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Behutsam setzte der Greifer seine Last ab. Nachdem er wieder in Ruhestellung gegangen war, fuhr das Transportband surrend an.

Als Sophie und Langdon ein paar Etagen höher beobachteten, wie das Transportband sich in Bewegung setzte, atmeten sie erleichtert auf. Sie kamen sich vor, als hätte man sie an die Gepäckausgabe eines Flughafens bestellt, um dort auf einen mysteriösen Koffer mit geheimnisvollem Inhalt zu warten.

Rechts von der Konsole trat das Ende des Transportbands durch einen schmalen Schlitz in den Raum. Die kleine Schiebetür darüber fuhr hoch und spie einen bulligen Behälter aus schwarzen Kunststoffschalen aus. Sophie hatte ihn sich bei weitem nicht so groß vorgestellt. Er ähnelte einem Lufttransportbehälter für größere Hunde, nur ohne Luftlöcher. Gespannt starrten Sophie und Langdon auf die rätselhafte Kiste, die mit einem sanften Ruck vor ihnen zum Stillstand kam.

Wie alles in dieser Bank wirkte auch dieser Kasten irgendwie fabrikmäßig – aufgenietete Metallbeschläge, obenauf ein großer Aufkleber mit einem Strichcode, zwei kräftige Schalengriffe. Für Sophie sah er wie ein Werkzeugkasten aus.

Sie griff unverzüglich nach den beiden Schlossbügeln und hakte sie auf. Gemeinsam mit Langdon klappte sie den schweren Deckel auf, trat einen Schritt vor und lugte in den Bauch der Plastikkiste.

Auf den ersten Blick wirkte der Behälter leer. Dann erspähte Sophie etwas auf dem Grund. Einen einzigen Gegenstand.

Es war ein glänzendes Holzkästchen mit ziselierten Scharnieren. Das kräftig gemaserte Holz schimmerte satt in einem tiefen Violett. Rosenholz, dachte Sophie, Großvaters Lieblingsholz. Auf dem Deckel prangte eine kunstvolle Einlegearbeit, eine Rose. Sophie und Langdon sahen einander erwartungsvoll an. Sophie beugte sich vor, griff nach dem Kästchen und hob es heraus.

Ist das schwer!

Sie trug ihre Beute vorsichtig zum Tisch und setzte sie ab. Langdon trat zu ihr. Sie betrachteten das Schatzkästchen, zu dessen Bergung Sophies Großvater sie offensichtlich hierher gelotst hatte.

Langdon bewunderte die Einlegearbeit im Deckel. Er hatte diese Art von Rosen schon oft gesehen. »Eine fünfblättrige Rose«, murmelte er. »Die Prieuré verwendet sie als Symbol für den Heiligen Gral.«

Sophie schaute ihn an. Langdon konnte ihr deutlich ansehen, was sie dachte; er selbst dachte es auch. Die Abmessungen des Kästchens, der gewichtige Inhalt und das Gralssymbol der Prieuré – alles deutete in dieselbe unglaubliche Richtung. In dieser Schatulle befindet sich der Abendmahlskelch Christi. Andererseits war Langdon sich bewusst, wie absurd diese Erwartung war.

»Die Größe würde passen«, flüsterte Sophie. Sie zog das Kästchen zu sich heran, um es zu öffnen, doch etwas Unerwartetes geschah.

Aus der Schatulle drang leise ein merkwürdiges Gluckern.

Langdon war verblüfft. Da drin ist etwas Flüssiges?

Sophie war nicht minder verwirrt. »Haben Sie das gehört …?« Vorsichtig löste sie die Verschlussklammer und hob den Deckel.

Der Gegenstand, der zum Vorschein kam, war mit nichts zu vergleichen, das Langdon je zuvor gesehen hatte.

Eines jedoch war auf den ersten Blick vollkommen klar.

Der Abendmahlskelch Christi war es nicht.

45. KAPITEL

»Die Polizei hat eine Straßensperre errichtet«, rief André Vernet, als er hereinkam, und schloss die Tür hinter sich. »Es wird nicht so leicht sein, Sie aus der Bank herauszuschaffen.« Sein Blick fiel auf den schwarzen Kunststoffbehälter am Ende des Transportbands. Er blieb abrupt stehen. Mein Gott, sie sind an Saunières Depot herangekommen!

Sophie und Langdon beugten sich am Tisch über irgendetwas, das aussah wie ein zu groß geratenes Schmuckkästchen. Rasch klappte Sophie den Deckel wieder zu. »Ohne es zu wissen, hatten wir die Depotnummer doch«, sagte sie.

