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»Und wie sieht es im Innern aus?«

»Wenn der Zylinder auseinander gleitet, wird ein Hohlraum frei, in dem man auf einem zusammengerollten Stück Papier vertrauliche Informationen aufbewahren kann.«

»Und so etwas wie das hier hat Ihr Großvater für Sie gebaut, als Sie noch ein Kind waren?« Langdon schien es nicht glauben zu wollen.

»Ja, aber die Modelle waren nicht so groß. Er hat mir ein paar Mal zum Geburtstag ein Kryptex geschenkt und mir gleichzeitig ein Rätsel aufgegeben. Die Lösung des Rätsels war dann das Passwort für das Kryptex, und ich konnte es aufmachen und meine Geburtstagskarte herausholen.«

»Eine Geburtstagskarte? War das nicht ein bisschen viel Aufwand für eine Karte?«

»Nein, überhaupt nicht. Auf der Karte stand nämlich wieder ein Rätsel oder ein Hinweis. Mein Großvater hat mit Begeisterung eine Schatzsuche durchs ganze Haus veranstaltet – wie eine Schnitzeljagd –, die mich am Ende zum eigentlichen Geschenk führte. Die Schatzsuche war jedes Mal zugleich eine Prüfung meiner Charakterfestigkeit, ob ich das Geschenk auch verdient hatte. Es war nicht immer ganz einfach.«

Langdon betrachtete das Kryptex noch einmal. »Und wenn man das Ding einfach aufbricht? Oder mit dem Hammer zertrümmert? Die Bronzeführungen sind nicht besonders stabil, und Marmor ist nicht unzerbrechlich.«

Sophie lächelte. »Das wusste da Vinci natürlich auch und hat sich etwas überlegt, damit die Information sich beim gewaltsamen Öffnen des Kryptex selbst zerstört. Passen Sie mal auf.« Sophie griff nach dem Zylinder und holte ihn aus dem Kästchen. »Die Informationen hier drin werden auf eine kleine Papyrusrolle geschrieben.«

»Nicht auf Pergament?«

Sophie schüttelte den Kopf. »Nein, auf Papyrus. Pergament ist zwar strapazierfähiger und war damals auch gebräuchlicher, aber es muss Papyrus sein – je dünner, desto besser.«

»Und weiter?«

»Vor dem Einsetzen wird der Papyrus um eine Phiole aus dünnem Glas gewickelt. Sophie hielt das Kryptex schief. Es gluckerte. »In der Phiole befindet sich nämlich eine Flüssigkeit.«

»Und welche?«

»Essig«, sagte Sophie und lächelte.

Langdon ließ die Information auf sich einwirken. »Genial«, sagte er dann.

Papyrus und Essig. Beim Versuch, das Kryptex gewaltsam zu öffnen, zerbrach die Phiole, und der Essig löste den Papyrus im Handumdrehen auf. Bis die Geheimbotschaft geborgen war, hatte sie sich in einen gestaltlosen, matschigen Klumpen verwandelt.

»Wie Sie sehen«, sagte Sophie, »können wir an unsere Information nur mit dem richtigen Passwort aus fünf Buchstaben herankommen. Und bei fünf Drehsegmenten mit jeweils sechsundzwanzig Buchstaben ergibt das sechsundzwanzig hoch fünf Möglichkeiten für das Passwort. Das sind grob geschätzt zwölf Millionen mögliche Passwörter.«

»Wenn Sie es sagen«, meinte Langdon. Er sah aus, als gingen ihm zwölf Millionen Fragen durch den Kopf. »Was steht da drin? Was glauben Sie?«

»Was es auch ist, meinem Großvater war offenbar sehr daran gelegen, dass es geheim bleibt.« Sie klappte den Deckel des Kästchens zu und betrachtete die Einlegearbeit mit der fünfblättrigen Rose. Sie wirkte irgendwie beunruhigt. »Haben Sie vorhin nicht gesagt, die Rose sei ein Symbol für den Gral?«

»Genau. In der Symbolsprache der Prieuré sind Rose und Gral gleichbedeutend.«

Sophie runzelte die Brauen. »Merkwürdig. Großvater hat mir nämlich immer gesagt, die Rose würde Vertraulichkeit bedeuten. Wenn er zu Hause beispielsweise ein vertrauliches Telefonat führen und nicht gestört sein wollte, hat er immer eine Rose hinter die Klinke seines Arbeitszimmers gesteckt. Er hat mich aufgefordert, das auch zu tun.« Liebling, hatte er gesagt, wir brauchen die Türen nicht abzuschließen. Wenn wir nicht gestört sein wollen, genügt es vollkommen, wenn wir eine Rose – die Blume der Geheimnisse – an unsere Tür hängen. Auf diese Weise lernen wir, einander zu respektieren und uns gegenseitig zu vertrauen. Schon die alten Römer kannten den Brauch, eine Rose aufzuhängen.

