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»Drehen Sie sich jetzt um, und gehen Sie zur vorderen Wand!«

Langdon gehorchte.

Vernet schlug das Herz bis zum Hals. Die Waffe in der rechten Hand, griff er mit der linken nach dem Holzkästchen, doch es war zu schwer. Du brauchst beide Hände dafür. Er warf einen Blick auf seine Gefangenen, die auf sein Geheiß mit dem Rücken zu ihm fast fünf Meter entfernt an der Vorderwand des Laderaums standen. Vernet legte die Pistole auf die Stoßstange, griff sich mit einer blitzschnellen Bewegung den Kasten, stellte ihn vor sich auf den Boden, nahm sofort die Waffe wieder auf und richtete sie erneut auf seine Opfer. Keiner der beiden hatte sich vom Fleck gerührt.

Perfekt. Jetzt brauchte er nur noch die Hecktür zu schließen. Vernet packte die gepanzerte Tür am Riegel und schwang sie herum. Mir einem dumpfen Laut fiel sie in ihr Widerlager. Vernet versuchte, den Riegel in die Verschlussstellung zu schieben, doch er bewegte sich nur ein Stück, dann war ein Widerstand zu spüren. Was klemmt denn hier! Vernet versuchte es noch einmal, doch der Riegel rastete nicht in die Endstellung ein. Der Mechanismus war durch irgendetwas blockiert. Die Tür ist nicht richtig zu …

Vernet geriet in Panik. Er drückte mit aller Gewalt, doch der Riegel blieb in der Zwischenstellung. Vernet wollte einen Schritt zurücktreten, um sich mit der Schulter gegen die störrische Tür zu werfen. In diesem Moment flog die Stahltür explosionsartig auf und knallte ihm ins Gesicht. Die Hände vor die quälend schmerzende, zerquetschte Nase geschlagen, ging Vernet rückwärts zu Boden. Die Pistole flog ihm aus der Hand. Er spürte, wie das Blut ihm warm übers Gesicht lief.

Robert Langdon war neben ihm auf den Boden gesprungen. Als Vernet sich aufzurichten versuchte, wurde ihm schwarz vor Augen, und er fiel wieder nach hinten. Sophie Neveu rief Langdon irgendetwas zu. Im nächsten Moment fegte eine Wolke aus Dieselqualm, Staub und Steinchen über Vernet hinweg. Er hörte das Geräusch von Reifen, die im Schotter durchdrehten. Als er sich aufsetzte, konnte er gerade noch sehen, dass der Lieferwagen eine Kurve nicht eng genug genommen hatte. Es krachte, als die vordere Stoßstange sich in einem kleinen Baum verhakte. Der Motor heulte auf. Der Baumstamm bog sich wie im Sturm, aber schließlich zog die Stoßstange den Kürzeren und riss zur Hälfte ab. Der gepanzerte Transporter schlingerte mit herabhängender Stoßstange davon.

Vernet starrte auf die Stelle, wo das Kästchen gestanden hatte. Im schwachen Mondlicht war zu erkennen, dass es verschwunden war.

50. KAPITEL

Der unauffällige Fiat ließ Castel Gandolfo hinter sich und wand sich talwärts durch die Albaner Berge. Bischof Aringarosa, der lächelnd auf dem Rücksitz saß, blickte durchs Fenster auf die malerische Landschaft. Auf dem Schoß spürte er das angenehme Gewicht des Köfferchens.

Zwanzig Millionen Euro. Hoffentlich findet der Austausch mit dem Lehrer bald statt.

Die Macht, die Aringarosa sich mit dieser Summe erkaufen würde, war unvergleichlich mehr wert als das Geld.

Aringarosa wunderte sich, dass der Lehrer noch nicht Verbindung mit ihm aufgenommen hatte. Er nahm sein Handy aus der Soutane und blickte auf die Anzeige der Signalstärke. Sie war extrem schwach.

»Hier oben fährt man von einem Funkloch ins andere«, sagte der Fahrer mit einem Blick in den Innenspiegel. »Gleich kommen wir aus den hohen Bergen heraus, dann wird es besser.«

»Danke.« Aringarosa war plötzlich sehr besorgt. Das Handy funktioniert hier nicht? Hatte der Lehrer vielleicht schon die ganze Zeit versucht, ihn zu erreichen? War etwas schiefgegangen?

Aringarosa hörte die Mailbox ab. Nichts. Außerdem hätte der Lehrer niemals eine Nachricht hinterlassen, die aufgezeichnet wurde. Er war ein Mensch, der bei jeder Kontaktaufnahme äußerste Vorsicht walten ließ. Niemand kannte die Fallstricke der vielfältigen Kommunikation in der modernen Welt besser als der Lehrer; schließlich hatte er vor allem mit Hilfe elektronischer Abhörmethoden seinen erstaunlichen Fundus an Geheimwissen zusammengetragen.