Vernet war sprachlos. Das änderte alles. Er löste den Blick vom Kästchen und überlegte seine nächsten Schritte. Du musst die beiden aus der Bank herausschaffen! Aber da die Straßensperre der Polizei bereits stand, gab es nur eine einzige Erfolg versprechende Möglichkeit. »Mademoiselle Neveu, möchten Sie Ihren Fund mitnehmen oder ihn lieber hier im Gewahrsam der Bank lassen? Ich werde versuchen, Sie aus dem Gebäude zu schaffen.«

Sophie schaute Langdon an, dann wieder Vernet. »Wir müssen das Kästchen mitnehmen.«

Vernet nickte. »Gut. Aber dann möchte ich Mr Langdon bitten, das Jackett darumzuwickeln, solange wir uns durchs Haus bewegen. Es wäre mir lieber, wenn niemand die Schatulle zu Gesicht bekommt.«

Langdon legte das Jackett ab. Vernet eilte indes zum Transportband, klappte den leeren Behälter auf und tippte auf ein paar Tasten, worauf das Band wieder anlief und seine Last in den Tresorbunker zurücktrug. Dann zog er den goldenen Schlüssel ab und reichte ihn Sophie. Mit Sophie und Langdon im Schlepptau lief er zur Tür hinaus.

»Hier entlang. Bitte, beeilen Sie sich.« Durch endlose Gänge gelangten sie zur Laderampe in der Tiefgarage. Das Flackern von Blaulichtern drang schwach die Zufahrt herab ins Halbdunkel. Vernet runzelte die Stirn. Die Polizei hat offenbar schon die Zufahrtsrampe gesperrt. Willst du diese Sache wirklich durchziehen?

Vernet schwitzte. Er deutete auf einen der Geldtransporter der Bank. Die Angebotspalette der Zürcher Depositenbank umfasste auch Transport sûr.

Vernet zog die schwere gepanzerte Hecktür des Fahrzeugs auf. »Steigen Sie ein«, sagte er und wies auffordernd in das glänzende Stahlgehäuse des Laderaums. »Ich bin sofort wieder da.«

Während Sophie und Langdon einstiegen, eilte Vernet zum Büro des Chefs der Fahrbereitschaft. Mit seinem Passepartout verschaffte er sich Zutritt und schnappte sich die Schlüssel des Geldtransporters sowie eine Fahrerjacke samt Mütze. Er zog das elegante Anzugjackett aus, riss sich die Krawatte ab und schlüpfte in die Fahrerjacke. Dann überlegte er es sich noch einmal anders, zog die Jacke aus und schnallte sich zuerst ein Schulterholster um, bevor er die Jacke wieder darüberzog. Beim Hinausgehen riss er eine Fahrerpistole aus dem Waffenständer, schob ein Magazin hinein, steckte die Waffe ins Holster und knöpfte die Jacke darüber zu. Die Fahrermütze tief ins Gesicht gezogen, rannte er zum Geldtransporter. Sophie und Langdon standen in dem dunklen stählernen Kasten.

»Es ist Ihnen bestimmt lieber, wenn das Licht an ist«, sagte er und knipste die schwache Innenbeleuchtung in der Decke des Laderaums an. »Am besten, Sie setzen sich hin. Und bewahren Sie absolute Ruhe, wenn wir durch die Tore hinausfahren.«

Sophie und Langdon ließen sich gehorsam auf dem Stahlboden nieder. Langdon hielt die Schatulle ins Tweedjackett gewickelt auf dem Schoß. Vernet warf die Hecktür zu, schwang sich hinters Steuer und ließ den Motor an.

Sophie und Langdon waren eingesperrt.

Während der gepanzerte Lieferwagen zur Rampe rollte, sammelte sich am Stirnband von Vernets Fahrermütze der Schweiß. Vor ihm blinkten wesentlich mehr Blaulichter, als er anfangs gedacht hatte. Das erste Tor auf der Rampe schwang vor ihm auf, und Vernet fuhr durch. Er musste warten, bis es wieder geschlossen war, bevor er erneut anfahren und mit dem Fahrzeug den Sensor für das nächste Tor betätigen konnte. Es öffnete sich und gab den Weg frei hinauf zur Straße.

Wenn oben nicht der Streifenwagen gewesen wäre.

Vor der Bank standen vier weitere Polizeifahrzeuge.

Vernet wischte sich den Schweiß von der Stirn und hielt auf die Wagen zu.