»Sub rosa«, sagte Langdon. »Stimmt. Die Römer haben bei vertraulichen Gesprächen eine Rose aufgehängt. Die Dienerschaft wusste, dass alles, was unter der Rose – sub rosa – gesagt wurde, nicht weitergetragen werden durfte.«

Das Motiv der Geheimhaltung, ergänzte Langdon, das im Symbol der Rose anklang, sei nicht der einzige Grund dafür, dass die Prieuré sie auch als Symbol für den Gral benutzte. Rosa rugosa, eine der ältesten Rosenarten, besaß fünf Blütenblätter und eine pentagonale Symmetrie wie der »Meerstern« Venus, wodurch die Rose ikonographisch einen starken Bezug zum Weiblichen erhielt und gleichzeitig zur Vorstellung des Leitsterns, der dem Seefahrer die Richtung weist. Die Kompassrose half bei der Navigation, ebenso die Rosenlinien oder Längengrade der Land- und Seekarten. Daher hatte das Rosensymbol auf vielen Ebenen Bezüge zum Heiligen Gral, in dem sich Vorstellungen über das Geheimnisvolle, das Weibliche, die Geburtssymbolik des Kelchs und das Bild des Leitsterns bei der Suche nach der verborgenen Wahrheit vereinigten.

Mitten in seinen Ausführungen verstummte Langdon plötzlich.

»Ist was nicht in Ordnung, Robert?«, fragte Sophie.

Langdons Blicke ruhten fasziniert auf dem Rosenholzkasten.

»Sub rosa«, sagte er, und in seiner Stimme lag Fassungslosigkeit. »Das ist doch nicht möglich … «

»Was denn?«

Langsam hob Langdon den Blick. »Unter dem Zeichen der Rose … «, flüsterte er. »Ich glaube, ich weiß, was es mit diesem Kryptex auf sich hat.«

48. KAPITEL

Langdon fand den Gedanken, der ihm gerade gekommen war, geradezu unglaublich. Doch wenn er in Betracht zog, wer ihnen diesen Marmorzylinder zugespielt hatte und wie er in ihre Hände gelangt war – und dazu noch die Einlegearbeit mit der Rose auf dem Kasten –, blieb für ihn nur eine einzige logische Schlussfolgerung.

Du hältst den Schlussstein der Prieuré in Händen.

Was das betraf, gab es an der Legende nichts zu deuteln.

Der Schlussstein ist ein verschlüsselter Stein, und er liegt unter dem Zeichen der Rose.

»Robert?«, fragte Sophie verwundert. »Was ist denn los?«

Langdon brauchte einen Moment, um seine Gedanken zu ordnen. »Hat Ihr Großvater Ihnen gegenüber einmal vom clef de voûte gesprochen, Sophie?«

»Dem Schlüssel zum Gewölbe?«, übersetzte Sophie.

»Das ist zu wörtlich übersetzt. Mit clef de voûte ist kein Schlüssel für ein Bankgewölbe oder einen Tresor gemeint, sondern die Gewölbekonstruktion in der Architektur, etwa das Gewölbe über einem Kirchenschiff.«

»Aber was soll dann der Begriff ›Schlüssel‹?«

»Nun, jedes steinerne Gewölbe benötigt als Abschluss oben in der Mitte einen zentralen keilförmigen Stein, der das Gewölbe schließt und das Gewicht zu den Seiten hin in die Pfeiler ableitet. Diesen Stein nennt man in der Architektur den Schlussstein. Im Englischen heißt er keystone.« Langdon hielt in Sophies Augen nach einem Funken des Erkennens Ausschau.

Sophie zuckte die Achseln und betrachtete das Kryptex. »Aber das ist doch kein Schlussstein für ein Gewölbe.«

Langdon wusste nicht, wo er anfangen sollte. Die Kunst, einen Schlussstein passgenau zurechtzuhauen, war eines der bestgehüteten Geheimnisse der Steinmetzgilden mittelalterlicher Dombauhütten gewesen. Das Geheimwissen, wie man einen keilförmigen Schlussstein zum Bau von Gewölben herstellte und verwendete, hatte die Steinmetzgilden reich werden lassen, und sie hatten dieses Wissen sorgfältig gehütet. Deshalb war der Schlussstein stets von einem Geheimnis umwittert gewesen. Der Steinzylinder im Rosenholzkasten allerdings war offenbar etwas ganz anderes. Der Schlussstein der Prieuré de Sion – falls sie ihn tatsächlich in Händen hielten – entsprach ganz und gar nicht Langdons Vorstellungen.