Und deshalb ist er besonders vorsichtig.

Leider gehörte zu den Vorsichtsmaßnahmen des Lehrers auch die Weigerung, Aringarosa eine Nummer zu geben, unter der er seinerseits erreichbar war. Der Kontakt wird immer nur von mir ausgehen, hatte der Lehrer ihm beschieden. Sorgen Sie nur dafür, dass Sie stets das Mobiltelefon zur Hand haben. Deshalb fürchtete Aringarosa so sehr, der Lehrer könnte vergeblich versucht haben, ihn zu erreichen, und falsche Schlüsse daraus ziehen.

Er wird denken, dass etwas nicht geklappt hat.

Oder dass du die Obligationen nicht bekommen hast.

Oder dass du mit dem Geld verschwunden bist …

Dem Bischof trat der Schweiß auf die Stirn.

51. KAPITEL

Selbst bei mäßigen sechzig Stundenkilometern machte die Stoßstange des Geldtransporters, die über die einsame Landstraße schrammte, einen Höllenlärm und ließ einen Funkenregen über die Fahrzeugschnauze stieben.

Wir müssen von der Straße, sagte sich Langdon.

Er konnte ohnehin kaum erkennen, wohin er fuhr. Der einzige noch funktionierende Scheinwerfer war schief in die Karosserie eingedrückt und warf einen schrägen Lichtstrahl seitwärts ins Gebüsch. Die Bezeichnung »gepanzert« bezog sich offensichtlich nur auf den Laderaum des Fahrzeugs und keinesfalls auf die Frontpartie.

Sophie saß auf dem Beifahrersitz und starrte auf das Rosenholzkästchen auf ihrem Schoß. Sie sah völlig verwirrt aus.

»Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Langdon.

»Glauben Sie Vernet?«

»Die Sache mit den drei weiteren Morden? Unbesehen. Das liefert uns nämlich die Antwort auf viele Fragen – zum Beispiel, warum Ihr Großvater so verzweifelt versucht hat, den Schlussstein an Sie weiterzugeben, und warum Fache so intensiv nach mir fahndet.«

»Nein, ich meine, dass Vernet angeblich seine Bank zu schützen versucht.«

Langdon schaute zu Sophie hinüber. »Oder aber?«

»Er wollte sich den Schlussstein in Wirklichkeit selbst unter den Nagel reißen.«

Daran hatte Langdon überhaupt noch nicht gedacht. »Aber wie hätte er wissen sollen, was sich im Kästchen befindet?«

»Es wurde in seiner Bank aufbewahrt. Er hat meinen Großvater gekannt. Er könnte etwas herausbekommen haben. Vielleicht ist er hinter dem Gral her.«

Langdon schüttelte den Kopf. Dafür war Vernet nicht der Typ. »Nach meiner Erfahrung gibt es nur zwei Gründe, weshalb jemand sich auf die Gralssuche einlässt. Entweder er ist naiv und glaubt, den verschollenen Kelch Christi finden zu können … «

»Oder?«

»Oder er kennt die Wahrheit und muss sie fürchten. Im Laufe der Geschichte gab es viele Gruppierungen, die den Gral zerstören wollten.«

Das durchdringende Kreischen der Stoßstange klang doppelt laut und nervtötend in dem Schweigen, das sich zwischen Sophie und Langdon ausbreitete. Sie waren inzwischen ein paar Kilometer gefahren. Angesichts des Lärms und der Funkenkaskaden vor dem Fahrzeug wurde Langdon klar, dass er etwas unternehmen musste: Falls ihnen ein Fahrzeug begegnete, wurde man bestimmt auf sie aufmerksam.

»Ich versuche, die Stoßstange wieder hinzubiegen«, sagte er entschlossen, fuhr rechts ran und hielt.

Wohltuende Stille.

Als Langdon ausstieg und zur Front des Lieferwagens ging, fühlte er sich erstaunlich munter. Der Blick in den Lauf der zweiten Pistole des heutigen Abends hatte für einen gewaltigen Adrenalinschub gesorgt. Nicht nur, dass er ein gejagter Mann war – Langdon spürte auch angesichts der Tatsache, dass Sophie und er möglicherweise den verschlüsselten Wegweiser zu einem der am längsten und besten gehüteten Geheimnisse aller Zeiten in Händen hielten, den wachsenden Druck der Verantwortung.