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«Ganz einfache Fragen. Antworten Sie nur mit ja oder nein oder klaren Aussagesätzen. Stellen Sie keine Gegenfragen. Die Fragen, die wir an Sie haben, sind Ihnen alle schon einmal gestellt worden. Jedenfalls die meisten. Wobei wir Grund zu der Annahme haben, dass die Antworten, die wir bisher bekommen haben, in keinem besonders innigen Verhältnis zur Wahrheit standen. Deshalb fragen wir jetzt noch einmal. Und ich beginne mit der einfachsten Aufgabe von allen: Wie heißen Sie?»

«Weiß ich nicht.»

«Tatsächlich nicht? Wenn Sie an dieser vergleichsweise einfachen Frage schon scheitern — haben Sie eine Ahnung, was dann auf Sie zukommt?» Cockcroft hatte sich ein wenig vorgebeugt. In seinem Vollbart hingen Tabakkrümel. «Ich wiederhole meine Frage. Wie heißen Sie?»

«Weiß ich nicht.»

«Ihr letztes Wort?»

«Sie wissen, dass ich das nicht weiß.»

«Spekulieren Sie nicht über mein Wissen. Ich weiß mehr, als Sie denken. Antworten Sie.»

«Wenn Sie Arzt wären, wüssten Sie das auch.»

«Ich bin Arzt. Erinnern Sie sich an meinen Namen?»

«Cockcroft.»

«Dr. Cockcroft.»

«Aber Sie sind kein Doktor.»

«Da täuschen Sie sich. Nur ist das nicht die Frage. Die Frage ist: Wer sind Sie

«Wissen Sie es?»

«Was hatte ich Ihnen über Gegenfragen gesagt?»

«Aber Sie wissen es, oder? Sie wissen, wer ich bin? Oder was ich gemacht habe? Warum sagen Sie’s nicht einfach?»

«Weil Sie Frage eins noch nicht beantwortet haben. Und Sie bekommen jetzt die allerletzte Gelegenheit dazu.» Cockcroft hob den Fuß, ließ ihn wenige Zentimeter über dem schwarzen Kästchen schweben und wiederholte in genau dem gleichen Tonfall wie zu Anfang: «Wie heißen Sie?»

«Weiß! Ich! Nicht!», brüllte Carl.

Der Fuß hing eine Weile unentschlossen in der Luft und sackte dann hinunter. Carls Körper verkrampfte sich in Panik. Sein Kopf flog zurück, er presste stoßweise Luft durch die Nase und zog sie durch die Backenzähne wieder ein.

In Erwartung des Stromstoßes hatte er alle Muskeln angespannt. Das Ausbleiben des Schmerzes trieb ihm die Tränen in die Augen. Der Bassist, der herangekommen war, beobachtete Carls Reaktion zufrieden, der Syrer mit zusammengekniffenen Augen und Cockcroft stirnrunzelnd. Er schaltete den grauen Kasten aus und wieder ein und betätigte erneut den Schalter. Carl krampfte mit leichter Zeitverzögerung. Abermals kein Schmerz. Cockcroft sah seinem Gegenüber in die Augen, wartete einige Sekunden und machte dann drei schnelle, unregelmäßige Bewegungen mit dem Fuß. Carl versuchte, so gut es ging, im selben Rhythmus zu krampfen und zu stöhnen. Cockcroft schüttelte den Kopf. Mit ein paar raschen Tritten beförderte er das schwarze Kästchen außer Sichtweite. Kurz war es still. Dann gereiztes Herumtrampeln auf dem Schalter.

«Der Kerl spürt überhaupt nichts», sagte Cockcroft.

Die Männer untersuchten die Verkabelung, rüttelten an der grauen Kiste und drehten sie herum. Sie zogen die Elektroden von Carls Haut, hielten sie an ihre eigenen Unterarme, befeuchteten sie mit Speichel und klebten sie zurück. Sie ließen die Kabel Stück für Stück durch ihre Hände gleiten. Der Syrer zog die Verbindungsstecker ab und rieb das Metall blank. Sie rüttelten an den Kontakten, sie schraubten den Fußschalter auf und wieder zu und drückten darauf herum. Nach quälend langen Minuten entdeckten sie schließlich eine Stellschraube auf der Rückseite der grauen Kiste. Erleichtert drehte der Syrer das Potentiometer mit dem Schraubenzieher ganz nach rechts, und der Bassist sagte: «Sind wir dann so weit?»

Sie wandten sich wieder dem Gefangenen zu. Cockcroft schloss den elektrischen Kontakt, und Carl flog mit dem Stuhl gegen die Wand.

