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»Ich kann nichts sagen,« antwortete er. »Man macht ein Loch, um etwas hineinzustecken. Was kann in diesen Löchern gesteckt haben? Old Shatterhand wird es gewiß wissen.«

»Es ist nicht schwer zu erraten, aber die Sprache meines Bruders hat kein passendes Wort dafür. Oder wüßtest du, was ein Bolzen oder eine Klammer ist?«

»Nein.«

»Ein Eisen oder ein Holz, welches in den Boden oder in die Wand geschlagen wird, um irgend einem Gegenstande oder einer Last Festigkeit und Halt zu geben. Die Last, um welche es sich hier handelt, ist eine Brücke über den Spalt. Wären wir drüben, so würden wir, wie ich vermute, vier ganz gleiche Löcher sehen.«

»Wo aber ist die Brücke?«

»Fort. Wahrscheinlich haben diejenigen, welche dieselbe zuletzt benutzten, sie in den Abgrund geworfen. Es hat verborgen bleiben sollen, daß man den Spalt mit einer Brücke überschreiten kann. Man hat die Löcher mit Absicht verstopft, damit Späterkommende sie nicht entdecken sollen. Die Augen meines jungen Bruders aber sind scharf gewesen.«

»Nicht die Augen, sondern ich fühlte die Erde, weil sie weicher als der Felsen war, mit der Spitze meines Fußes. Wäre die Brücke noch vorhanden, so könnten wir hinüber und dann weiterforschen.«

»Wir brauchen die Brücke nicht, denn wir werden in den Gang, welcher da drüben beginnt, auf andere Weise kommen. Er hat, wie ich vermute, ein Loch, in welches wir steigen werden.«

»Wann? - Heute abend?«

»Nein, sondern morgen. Das Loch ist zugemacht worden; ich würde es in der Dunkelheit nicht finden, und Licht dürfen wir draußen nicht anzünden; aber wenn es Tag geworden ist, werden wir in den Gang eindringen, um ihn zu untersuchen, jetzt wollen wir essen, und dann werde ich fortgehen, um die Gegend kennen zu lernen.«

»Wird Old Shatterhand mir erlauben, ihn zu begleiten?«

»Nein. Ich würde dich gern mitnehmen, aber du mußt um der Pferde willen bleiben.« »Sie befinden sich hier in Sicherheit. Kein Yuma kann sie finden.«

»Das ist richtig; aber sie kennen die Höhle nicht; sie fürchten sich; sie verhalten sich ruhig, weil wir uns bei ihnen befinden. Ließen wir sie allein und im Finstern, so könnten wir sie später unten im Abgrunde suchen.«

Der Knabe mußte also bleiben, und ich ging, als wir unser frugales Abendessen verzehrt hatten, auf Entdeckungsreisen aus. Es hatte freilich nicht den Anschein, als ob große Entdeckungen zu machen seien, denn es war finster draußen; ich mußte warten, bis der Schein der Sterne heller wurde. Doch blieb ich nicht bei der Höhle stehen, sondern ging weiter, an der Felswand hin, bis ich die nördliche Ecke derselben erreichte. Dort setzte ich mich nieder, um zu warten.

Meine Absicht war, den auf das Plateau führenden Weg auszukundschaften, was bei der jetzigen

Dunkelheit nicht nur erfolglos sein mußte, sondern mir überdies gefährlich werden konnte. Es war zwar nicht wahrscheinlich, aber doch möglich, daß jemand sich auf dem Wege befand und mich kommen hörte; in diesem Falle war vorauszusehen, daß mein Spaziergang einen für mich nicht sehr angenehmen Verlauf nehmen werde.

Da, wo ich saß, lagen mehrere Steine von verschiedener Größe. Auch das war ein Grund für mich, nicht weiter zu gehen, denn wenn es auf meinem Wege mehr solche Felsstücke gab, so mußte das beabsichtigte Schleichen in der Dunkelheit zu einem immerwährenden Stolpern und Stürzen werden.

So wartete ich wohl eine Stunde lang. Es herrschte tiefe Stille rings umher. Die erst so bleichen Sterne bekamen Glanz; ich konnte weiter sehen als vorher und stand eben im Begriff, von meinem Sitze aufzustehen und weiterzugehen, als ich Schritte hörte, welche näher kamen. Ich nahm natürlich an, daß der Nahende vorüber wolle, und duckte mich hinter einem der erwähnten Felsstücke nieder. Die Schritte kamen näher, gerade auf mich zu; ich sah die Gestalt eines Indianers, welcher nicht weit von mir stehen blieb und sich umsah. Als er niemand erblickte, ließ er einen halblauten Ausruf der Enttäuschung hören, kam noch näher und setzte sich auf einen Stein, welcher nicht weiter als drei Schritte vor mir lag.

