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»Wir lassen doch nur Langdon ausschreiben, oder? Sophie Neveu wohl nicht. Sie gehört schließlich zu unserem eigenen Stall.«

»Natürlich wird auch sie zur Fahndung ausgeschrieben, verdammt!«, rief Fache. »Was haben wir davon, wenn nach Langdon gefahndet wird, und Neveu kann nach Belieben die Drecksarbeit für ihn machen? Ich werde mir die Personalakte der Dame vornehmen, samt Freunden, Verwandten und persönlichen Kontakten – jeden, den sie um Hilfe bitten könnte. Es wird sie eine ganze Menge mehr kosten als bloß ihren Job!«

»Soll ich weiter am Telefon bleiben?«

»Nein. Fahren Sie zu dem Bahnhof und koordinieren Sie die ganze Sache. Ich betraue Sie mit der Leitung des Einsatzes dort. Aber unternehmen Sie nichts ohne Rücksprache mit mir!«

»Jawohl, Chef!«, rief Collet und rannte hinaus.

Fache stand wie erstarrt in der Fensternische. Draußen vor dem Fenster leuchtete die Glaspyramide. Im Wellengekräusel der Wasserbecken verzerrte sich ihr Spiegelbild.

Sie sind dir durch die Lappen gegangen, aber noch ist nicht aller Tage Abend. Entspann dich.

Eine Codeknackerin und ein Hochschullehrer.

Nicht mal bis zum Morgengrauen würden sie durchhalten.

37. KAPITEL

Der mit kleinen, dichten Wäldchen durchsetzte Landschaftspark Bois de Boulogne wurde von den Parisern mit vielerlei Namen belegt, meist aber nannten sie ihn den »Garten der Lüste«. Das mochte übertrieben klingen, war es aber nicht. Jeder, der schon einmal Hieronymus Boschs gleichnamiges unheimliches Gemälde gesehen hatte, begriff sofort, was gemeint war. Der Park und das Gemälde waren gleichermaßen düster und unübersichtlich, ein Tummelplatz für Freaks und Fetischisten. Die gewundenen Sträßchen des Parks wurden nachts von Hunderten meist spärlich bekleideter käuflicher Körper gesäumt, die den Kunden Befriedigung auch der geheimsten und bizarrsten Wünsche versprachen.

Während Langdon seine Gedanken ordnete, um Sophie von der Prieuré de Sion zu erzählen, passierte das Taxi die bewaldete Randzone des Parks und bog dann nach Westen auf die kopfsteingepflasterte Diagonalachse ein. Langdons Konzentration litt erheblich unter dem geisterhaften Anblick der nächtlichen Bewohner des Parks, die sich am Straßenrand feilboten und im Strahl der Scheinwerfer überall aus den Schatten auftauchten. Zwei barbusige, kaum der Pubertät entwachsene Mädchen warfen flammende Blicke ins Taxi. Ein Stück weiter ließ ein Schwarzer, der nur mit einem winzigen Stoffdreieck bekleidet war, die gut eingeölten Muskeln spielen. Neben ihm stand eine atemberaubende Blondine. Als sie ihren Minirock hob, offenbarte sich, dass sie weder blond noch eine Frau war.

Der Himmel steh mir bei! Langdon atmete tief durch und beschloss, den Blick lieber im Wageninnern zu belassen. Einen unpassenderen Hintergrund für das, was er nun berichten wollte, konnte es kaum geben.

»Legen Sie los«, drängte Sophie.

Langdon nickte. Er fragte sich, wo er am besten anfangen sollte. Die Geschichte der Prieuré de Sion umfasse mehr als ein Jahrtausend. Es war eine atemberaubende Chronik von düsteren Geheimnissen und brutaler Erpressung, bis hin zur grausamen Folter auf Geheiß eines zürnenden Papstes.

»Die Bruderschaft von Sion wurde im Jahr 1099 von einem französischen König von Jerusalem gegründet, Gottfried von Bouillon, der unmittelbar zuvor die Stadt eingenommen hatte.«

Sophie, deren Blick unverwandt auf Langdon ruhte, nickte.