Es fühlte sich an wie flüssiger Sprengstoff, den man in jede Ader, jedes Gefäß hineingepumpt hat und lautlos zur Explosion bringt.

«Erstaunlich dafür, dass er sich gar nicht bewegen kann», sagte der Syrer. Er stellte mit dem Bassisten zusammen den Stuhl wieder auf und prüfte die Fesseln.

Dann diskutierten sie, ob sie das Potentiometer zurückdrehen oder den Stuhl mit Steinen beschweren sollten. Carl rang die ganze Zeit nach Atem und kam zu sich mit dem Gefühl, als habe ihn ein Mühlstein am Hals getroffen.

Das Nächste, was er wahrnahm, war ein Felsbrocken auf seinem Schoß. Eine blinkende Kontrolllampe. Ein vollbartumrahmtes Lächeln.

«Kommen wir zum aufregenden Teil des Abends», sagte Cockcroft.

56. STROM

Our story deals with psychoanalysis, the method by which modern science treats the emotional problems of the sane. The analyst seeks only to induce the patient to talk about his hidden problems, to open the locked doors of his mind. Once the complexes that have been disturbing the patient are uncovered and interpreted, the illness and confusion disappear … and the devils of unreason are driven from the human soul.

Hitchcock, Spellbound

Er redete über alles, was er wusste, und über das, was er nicht wusste, redete er auch. Und was sie von ihm wissen wollten, wusste er noch immer nicht. Sie fragten, wie er heiße und wo er wohne. Aber sie wollten nicht wissen, wie er hieß und wo er wohnte, sie wollten nur wissen, ob er bereit war zuzugeben, ein Simulant zu sein, und also gab er es zu. Und da wiederholten sie ihre Frage, wie er heiße, und er sagte, er wisse es nicht, und sie gaben ihm Stromschläge. Er sagte, sein Ausweis laute auf den Namen Cetrois, und sie gaben ihm Stromschläge. Er sagte, er heiße möglicherweise Adolphe Aun oder Bertrand Bédeux, und sie sagten, er heiße nicht Adolphe Aun und auch nicht Bertrand Bédeux und Cetrois schon gar nicht, und gaben ihm Stromschläge. Er sagte, er wisse nicht, wie er heiße, und er sagte, er wisse es. Er erfand Namen und Geschichten, und wenn er genügend Stromschläge bekommen hatte, erfand er andere Namen und Geschichten, und er bat sie, damit aufzuhören, und schrie zwischendurch alles heraus, was er über sich wusste, in der Hoffnung, dass sie seinen guten Willen erkannten, sein ganzes Leben von der Scheune angefangen bis jetzt, und sie gaben ihm Stromschläge. Sie sagten, das sei nicht das, was sie wissen wollten, und wiederholten Frage eins, und Frage eins war die Frage nach dem Namen, und er sagte, sein Name sei Carl Gross. Und sie gaben ihm Stromschläge.

Sie fragten, was ein Auto und ein Boot gemeinsam hätten, und gaben ihm Stromschläge. Sie fragten, was er in Tindirma gemacht habe und ob er sich an den Tyrannen von Akragas erinnere, und ließen ihn in Dreizehnerschritten von tausend zurückzählen. Und gaben ihm Stromschläge. Sie wollten wissen, ob er in der Wüste ausgestiegen sei und mit wem er sich getroffen habe. Und gaben ihm Stromschläge. Sie fragten nach dem Namen seiner Frau. Sie fragten, ob er den Witz mit dem Skelett in der Höhle und den Geheimdiensten kenne und warum er Helen an der Tankstelle angesprochen habe und nicht das deutsche Pärchen im VW-Bus. Sie verlangten eine Personenbeschreibung der Frau, mit der er im Hotel gewesen war, und eine Beschreibung der Gegenstände aus dem gelben Mercedes. Sie fragten, wer Adil Bassir («Adil wer?») sei und in welcher Verbindung er zu ihm stehe. Gestanden habe. Sie fragten nach seinem Kumpel. Sie fragten nach seinem Namen. Und gaben ihm Stromschläge. Sie fragten, wie er den Mercedes in Tindirma gefunden habe mit seinem Gedächtnisverlust, und gaben ihm Stromschläge. Eine Getränkedose? Ein Barbier? Ein Kugelschreiber? Sie fragten nach Details, wiesen ihm Widersprüche nach oder behaupteten, ihm Widersprüche nachgewiesen zu haben, und sie gaben ihm Stromschläge.