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Die Schweiz hatte ihre anerkannt strenge Wahrung des Bankgeheimnisses zu einem der gewinnträchtigsten Exportartikel des Landes gemacht. Einrichtungen wie diese waren in der Welt der Kunst sehr umstritten, boten sie doch Kunstdieben auf Jahre hinaus ein ideales Versteck, in dem sie die Beute verschwinden lassen konnten, bis Gras über die Sache gewachsen war. Da der Inhalt der Schließfächer durch eine entsprechende Gesetzgebung zum Schutz der Persönlichkeitsrechte polizeilichen Nachforschungen nicht zugänglich und der Inhaber ähnlich wie bei einem Nummernkonto namentlich nicht bekannt war, konnten Kunstdiebe sich beruhigt zurücklehnen in der Gewissheit, dass ihre Beute sicher aufgehoben und die Fährte nicht bis zu ihnen zurückzuverfolgen war.

Sophie war vor dem imposanten Tor stehen geblieben. Es versperrte die Zufahrt zum Bankgebäude – eine betonierte Rampe, die ins Untergeschoss führte. Eine Videokamera hatte sie ins Visier genommen. Langdon hatte das beklemmende Gefühl, dass diese Kamera – ganz im Gegensatz zu denen im Louvre – sehr echt war.

Sophie ließ die Seitenscheibe herunter und nahm das elektronische Paneel auf der Fahrerseite in Augenschein. Ein LCD-Display blinkte ihr in sieben Sprachen die Bedienungsanweisung zu, ganz oben auf der Liste in Englisch:

INSERT KEY

Sophie holte den goldenen Schlüssel mit den Lasermarkierungen hervor und betrachtete erneut das Paneel. Unter dem Display befand sich eine dreieckige Öffnung.

»Irgendwie habe ich das Gefühl, dass der Schlüssel passen müsste«, sagte Langdon.

Sophie führte den dreieckigen Schlüsselschaft in die Öffnung ein, bis er ganz darin verschwunden war. Man brauchte den Schlüssel offensichtlich nicht zu drehen, denn das Tor schwang unverzüglich auf. Sophie nahm den Schlüssel wieder an sich, löste die Bremse und ließ den Wagen zu einem zweiten Tor mit einem zweiten Kontrollpaneel hinunterrollen. Das erste Tor schloss sich hinter ihnen. Sie waren wie ein Schiff in einer Schleuse gefangen.

Das Gefühl, nicht mehr vor- und zurückzukönnen, war für Langdon beklemmend und unangenehm. Dann wollen wir nur hoffen, dass das zweite Tor auch so schön funktioniert

Auf dem zweiten Paneel war die gleiche Aufforderung zu lesen.

INSERT KEY

Auch hier führte Sophie den Schlüssel ein, worauf sich das zweite Tor unverzüglich öffnete und ihnen den Weg hinunter in die Eingeweide des Gebäudes freigab.

Sie gelangten in eine kleine, nur notdürftig beleuchtete Tiefgarage mit Platz für ungefähr ein Dutzend Fahrzeuge. Auf der gegenüberliegenden Seite erspähte Langdon den Haupteingang. Ein roter Teppich war auf dem Betonboden ausgerollt und komplimentierte den Besucher zu einer riesigen Tür, die aus einem einzigen Stück Gussstahl gefertigt zu sein schien.

So viel zu Botschaften, die zwei Lesarten erlauben, dachte Langdon: Sei willkommen – aber bleib gefälligst draußen.

Sophie lenkte das Taxi auf eine Parkfläche neben dem Eingang und stellte den Motor ab. »Die Pistole sollten Sie lieber hier lassen.«

Mit dem größten Vergnügen. Langdon ließ das Schießeisen eiligst unter dem Sitz verschwinden.

Sie stiegen aus und gingen auf dem roten Teppich die wenigen Schritte bis zur stählernen Türplatte, die keine Klinke besaß; doch daneben an der Wand befand sich ein weiteres dreieckiges Schlüsselloch, diesmal jedoch ohne Bedienungsanleitung.

»Damit hier keine Dummköpfe reinkommen«, meinte Langdon.

Sophie lachte nervös auf. »Dann mal los«, sagte sie und steckte den Schlüssel ins Loch. Summend schwang die Stahlplatte nach innen. Sie blickten einander an und traten ein. Mit einem satten Geräusch fiel hinter ihnen die Tür ins Schloss.

Das Foyer der Pariser Zweigstelle der Zürcher Depositenbank brauchte sich hinsichtlich des eindrucksvollen Dekors hinter keiner anderen Bank der Welt zu verstecken. Wo die meisten Banken sich mit poliertem Marmor und Granit begnügten, schwelgte dieses Institut in Rundum-Edelstahl mit dekorativen Applikationen aus verchromten Nieten.

