen geformten Goldgriff, den dreieckigen Schaft mit den winzigen Vertiefungen, das eingravierte Lilienemblem und die Buchstaben P.S.

In all den Jahren hatte sie kaum noch an den Schüssel gedacht, hatte bei ihrer Arbeit im nachrichtendienstlichen Bereich aber einiges über Sicherheitssysteme mitbekommen. Die merkwürdige Fertigungstechnik des Schlüssels stellte inzwischen kein Geheimnis mehr für sie dar: eine lasergefertigte Matrix, absolut fälschungssicher. Im Gegensatz zu den Zacken eines Bartschlüssels, der im Schloss winzige Zylinder betätigt, wies dieser Schlüssel ein komplexes Muster von Vertiefungen auf, die mittels Laserstrahl eingebrannt waren und von einem elektronischen Auge abgetastet wurden. Wenn die Elektronik registrierte, dass die hexagonalen Vertiefungen sich im richtigen Abstand voneinander und in der richtigen Anordnung zueinander befanden und richtig gedreht worden waren, wurde das Schloss freigegeben.