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Wilmot richtete den Blick wieder auf Eberly. »Wie sieht es damit aus, Dr. Eberlv?«

»Wir wollen es so einrichten, dass er mit dem Video-Team zurückfliegt, wenn die Exkursion zum Titan beendet ist.«

Urbain schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Sie werden nicht die Erlaubnis bekommen, auf dem Titan zu landen. Niemals!«

»Der Teamleiter geht aber davon aus, dass es ihm erlaubt wird…«

»Niemals!«, wiederholte Urbain noch heftiger.

Wilmot legte dem Wissenschaftler beschwichtigend die Hand auf den Arm. »Ich dachte, Dr. Cardenas wollte ihm bei der Lösung des Kontaminationsproblems helfen.«

»Mit Nanomaschinen?«, blaffte Urbain. »Das glaube ich erst, wenn ich es mit eigenen Augen sehe. Nicht eher.«

»Es wird aber schwierig werden, ihm die Genehmigung zu verweigern. Ich meine, dieser Gaeta ist ein Medien-Held. Er hat diesen verletzten Astronauten gerettet. Deshalb genießt er ein hohes Ansehen im ganzen Habitat.«

»Wir müssen eine Vorführung von Dr. Cardenas' Nanomaschinen arrangieren«, sagte Wilmot, bevor Urbain etwas zu erwidern vermochte. »Eine Vorführung, die unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen stattfindet. Ich will nicht das geringste Risiko eingehen, dass Nanobots in diesem Habitat Amok laufen.«

Urbain nickte gequält lächelnd. »Null-Risiko«, murmelte er, und sein Lächeln verriet Eberly, dass er wusste, Null-Risiko war ein Ding der Unmöglichkeit.

»Gut«, sagte Urbain. »Sind wir nun fertig?«

Ein paar Abteilungsleiter schoben die Stühle zurück. Doch dann räusperte Eberly sich laut und verkündete: »Es gäbe da noch etwas, wenn's recht ist.«

Wilmot, der sich schon halb vom Stuhl erhoben hatte, ließ sich wieder darauf fallen. Er schaute alles andere als erfreut. »Was gibt's denn noch?«, fragte er pikiert.

»Mein Komitee hat einen Entwurf für eine Verfassung ausgearbeitet. Ich habe ihn durchgesehen, und ich halte die Zeit nun für gekommen, diesen Entwurf der breiten Öffentlichkeit zu präsentieren und ihn zur Abstimmung zu stellen.«

Etwas wie Argwohn flackerte kurz in Wilmots Augen auf.

»Sie haben doch schon diese ganze Diskussion um die Namensgebung inszeniert. Wollen Sie etwa schon wieder eine Debatte anzetteln?«

Doch Wilmot fasste sich mit einem Finger an den Bart und sagte: »Ich möchte Ihren Entwurf erst einmal sehen. Dann werden wir ihn von den Abteilungsleitern begutachten lassen. Anschließend werden wir ihn der Öffentlichkeit vorstellen.«

»Schön«, sagte Eberly mit einem gefälligen Lächeln. Genau das hatte er nämlich von Wilmot erwartet.

Holly erhob sich vom Schreibtisch und ging zu Morgenthaus Tür. In ihrer Vorstellung war dies nicht mehr Eberlys Büro; sie hatte Eberly seit Wochen schon nicht mehr gesehen, außer bei flüchtigen Begegnungen, bei denen immer auch andere Leute zugegen waren. Er macht sich nichts aus mir, redete sie sich ein und hoffte zugleich verzweifelt, dass das nicht stimmte. Sie fragte sich, was sie tun musste, dass sie ihm so viel bedeutete wie er ihr.

Sie klopfte an die Tür, und Morgenthau rief »Herein.«

Holly schob die Tür halb auf und sagte: »Ich werde für den Rest des Tages nicht im Büro sein. Ich will zu…«

Morgenthau wirkte besorgt, beinahe erschrocken. »Holly, ich wollte es Ihnen schon früher sagen, aber es ist mir eben erst wieder eingefallen. Ich möchte, dass Sie Dr. Cardenas' Dossier auf den neusten Stand bringen.«

»Auf den neusten Stand? Ich dachte, wir hätten schon eine komplette Akte über sie.«

Morgenthau tippte auf den Palmtop-Computer, der auf dem Schreibtisch stand. Cardenas' Akte und ihr Bild erschienen überm Computer. Morgenthau scrollte die Datei so schnell, dass die Worte vor Hollys Augen verschwammen. Das war aber auch egal, denn Holly hatte die komplette Datei schon einmal gelesen und sich jedes einzelne Wort gemerkt.