Wer war denn hier der Innenarchitekt!, fragte sich Langdon. Die lothringischen Stahlwerke?

Sophies Blick wirkte nicht weniger eingeschüchtert, als sie sich im stählernen Empfangsbereich umsah.

Der silbergraue Stahl war allgegenwärtig – Boden, Wände, Decken, Türen, der Empfang, selbst das Gerippe der Sitzgruppe bestanden aus Stahl. Gleichwohl war die Wirkung eindrucksvoll und die Botschaft unmissverständlich: Das ist ein bombensicheres Gewölbe.

Hinter dem Empfang wartete ein groß gewachsener Mann. Als sie näher traten, blickte er auf und schaltete den kleinen Fernseher aus, dem seine Aufmerksamkeit gegolten hatte. Er begrüßte sie mit einem freundlichen Lächeln. Trotz seiner Muskelpakete und der sichtbar getragenen Waffe besaß seine Sprechweise den höflichen Wohlklang eines erstklassigen Schweizer Hotelportiers.

»Bonsoir, die Herrschaften, Grüezi miteinand«, sagte er. »What can I do for you?«

Die dreisprachige Begrüßungsfloskel war der neueste Trick der europäischen Fremdenverkehrsbranche: Der Gast konnte in der Sprache antworten, in der er sich am besten zu Hause fühlte.

Sophie jedoch antwortete nicht auf sprachlicher Ebene. Stattdessen legte sie dem Mann den goldenen Schlüssel vor.

Er besah sich den Schlüssel und wurde prompt noch eine Nuance korrekter. »Selbstverständlich, Mademoiselle. Der Fahrstuhl für die Herrschaften befindet sich am Ende des Entrees. Ich werde Bescheid gehen, dass die Herrschaften sich auf dem Weg befinden.«

Sophie nickte und nahm den Schlüssel wieder an sich. »Welche Etage?«

Der Mann sah sie verständnislos an. »Excusez, Mademoiselle, aber Ihr Schlüssel übermittelt dem Lift, wohin er die Herrschaften zufahren hat.«

Sophie lächelte. »Ja, sicher.«

Der Mann an der Rezeption schaute den Neuankömmlingen hinterher, als diese zum Aufzug gingen, den Schlüssel ins dortige Schlüsselloch steckten, in den Aufzug stiegen und verschwanden. Die Aufzugtür hatte sich kaum geschlossen, als der Mann schon zum Telefon griff – allerdings nicht, um einem Mitarbeiter die bevorstehende Ankunft wichtiger Kundschaft anzukündigen; dazu bestand kein Anlass. Sobald ein Kunde den Schlüssel am Eingangstor einführte, wurde automatisch ein Kundenbetreuer alarmiert.

Der Wachmann rief den Nachtmanager der Bank an. Während er dem Freizeichen lauschte, schaltete er wieder seinen kleinen Fernseher an. Der Bericht, den er sich zuvor angeschaut hatte, war gerade zu Ende, aber er hatte nichts Bedeutsames verpasst. Noch einmal warf er einen Blick auf die beiden Fahndungsfotos auf dem Bildschirm.

Der Nachtmanager meldete sich. »Oui

»Hier unten ist die Kacke am Dampfen.«

»Wieso?«

»Die Polizei hat eine Fahndung nach zwei flüchtigen Personen laufen.«

»Ja, und?«

»Die beiden sind gerade in unsere Bank spaziert.«

Der Manager fluchte leise. »Ich werde sofort Monsieur Vernet verständigen!«

Der Wachmann legte auf und wählte umgehend eine zweite Nummer – die von Interpol.

Überrascht stellte Langdon fest, dass der Lift sich nicht nach oben, sondern nach unten in Bewegung setzte. Er hatte keine Ahnung, wie viele Stockwerke sie in der Pariser Zweigstelle der Zürcher Depositenbank in die Tiefe abgetaucht waren, als die Tür sich endlich öffnete, aber das war auch unerheblich. Nur raus aus dieser Aufzugskabine.

Demonstrativ um Diensteifer bemüht, stand bereits ein Kundenbetreuer vor ihnen und begrüßte sie. Es war ein älterer Herr in einem tadellos gebügelten Flanellanzug, der merkwürdig fehl am Platz wirkte – ein Bankier von altem Schrot und Korn in einer kühlen High-Tech-Welt.

»Bonsoir«, sagte er, »guten Abend. Wären Sie bitte so nett, mir zu folgen, s'il vous plaît?« Ohne auf eine Antwort zu warten, machte der Mann kehrt und schritt zügig einen schmalen stählernen Flur hinunter.