Das war fatal, im höchsten Grade fatal! Die Steine lagen so, daß ich nicht zurückkonnte, ohne gehört zu werden. Vorwärts konnte ich auch nicht, denn da hätte ich gerade an ihm vorüber gemußt. Es blieb mir also nichts anderes übrig, als geduldig zu warten, bis er wieder ging.

»Uff!« hörte ich den Indianer nach langer Pause halblaut rufen. Er stand auf und trat einige Schritte vor. Es kam jemand - es war die Jüdin! Ich wurde Ohrenzeuge einer höchst interessanten Unterhaltung. Im Verlaufe derselben nannte er sich »Schlange«. Er war also der Inhaber des Zeltes, welches ich gesehen hatte, und der Anführer der hier liegenden dreihundert Yumas, ein Unterhäuptling des »großen Mundes«. Wie ich hörte, war sein englischer und spanischer Wortschatz ein für einen Yuma nicht gewöhnlicher; die Jüdin wußte nicht den zwanzigsten Teil davon und verstand kein Wort indianisch. Aus diesem Grunde konnten sie grammatikalisch einander das nicht sagen, was sie sagen wollten; aber sie verstanden einander doch, wenn es auch hier und da ein Mißverständnis gab, über welches man hätte aufschreien mögen. Wo Worte nicht ausreichten, wurde das Zeichen zu Hilfe genommen; kurz und gut, sie verstanden sich trotz aller sprachlichen Hindernisse, und ich verstand sie auch.

Er nahm sie, als sie kam, bei der Hand, führte sie zu dem Steine, auf welchem er gesessen hatte, und sagte:

»Schon glaubte die "listige Schlange", daß die weiße Blume nicht kommen werde. Warum ließ sie ihn warten?«

Er mußte seine Frage mehrere Male wiederholen und ihr ein anderes Gewand geben, ehe sie dieselbe verstand und darauf antwortete:

»Melton hielt mich ab.«

Nun verstand er sie nicht; sie wiederholte ihre Worte und erklärte sie durch Zeichen. »Was tut er jetzt?« fragte die Schlange.

»Er schläft,« antwortete sie weniger durch das Wort, als durch die Pantomime.

»Meint er, daß die weiße Blume auch schlafe?«

»Ja.«

»So ist er ein Tor, welcher betrogen wird, weil er selbst betrügen will. Die weiße Blume darf nicht glauben,

was er sagt; er belügt sie und wird nicht halten, was er ihr versprochen hat.«

Jedem Satze folgte, da keiner sogleich verstanden wurde, eine mühevolle Pantomimenerklärung, wobei sie nach Worten suchten, welche gegenseitig bekannt waren. Mir machte dies Spaß; den Leser aber würde es langweilen, wenn ich die Unterhaltung so wiedergeben wollte, wie sie in Wirklichkeit geführt wurde; sie soll darum auf dem Papiere so glatt verlaufen, als ob die beiden der notwendigen Redeteile vollständig mächtig gewesen wären.

»Weißt du denn, was er mir versprochen hat?« fragte sie.

»Ich denke es mir. Hat er nicht gesagt, daß er dir große Reichtümer geben will?«

»Ja. Er meint, daß er durch dies Bergwerk bald eine Million verdient haben werde. Dann soll ich seine Frau werden, Diamanten, Perlen und allerlei kostbares Geschmeide haben, ein Schloß in der Sonora und einen Palast in San Franzisco.«

»Du wirst keine Edelsteine, kein Gold, kein Schloß und keinen Palast haben, denn er wird zwar viel Geld verdienen, es aber doch nicht besitzen.«

»Wieso nicht?«

»Das ist Geheimnis der Yumas. Aber selbst wenn es so käme, wie er denkt, würde er dir nichts davon geben. Du bist die einzige Blume in dieser Einsamkeit; nur darum trachtet er nach dir. Wenn es später andre gibt, wird er dich wegwerfen.«

»Das sollte er wagen! Ich würde mich rächen und alles verraten, was er hier begangen hat!«