»Hier. Da ist eine Lücke im Lebenslauf. Sie hat für ein paar Jahre das Nanolab auf Selene geleitet und dann plötzlich gekündigt. Ein paar Monate später ist sie nach Ceres gegangen, aber sie hat sich dort nicht mehr mit Nanotechnik befasst, soweit es aus den Aufzeichnungen hervorgeht. Ich möchte, dass Sie das mit ihr klären.«

»So kosmisch scheint das aber nicht zu sein, oder?«, sagte Holly.

»Meine liebe Holly«, sagte Morgenthau mit einem sich verhärtenden Gesichtsausdruck, »alles über Nanotechnik ist wichtig. Aus irgendeinem Grund hatte die Cardenas einen Karriereknick. Sie hat die Nanotech-Arbeit für ein paar Jahre ruhen lassen und will ihre Forschungen nun wieder aufnehmen — hier bei uns. Wieso? Was hat sie vor?«

»Okay«, sagte Holly. »Ich werde sie anrufen.«

»Laden Sie sie zum Mittagessen ein. Wenn sie ablehnt, gehen Sie in ihr Labor und verlassen es nicht eher, bis sie sich Ihnen gegenüber erklärt hat.«

»So wie Sie das sagen, könnte man glauben, es handele sich um eine polizeiliche Vernehmung.«

»Vielleicht sollte man tatsächlich eine durchführen.«

Holly fragte sich, wieso Morgenthau sich so echauffierte, und sagte: »Ich werde sie anrufen, bevor ich gehe.«

»Sofort, Holly«, sagte Morgenthau und hob einen Wurstfinger. »Ich will, dass das sofort erledigt wird. Essen Sie heute mit ihr zu Mittag. Ich möchte, dass Sie mir gleich morgen früh über diesen Punkt in Cardenas' Dossier berichten.«

Hollys erster Impuls war, Morgenthau zu empfehlen, ohne Raumanzug aus einer Luftschleuse zu springen. Doch dann wurde sie sich bewusst, dass die Frau noch nie so auf etwas gedrungen hatte. Das macht ihr wirklich zu schaffen, sagte Holly sich. Vielleicht ist dieser Nanotech-Kram doch gefährlicher, als ich dachte.

Don Diego richtete sich langsam und unter Schmerzen auf. Der Rücken ist meine Schwachstelle, sagte er sich und massierte sich das Kreuz. Falls es uns jemals gelingen sollte, den menschlichen Körper neu zu konstruieren, wird man den Schwerpunkt auf die Verbesserung des Rückens legen müssen.

Er marschierte langsam und bedächtig auf der Böschung des Kanals entlang. Der Schmerz strahlte vom Steißbein aus, an das er schlecht herankam. Er seufzte. Wenigstens ist dieser Abschnitt fast fertig, sagte er sich. Er hielt inne und betrachtete die blühenden Sträucher, die sich an die Böschung klammerten. Vielleicht ein paar Kakteen im nächsten Abschnitt, sagte er sich. Ich frage mich nur, ob es im Habitat überhaupt einen Kaktus gibt?

Er hatte eigentlich mit Hollys Erscheinen gerechnet; sie hatte sich für diesen Nachmittag angesagt. Er wollte ihr zeigen, wie dieses Stückchen Wildnis sich entwickelte.

Jemand trat hinter einem Baum oben am Rand des Grabens hervor und kam den Abhang herab auf ihn zu. Ein großer, schlanker Schwarzer mit einem kahl rasierten Schädel und einem strichförmigen Bart, der die Konturen des Kiefers nachzeichnete. Er wird sich die blank geputzten Stiefel dreckig machen, sagte Don Diego sich.

»Guten Tag«, rief er dem Fremden auf Englisch zu. »Was führt Sie denn an diesen stillen Ort?«

Der Fremde lächelte freundlich. »Sie sind Diego Romero von der Kommunikations-Abteilung?«

»Der bin ich«, sagte Don Diego. Der Mann muss aus dem Büro sein, sagte er sich. Jemand musste sich wegen seines ständigen Fehlens beschwert haben. Oder…

»Sind Sie von der Instandhaltungsabteilung?«, fragte er etwas besorgt.

Der schwarze Mann kam näher. Er lächelte noch immer. »Nein, in dieser Hinsicht haben Sie nichts zu befürchten.«

Wie befohlen aß Holly mit Kris Cardenas im Bistro zu Mittag. Aber es lief nicht gut.

»Ich weiß, dass ich neugierig wirke«, sagte sie wie um Entschuldigung heischend, »aber meine Chefin macht sich Sorgen wegen der Nanotechnik, und da ist eine Lücke in Ihrem Lebenslauf…«