»König Gottfried befand sich angeblich im Besitz eines machtvollen Geheimnisses, das seit den Tagen Christi in seiner Familie weitergereicht worden war. Aus Furcht, dieses Geheimnis könne mit seinem Tod untergehen, gründete er eine geheime Bruderschaft: – die Prieuré de Sion–, die er mit der Aufgabe betraute, das Geheimnis wohl behütet von Generation zu Generation weiterzugeben. In den Jahren, als Gottfried König von Jerusalem war, kam der Bruderschaft ein Gerücht zu Ohren: Unter den Ruinen des Tempels des Herodes, der seinerseits auf den Ruinen des Tempels von König Salomon errichtet worden war, ruhte angeblich ein Schatz, der aus kostbaren Dokumenten bestand. Nach Ansicht der Prieuré untermauerten diese Dokumente Gottfried von Bouillons machtvolles Geheimnis. Sie waren von einer solchen Brisanz, dass die Kirche vor nichts zurückschrecken würde, um in ihren Besitz zu gelangen.«

Langdon hielt inne, und Sophie sah ihn abwartend an.

»Die Prieuré gelobte, diese Dokumente aus dem Schutt des Tempels zu bergen, wie lange es auch dauern mochte, und sie für alle Zeiten zu schützen, damit die Wahrheit niemals untergehen werde. Um an die Dokumente heranzukommen, bildete die Bruderschaft eine militärische Gruppierung, die aus neun Rittern bestand und den Namen ›Orden der armen Ritter Christi und vom Tempel Salomons‹ führte – besser bekannt unter dem Namen Tempelritter.«

Sophie sah ihn überrascht an. Die Templer waren ihr wohlvertraut.

Langdon hatte oft genug Vorlesungen über die Tempelritter gehalten. Er wusste um ihre Bekanntheit und ihren legendären, geheimnisumwitterten Ruf, doch für die Geschichtswissenschaft war die Geschichte des Templerordens ein schwieriges Kapitel, bei dem Tatsachen, Legenden und bewusste Fehlinformationen sich in einer Weise miteinander vermischten, dass das Herausfiltern der Wahrheit nahezu unmöglich war. Inzwischen vermied es Langdon in seinen Vorlesungen, die Templer überhaupt zu erwähnen, da sich jedes Mal unweigerlich eine letztendlich fruchtlose Diskussion über alle möglichen und unmöglichen Verschwörungstheorien entspann.

Schon setzte auch Sophie zu einem Einwand an. »Sie behaupten, der Templerorden sei von der Prieuré de Sion gegründet worden, um eine Sammlung von Geheimdokumenten zu bergen? Ich dachte, die Templer sollten die Pilger im Heiligen Land schützen.«

»Das ist eine weit verbreitete Ansicht, aber sie ist falsch. Der Schutz der Pilger diente lediglich als Tarnung des wirklichen Ziels der Templer. Ihre wahre Absicht war, im Heiligen Land die Dokumente aus der Tiefe der Ruinen des altjüdischen Tempels zu bergen.«

»Hat es denn geklappt?«

Langdon grinste. »Das weiß man eben nicht genau. Aber die Gelehrten sind sich insofern einig, dass die Templer tief in den Trümmern irgendetwas gefunden haben müssen … etwas, das sie so reich und mächtig werden ließ, dass es die Vorstellungskraft übersteigt.«

Langdon lieferte Sophie einen kurzen Abriss der Geschichte des Templerordens, soweit sie wissenschaftlich zu untermauern war: Während des Zweiten Kreuzzugs waren die Tempelritter bei König Balduin I. von Jerusalem vorstellig geworden und hatten ihn gebeten, in den königlichen Stallungen in den Ruinen des alten herodischen Tempels Unterkunft nehmen zu dürfen, da sie ein Obdach brauchten, um ihr Gelübde – den Schutz der Pilger im Heiligen Land – zu erfüllen. König Balduin gewährte ihnen die Bitte, worauf die Ritter in dem verwüsteten Tempel ihr armseliges Quartier aufschlugen.

Dieser merkwürdige Ort war keineswegs zufällig gewählt. Die Ritter waren überzeugt, dass die von der Prieuré gesuchten Dokumente tief unter den Trümmern begraben lagen … unter dem Allerheiligsten des alten Tempels … unter jener unantastbaren innersten Tempelkammer, in der für die Juden Gott selbst gewohnt hatte und die buchstäblich das Zentrum des jüdischen Glaubens gewesen war. Fast zehn Jahre lang hausten die Ritter in den Ruinen und gruben sich unbemerkt tiefer und tiefer, zum Teil sogar durch gewachsenen Fels.